Was Thomas Gottschalk von Steffen Henssler lernen kann

Starkoch Steffen Henssler verlässt seine Sendeheimat, weil er mit «Schlag den Henssler» neue Herausforderungen sucht. Ein kluger Schachzug, den sich Thomas Gottschalk zum Vorbild nehmen sollte.

Steffen Henssler ist im Vergleich zu Thomas Gottschalk zwar ein junger Hüpfer im Mediengeschäft. Dennoch kann der alte Hase in Herbstblond so manches vom Starkoch lernen. Denn Henssler weiß um seinen Wert als TV-Persönlichkeit – und lässt sein Standing nicht lange durch die kränkelnde Umsetzung seines Aushängeformats schwächen.

Der Senderwechsel von Steffen Henssler, der VOX verlässt und zu ProSieben geht, sorgte wiederholt für Schlagzeilen – nicht nur in der Fachpresse. Hensslers Handeln unterstreicht, dass er sich dessen bewusst ist, dass selbst Erfolgsformate wie «Grill den Henssler» durch schleichende, anbiedernde Anpassungen verlieren. In der Herbststaffel 2016 wurde die Jury der Koch-Wettbewerbsshow umbesetzt und lockerer, vermeintlich social-media-affiner besetzt – eine von diversen, kleinen, doch die Fans verstimmenden Entscheidungen, die Henssler im Quotenmeter.de-Interview diplomatisch und dennoch neckisch kritisierte.

2017 wurden einige dieser Patzer begradigt, dafür wurde der Wettbewerbscharakter noch mehr auf die leichte Schulter genommen – etwa, indem die Showmacher zunehmend absurdere Pflichtzutaten orderten oder die gegen Henssler antretenden Promis "spontane", showdramaturgisch effektvolle Hilfe erhalten haben. Der prominente Kochlöffelschwinger urteilte daraufhin im Juli in einem an die Fans gerichteten Video: "Was einige von euch gemerkt haben, speziell in den letzten zwei Staffeln: Mir hat ein bisschen der letzte Elan gefehlt. Es kam Routine dazu."

Henssler zieht daraus Konsequenz und lässt seinen Quotenhit links liegen, um nach größeren Sternen zu greifen: Bei ProSieben stellt er sich ab September in «Schlag den Henssler» regelmäßig knallharten Herausforderern – und wie die Vorgängershow «Schlag den Raab» bewiesen hat, werden bei dem Wettkampfformat des Münchener Senders mit dem Regelwerk keine Schindluder getrieben. Kampfsau Henssler darf sich also in einem Format beweisen, das zwar nicht für ihn erfunden wurde, aber wie auf ihn zugeschnitten ist.

Was hat das nun mit Thomas Gottschalk zu tun? Ganz einfach: Steffen Henssler mag eine echte Type sein. Aber er ist, wie nahezu alle bestätigen werden, die mit Gottschalks «Wetten, dass ..?» groß geworden sind, nicht im Ansatz solch eine unverwechselbare Fernsehikone wie der Lockenschopf. Umso mehr verwundert es, dass sich Gottschalk mit Formaten abgibt, die redaktionell diktiert und auf den schnellen, rasch vergessenen Entertainmentfaktor zugeschnittenen sind, statt wie Henssler die Ellenbogen auszufahren.

Gottschalk ist ein Quasselkopf mit albernem, mitunter gar versautem Humor, einem gewinnenden Charisma und dem Können, mittels Grandezza und keck eingestreutem kulturellen Anspruch selbst aus dem unsinnigsten TV-Kindergeburtstag eine abendfüllende Gala zu machen. Doch welche Sendungen nimmt er an? Projekte unter seinem Wert! Wie die unruhig zusammen geschnippselte "«Supertalent» mit Kindern"-Show «Little Big Stars», das unfokussierte XXL-«stern TV» «Mensch Gottschalk» und «Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen alle», eine Sendung, in der er sich zwar mit seinem Kupferstecher Günther Jauch necken kann, die aber trotzdem arg "RTLisiert" ist. Mit pathetischen Regelerklärvideos und ständigem Gerede, wie groß, toll, verrückt und sensationell das doch alles sei, was gerade passiert.

Steffen Henssler macht vor, was ein Thomas Gottschalk erst recht umsetzen sollte: Er lässt seine Marke nicht lange verwässern, sondern zieht Schlussstriche, ehe es zu spät ist. Und er trumpft direkt danach mit einem seiner Art stärker entgegenkommendem Format auf. Wenn schon Henssler das kann, wieso verbietet sich Thomas Gottschalk nicht Schnittgewitter, Anbiederung und Verlegenheitskonzepte? Wenn sich Steffen Henssler nicht mit Larifari zufrieden gibt, dann sollte es Thomas Gottschalk erst recht nicht!

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05.07.2017 14:14 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/94212