NITRO-Senderchef Oliver Schablitzki: „Sich irgendwann von RTL zu verabschieden, ist seit Tag eins der Plan“

Ab Ende Juli wird aus RTL Nitro nur noch NITRO. Mit uns spricht der Senderchef über die neuen Fußballrechte, warum die Super RTL-Kollegen einen neuen Weg zur Kantine finden müssen und welche Quoten-Ziele er sich setzt.

Zur Person: Oliver Schablitzki

Oliver Schablitzki leitet NITRO seit dem Sendestart im April 2012. Der Programmmacher kommt von MTV Networks, wo er zuvor als stellvertretender General Manager für Nickelodeon Nordeuropa tätig war. Auch für Super RTL war der Eintracht-Frankfurt-Fan zuvor schon aktiv.
Oliver Schablitzki, zunächst Glückwunsch zum fünften Sendergeburtstag – Das Kind wächst und gedeiht?
Das ging schnell, ja! (lacht) In Senderjahren sind wir jetzt eher in der Pubertät, so der letzte Sprung vor dem Erwachsenwerden. Wir sind mit der Entwicklung ganz zufrieden.

RTL Nitro hat das RTL im Namen nun verloren – wie kam es dazu?
Nein, NITRO hat das RTL nicht verloren, sondern verabschiedet sich dankend davon. Das wirkt für Außenstehende jetzt vielleicht überraschend, für uns aber gar nicht. Dieser Plan steht seit Tag eins. Wir haben am Anfang stark von der Strahlkraft von RTL profitiert, das heißt von der Bekanntheit und dem Glanz der Marke. Uns war aber klar, dass wenn wir neben den eher weiblichen Sendern RTL und VOX noch eine männliche Marke positionieren wollen, müssen wir uns von RTL verabschieden. Der fünfte Geburtstag und der Start von «100 Prozent Bundesliga» bilden einen guten Zeitpunkt, um sich namentlich vom Mutterschiff loszulösen.

Das heißt, es wird auch ein neues On-Air-Design geben?
Genau, ab 31. Juli dann nur noch mit NITRO in einem veränderten Design. Wir haben gesagt, wir nutzen jetzt diese Gelegenheit zum Umsteigen. Wir möchten NITRO moderner und männlicher präsentieren. Wir wollen aber auch zeigen, dass Live-Berichterstattung in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Mir gefällt das neue On-Air-Design sehr gut, da es dem Sender eine Klarheit und Modernität verleiht. Wir spielen mehr mit den Sendergesichtern und realen Bildern.

NITRO hat sich für vier Jahre Bundesliga-Rechte gesichert. Wie wichtig ist die – sicherlich auch nicht günstige – Bundesliga-Lizenz für einen ja doch noch jungen und damit relativ kleinen Sender?
Sehr wichtig! Sportrechte - und Fußballrechte insbesondere - sind kein ökonomisches Recht, was sich leicht wieder einspielen lässt. Aber sie sind ein effizientes Recht. Dadurch gelingt es, ein Publikum dauerhaft an einen Sender zu binden – auch auf lange Sicht. Das strahlt emotional auf andere Formate ab. Damit lässt sich etwas generieren. Man muss dieses Umfeld nutzen, um Eigenwerbung für den Sender zu machen. So gelingt es, über das eine Format hinaus zu profitieren.

Böse Zungen sagen daher, einige Sender versuchen sich durch Fußball höhere Marktanteile zu erkaufen…
Ja, das meine ich damit. Ich will jetzt nur über uns reden, aber es wäre natürlich fatal, wenn man nur mit einem Sportrecht versucht, einen Sender zu beleben. Ein Sportrecht sollte nur punktuell und strategisch genutzt werden. Dadurch wird ein Buzz generiert. Wenn das geschieht, hat man alles richtig gemacht. Wenn man nur darauf hofft, mit Sport gute Marktanteile zu erzielen – was man natürlich auch möchte – wird das auf lange Sicht nicht ausreichen. Da muss mehr passieren.

In der Bundesliga und zweiten Bundesliga gibt es über das gesamte Wochenende nie diesen einen Moment, wo alles gesagt wurde. Man fragt sich immer: Wie geht es mit der Mannschaft und der Tabelle weiter? Wird der Trainer jetzt rausgeschmissen?
Oliver Schablitzki, Senderchef von Nitro, glaubt nicht, dass am Montagabend schon alles zur Bundesliga gesagt ist
«100% Bundesliga» läuft montagabends bei NITRO - Inwieweit haben Sie Bedenken, dass die Zuschauer zum Sendezeitpunkt bereits alle Bundesliga-Highlights gesehen haben?
Natürlich ist das so – die größte Herausforderung wird am Montagabend für uns sein, dass wir auf dem Markt etwas Neues berichten. Die Zuschauer müssen erst mal darauf aufmerksam gemacht werden, dass es uns gibt! Das ist der erste Schritt. Wenn wir sie dann einmal bei uns haben, müssen wir sie überzeugen, dass wir den richtigen Zugang zu den Themen haben. Da bin ich ziemlich optimistisch. Denn in der Bundesliga und zweiten Bundesliga gibt es über das gesamte Wochenende nie diesen einen Moment, wo alles gesagt wurde. Man fragt sich immer: Wie geht es mit der Mannschaft und der Tabelle weiter? Wird der Trainer jetzt rausgeschmissen? Von daher sind wir die letzte Station, die das alles zusammenfassen kann. Mit Seriosität sollten wir das dann tun. Aber wir wollen das für die Zuschauer auch nicht bitterernst machen. Dafür werden auch Laura Wontorra und Thomas Wagner sorgen. Dem Experten-Pool werden unter anderem Marco Hagemann wie auch Steffen Freund angehören.

Wird das Live-Studio auch bei Ihren Länderspiel-Übertragungen genutzt?
Wir haben das Studio im Kern für die Bundesliga gebaut. Aber wir überlegen natürlich, ob wir das auch in anderen Situationen nutzen können. Beim Länderspiel Kroatien gegen die Türkei erscheint uns das sinnvoll. Das wird sicher ein emotionales Fußballspiel! Deswegen schließe ich nicht aus, dass wir in dem Studio noch mehr machen. Im Kern geht es natürlich darum, die Marke «100% Bundesliga - » zu positionieren und zu etablieren. Mir gefällt das Studio echt sehr gut! Früher wurde der Bereich mal für die RTL-Wahlberichterstattung genutzt. Die Kollegen von Super RTL müssen damit zukünftig ihren Weg zur Kantine verändern, da das vorher deren Durchgang zur RTL-Kantine war (lacht).

Lesen Sie auf der kommenden Seite: Mehr zum 24-Stunden-Rennen, das RTL Nitro live vom Nürburgring übertrug. Und: Welche Pläne hat man mit Jan Köppen?

Glückwunsch an dieser Stelle nochmal zum Weltrekord und den guten Quoten beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Was ist dort im kommenden Jahr geplant?
Das «24-Stunden-Rennen» haben wir jetzt das zweite Jahr begleitet. Es lief in diesem Jahr 26 Stunden und 20 Minuten live - ein sportlicher Free-TV-Rekord! Das war – auch aus Zuschauersicht – ein großer Erfolg. Wir hatten sogar noch mehr Zuschauer als im Vorjahr, in der Spitze bei Männern bis knapp zehn Prozent Marktanteil. Daher werden wir das Rennen auch im nächsten Jahr übertragen. Aber der Rekord ist kein Selbstzweck. Wir müssen da also nicht jedes Mal noch einen drauflegen. Wir überlegen im nächsten Jahr einen eigenen Piloten an den Start zu bringen. Wir würden die Ausbildung dokumentieren und das als eigene Serie zeigen. Damit können wir nicht nur an diesem einen Rennwochenende, sondern bereits im Vorfeld Aufmerksamkeit generieren.

Wie wichtig sind solche Eigenproduktionen?
Ganz klar: Das ist ein Bereich, den wir uns im Moment ganz besonders anschauen. Factual-Entertainment funktioniert nicht ohne deutsche Spielarten. So hoch die Qualität der ausländischen Formate auch sein mag, in einigen Gebieten muss man eben auch eigene Figuren entwickeln. Ein erster Versuch ist «Best Buddies», wo wir im Survival-Bereich im perfekten Umfeld von «Bear Grylls» zwei Sendergesichter in die Wildnis schicken. Wir planen im Herbst für weitere Produktionen eine Pilotphase, um im kommenden Jahr ein bis zwei eigene Reihen präsentieren zu können.

Bei «Best Buddies» ist Jan Köppen dabei, der auch weiterhin zu Ihren Sendergesichtern zählen wird?
Ja, Jan hat uns lange begleitet! Wir mögen uns sehr gerne. Mich freut aber auch, dass er mittlerweile zwei schöne und erfolgreiche Formate bei RTL hat. Bei «Hammerzeit» ist uns aufgefallen, dass er sich mit André Schubert super ergänzt. So entstand die Idee mit dem Wildnis-Abenteuer. Sofern die beiden überleben, schauen wir mal, (lacht) ob wir nicht mehr mit denen machen!

Was sind die Fiction-Highlights in der neuen TV-Saison?
Neben «Mr. Robot» an Halloween startet Ende Juli «From Dusk Till Dawn» als Free-TV-Premiere. Wir starten zunächst mit der Ausstrahlung des Spielfilms, um das Thema einzuläuten. Eine Woche später folgt dann die Serie. Dazu «Law & Order Paris», das bei der ZDF-Erstausstrahlung etwas untergegangen ist. Das können wir jetzt nochmal offensiv präsentieren.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihren aktuellen Marktanteilen?
Wenn ich vergleiche, von wo wir im letzten Jahr gekommen sind – da standen wir bei 1,7 Prozent – bin ich sehr zufrieden. Wir stehen im Moment bei 2,1 Prozent bei den Erwachsenen und 2,4 Prozent in der Männer-Zielgruppe. Wir halten unser aktuelles Marktanteilsniveau jetzt seit Januar, das finde ich schon eine gute Leistung, weil wir uns über ein halbes Jahr stabilisiert haben.

In der Tat stehen Sie damit auch vor „Männersender“-Mitbewerbern wie DMAX oder ProSiebenMAXX – Inwieweit ist der TV-Markt angesichts der Fragmentierung irgendwann gesättigt?
Wir machen alle mit der Vision Fernsehen, dass der Sender noch weiter wächst. Mit einer Prognose tue ich mich schwer. Das wäre schnell unseriös in einem Markt, der vielen Veränderungen ausgesetzt ist. Wir haben einen technologischen Druck. Das Sehverhalten des Publikums verändert sich. Gleichzeitig ist der Sport-Rechte-Markt sehr dynamisch, da geht aktuell auch viel in das Pay-TV rüber. Dann wird es schnell teuer. Das betrifft auch den Fiction-Markt. An Sendern wie ZDFneo oder auch an uns sieht man aber auch, dass es durchaus gelingt, die Zwei-Prozent-Marke zu durchbrechen. Das macht Hoffnung – aber deswegen nenne ich mich ab heute nicht erster kabel-Eins-Verfolger! (lacht) Da versuche ich auf dem Boden zu bleiben und dem Sender nachhaltig zum Wachstum zu verhelfen.

Vielen Dank für das Gespräch, Oliver Schablitzki.
17.07.2017 12:00 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/94421