Ron und Cornelia Suskind: «Life, Animated» und die Magie des Kinos

Wie geht man die Balance zwischen einer leicht verständlichen Dokumentation und der runden Charakterisierung des eigenen Sohnes? Quotenmeter.de sprach mit Ron und Cornelia Suskind über die Doku «Life, Animated», die sich ihrem autistischen Sohn Owen widmet, sowie über Fragen, die der Film offen lässt.

Über «Life, Animated»

Die Dokumentation «Life, Animated» berichtet über den autistischen Disney-Fan Owen Suskind, der in Kindsjahren durch Disney-Trickfilme das Sprechen wiedererlernt hat und der sich bis heute mit diesen Produktionen die Welt erklärt. Regisseur Roger Ross Williams fängt Owen dabei ein, wie er mit anderen Fans seine Passion auslebt, sich mit seinem Auszug aus dem Haus seiner Eltern akklimatisiert und auf Jobsuche geht. Außerdem berichten seine Eltern Ron und Cornelia Suskind über die emotional aufwühlenden Kindsjahre Owens.


Unser Kinokritiker war von der realen Geschichte der Suskinds bewegt, die Dokumentation wiederum hinterließ bei ihm einen leicht faden Nachgeschmack und einige Fragen. Mit seinem Interview mit den Suskinds versuchte er, einige der offenen Fragen zu klären.

Vielen Dank für die Möglichkeit, mit Ihnen über «Life, Animated» und Ihren Sohn Owen zu sprechen. Ich finde Ihre Geschichte sehr inspirierend und ich finde es bemerkenswert, wie Sie sich, unter anderem mit dem gleichnamigen Buch, für die Aufklärung bezüglich Autismus einsetzen. Ich muss aber sagen, dass der Dokumentarfilm bei mir einige Fragen hinterließ …
Ron Suskind: Vielen Dank für das Kompliment, und schießen Sie nur los!

So konzentriert sich der Film sehr stark auf Owens Faszination für Disney-Zeichentrickfilme der 90er-Jahre und einige Klassiker der Walt-Disney-Ära. Ihr Buch über Owen und einige Interviews mit ihm, die ich gelesen habe, sprechen aber darüber, dass er sich auch für obskurere Disney-Filme und Trickfilme anderer Studios erwärmen kann. Wie stehen Sie zu diesem doch deutlich engeren Fokus, den der Regisseur Roger Ross Williams in der Darstellung Owens gewählt hat?
Ron Suskind: Nun, Disney ist für Owen zweifelsohne der Erste unter Gleichen. Er mag zwar auch einige andere Trickfilme, aber die sind nahezu ausschließlich von früheren Disney-Künstlern, wie Don Bluths Arbeiten oder Teile der DreamWorks-Filmografie. Owen begeistert sich vornehmlich für Filme, die in einem ähnlichen Stil gehalten sind, wie jenen, den er in seiner Kindheit lieben gelernt hat. Und es sind fast ausnahmslos Disney-Filme, die er komplett memoriert hat – es ist der Kanon der über 50 Disney-Meisterwerke, der 1937 mit «Schneewittchen und die sieben Zwerge» begonnen hat, mit dem Owen damals das Sprechen neu erlernt hat.

Daher sehe ich das, was Roger gemacht hat, als Vereinfachung, um Owens Passion für das Publikum klarer zu machen. Wobei er seit einiger Zeit interessanterweise leichte Schritte in Richtung Realfilme macht, denen er eine ähnliche Bedeutung und Funktion beimisst wie den Disney-Trickklassikern. Sein Bruder ist darüber sehr glücklich! Ich weiß noch, wie er als Kind zu mir sagte: "Ohje, wird es für immer und ewig nur Disney sein, Papa?" Die Frage hat sich nun also geklärt. (lacht)

Und welche Art Realfilme hat Owen nun für sich entdeckt?
Ron Suskind: Ein besonders prägnantes Beispiel, bei dem wir langsam entdeckt haben, wie sich Owens "Filmlexikon" erweitert hat: In der Doku wird ja gezeigt, wie sich Owen und seine Freundin trennen. Nun, nachdem der Film fertig war, sind sie wieder zusammen gekommen – und haben sich einige Zeit später noch einmal getrennt. Und Owen war deshalb wie am Boden zerstört. Also habe ich ihn, als er Cornelia und mich besucht hat, gefragt: "Welche Filme helfen dir in deiner Situation?" Und Owen meinte zu mir: "Nun, Disney-Filme sind mir im Moment nicht sonderlich hilfreich, aber es gibt da eine andere Filmreihe, die mir sehr hilfreich ist und mit der ich mich identifizieren kann: Die «The Dark Knight»-Trilogie von Christopher Nolan." Und ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen, wie ich da saß und nur dachte: "Oh Gott, bitte, lass es nicht den Joker sein!"

(lacht)
In gewisser Weise zeigt die Dokumentation «Life, Animated», wenn sie Owens Beziehung zu Disney zeigt, nur eine Parabel. Nicht nur dafür, was Filme für Owen bedeuten, sondern dafür, was Filme in unser aller Leben bewegen. Owen mag etwas abhängiger von Filmen sein, doch im Kern ist diese Wechselwirkung nicht anders als bei Ihnen oder mir.
Ron Suskind
Ron Suskind: Es ging Owen aber zum Glück um eine andere Stelle – eine, die rückblickend sehr nahe liegt. Natürlich drehte es sich um eine Szene, in der ein Sidekick und ein Held ehrlich und offen miteinander interagieren – Owens "Lieblingsgenre", wenn man so will. Er sprach von der Szene, in der Wayne Manor bis auf den Grund abgebrannt ist und sich Bruce Wayne sowie Alfred in der Batcave befinden. Und Owen kann Michael Caines Akzent perfekt nachmachen, wenn er sagt: "Warum fallen wir, Master Wayne? Damit wir uns wieder aufrappeln können." Und im selben Atemzug zitierte Owen damals noch einen Dialog. Alfred sagt zu Bruce Wayne: "Ich will Ihnen nicht sagen, was Sie mit Ihrer Vergangenheit machen sollten. Sie sollten nur wissen, dass es einige von uns kümmert, was Sie mit Ihrer Zukunft anstellen." Bruce Wayne antwortet: "Hast du mich noch immer nicht aufgegeben?" Und Alfred erwidert: "Niemals!"

Owen meinte, er hätte nach der Trennung jeden Morgen beim Aufstehen an diesen Wortwechsel gedacht, um Kraft für den Tag zu tanken. Und es gibt viele weitere großartige Filmmomente, die Owen in dieser Form nutzt. In gewisser Weise zeigt die Dokumentation «Life, Animated», wenn sie Owens Beziehung zu Disney zeigt, nur eine Parabel. Nicht nur dafür, was Filme für Owen bedeuten, sondern dafür, was Filme in unser aller Leben bewegen. Owen mag etwas abhängiger von Filmen sein, doch im Kern ist diese Wechselwirkung nicht anders als bei Ihnen oder mir.

Gewiss. Filme, oder jede Art von Popkultur, kann in Unterhaltungen eine tolle Abkürzung sein, wenn man mit jemandem spricht und einen Vergleich braucht.
Cornelia Suskind: Genau. Genau so sehe ich das, und ich finde, dass jeder sowas macht.
Ron Suskind: Und weil Owen auf dem Spektrum ist, braucht er einen gemeinsamen Kontext viel dringender als Sie oder ich. Und daher ist es so ein wundervoller Glücksfall, dass Owen so eine große Passion für Disney-Filme hat – denn einfach jeder hat in seinem Leben bereits einige Disney-Filme gesehen. Und somit hat Owen mit jedem prompt eine Gemeinsamkeit, die es ihm erleichtert, zu seinem Gegenüber eine Beziehung aufzubauen. Man darf dabei aber nicht vergessen: Er liebt diese Filme nicht nur, er weiß unfassbar viel über sie. Owen saugt Informationen über sie geradezu auf und er vergisst einfach gar nichts. In seinen Worten: "Ich bin anders, aber nicht weniger."

Da wir über "gemeinsamen Kontext" sprechen: In «Life, Animated» nutzt der Regisseur Clips aus Disney-Filmen, um Situationen in Owens Leben zu kommentieren – und es sind hauptsächlich große Erfolge, die jeder kennt. Repräsentiert der Film Owens Vorlieben innerhalb des Disney-Archivs korrekt? Ich muss zugeben, das Gefühl zu haben, dass der Regisseur da lieber auf besagten "gemeinsamen Kontext" zurückgreift und sich die Szenen und Filme rauspickte, mit denen möglichst viele Leute etwas anfangen können …
Ron Suskind: Nein, Roger ließ sich durchaus von Owens Favoriten leiten – und dass einige von Disneys größten Erfolgen auch zu Owens Favoriten gehören, war für ihn als Filmemacher einfach ein glücklicher Zufall.

Ich wundere mich halt unter anderem darüber, dass wir in Owens Zimmer ein riesiges «Die Kühe sind los!»-Poster hängen sehen und zudem der Hase Lucky Jack aus diesem Film ständig am Rande der Szenen auftaucht, in denen Owens Geschichte 'Land of the Lost Sidekicks' zum Leben erweckt wird. Während andere, größere Disney-Filme in der Doku prominent erwähnt und gezeigt werden, bleibt «Die Kühe sind los!» dagegen ja eine Randerscheinung für die Scharfäugigen im Publikum …
Cornelia Suskind: Wow, ja, da beweisen Sie hervorragende Disney-Kenntnisse. Das stimmt, «Die Kühe sind los!» ist für Owen ein ganz wichtiger Film, er zählt wohl zu seinen drei größten Lieblingsfilmen. Dass in der Doku nicht gezeigt wird, wie Owen über diesen Film spricht, ist eine Entscheidung, die wohl im Schnitt gefallen ist … «Die Kühe sind los!» hat bei Owen eine Sonderstellung, weil er damals der Schwanengesang der Disney Zeichentrickstudios ist. Als er rauskam, hieß es, dass er der letzte abendfüllende Kino-Zeichentrickfilm Disneys sein wird – nach einiger Zeit kamen zwar doch noch neue Filme heraus, wie «Küss den Frosch», trotzdem hinterließ das bei Owen bleibenden Eindruck. Die Figuren und die Musik aus dem Film sind bei ihm einfach hängen geblieben …

Ron Suskind: Sie müssen wissen, dass sich Owen nicht von der Populärmeinung beeindrucken lässt. Er weiß, dass «Die Kühe sind los!» ein Kassenflop war, aber er lässt keine Gelegenheit aus, um für den Film die Flagge hochzuhalten.

Cornelia Suskind: Oder auch für unbeliebte Non-Disney-Filme. So feiert er «Feivel, der Mauswanderer im Wilden Westen», genau wissend, dass er generell nicht so gut ankam.

Ja, das kenne ich. Mein liebster Disney-Film ist «Drei Caballeros», und den kennt auch kaum jemand …
Cornelia Suskind: (euphorisch) Oh, wow, Sie würden sich hervorragend mit Owen verstehen, den Film liebt er ebenfalls total!
Ron Suskind: Ja, wann immer er eine Aufmunterung braucht, singt er den Titelsong.
Cornelia Suskind: «Drei Caballeros» war sogar ohne Witz der Film, der Owen dazu gebracht hat, sich in der High School so richtig in den Spanischunterricht reinzuhängen und zu bemühen, die Sprache zu lernen. Er spricht zwar noch immer nicht gutes Spanisch, aber der Film war seine Motivation, den Kurs zu belegen und sich darin richtig zu bemühen.

Viele Computeranimationsfilme bemühen sich um eine gewisse Art des Realismus, in Disney-Zeichentrickfilmen lässt sich dagegen sehr oft die Stimmung einer Figur allein an ihrer Form oder Farbe ablesen. Das ist eine ganz andere, kunstvolle Art des Geschichtenerzählens und Owen erkennt das – er ist stärker davon beeindruckt, was die Zeichner leisteten, als von der etwas starreren Figurenanimation am Computer.
Ron Suskind
In «Life, Animated» wird quasi ausschließlich über Zeichentrickfilme gesprochen – nicht über Computeranimationsfilme. Ich sprach vor einigen Jahren einmal mit einem Autisten, der meinte, Zeichentrickfilme vorzuziehen, weil dort die Emotionen der Figuren stärker lesbar sind – Computertrickfilme seien ihm oft zu feingliedrig in Sachen Mimik und Gestik. Ich hatte daher nach dem Film die Vermutung, dass es Owen ähnlich geht, dann las ich aber ein Interview mit ihm, in dem er «Toy Story 2» als eine der besten Fortsetzungen überhaupt bezeichnete ..?
Ron Suskind: Es ist so, dass Owen über die Jahre hinweg gelernt hat, Nuancen besser zu deuten und daher seine Probleme nachlassen, soziale Gepflogenheiten und Gefühlsregungen als solche zu erkennen. Daher kann er sich mittlerweile auch für Realfilme begeistern, und davor lernte er, Computeranimationsfilme zu wertschätzen. Und dennoch: Zeichentrickfilme liegen ihm am meisten am Herzen, sie sind quasi das Fundament seines Lebens sind. Es sind die Filme, auf die er mit der größten Begeisterung zurückgreift und an die er am liebsten zurückdenkt. Da spielen die klaren, deutlich überzeichneten Regungen der Figuren gewiss eine Rolle, aber es ist generell eine Kunstform, die ihm mehr zusagt. Viele Computeranimationsfilme bemühen sich um eine gewisse Art des Realismus, in Disney-Zeichentrickfilmen lässt sich dagegen sehr oft die Stimmung einer Figur allein an ihrer Form oder Farbe ablesen. Das ist eine ganz andere, kunstvolle Art des Geschichtenerzählens und Owen erkennt das – er ist stärker davon beeindruckt, was die Zeichner leisteten, als von der etwas starreren Figurenanimation am Computer.

Eine weitere Verständnisfrage noch … In «Life, Animated» wird nie konkret darüber gesprochen, wie Owens "Filmlexion" zustande kommt, also die Auswahl an Filmen, mit dem er sich die Welt erklärt, und anderen, wie es ihm geht. Owens Bruder stellt einmal die Frage, wie man ihm Dinge erklären könnte, die er nicht aus Filmen kennt. Ein Lösungsansatz wäre ja, ihm entsprechende Filme an die Hand zu reichen. Die Dokumentation geht dann letztlich anderen Aspekten nach – ich mutmaße also nur, dass die Idee daran scheitert, dass Owen "seine" Filme selber finden muss?
Cornelia Suskind: Absolut, genau so ist es. So etwas muss Owen immer alleine entdecken. Und mittlerweile ist es für uns völlig unmöglich geworden, ihn in seiner Filmwahl irgendwie zu beeinflussen. Er ist 26 Jahre alt und ein sehr eigensinniger, selbstständiger Mann geworden, er könnte sich nicht weniger für uns oder unsere Filmtipps interessieren. (lacht) Erst neulich gab es eine Situation, wo ich ihm einen Ratschlag geben wollte, und er hat das sofort bemerkt und mich angefaucht: "Mutter, hör auf, mir Lektionen zu erteilen!" (lacht) Doch im Normalfall käme es uns auch nie in den Sinn, ihm einen Film aufzuschwatzen. Wir haben früh bemerkt: Damit Owen das meiste aus einem Film ziehen kann, muss er ihn selber finden, selber bemerken, wie sehr er ihn berührt, und ihn von ganz allein verinnerlichen.
Ron Suskind: Es ist durchaus so, dass wir sagen können: "Oh, lass uns mal wieder zusammen Film XY gucken", und wir können danach darüber reden, weshalb er diesen Film so sehr mag oder woran er ihn erinnert. Aber die Auswahl an Filmen, die er als Referenzpunkte nutzt, muss allein von ihm ausgehen. Er würde ja auch schon deshalb keine Empfehlungen von uns annehmen, weil sein Fachwissen viel größer ist, als unseres. Wir sind für ihn nur Amateure. (lacht)

Owen wird sehr eloquent, wenn ein Kritiker eine Meinung hat, die er so partout nicht nachvollziehen kann. Wir hatten mal ein sehr langes Gespräch darüber, als er einen Artikel über "Box Office Bombs" gelesen hat, die der Autor auch allesamt schlecht fand. Owen fand es eine Ungeheuerlichkeit – nur, weil ein Film an der Kasse gefloppt ist, bedeute das nicht, dass gar nichts Gutes an ihm sei.
Cornelia Suskind
Ich könnte mir vorstellen, dass Owen dann auch nichts von Kritikern hält? (lacht)
Ron Suskind: Das würde ich so nicht unterschreiben. Das hängt wirklich von Fall zu Fall ab. Mir ist aufgefallen, dass Owen es bemerkt, wenn ein Kritiker stets nur dem Konsens nachredet – die nimmt er nicht ernst. Wenn ein Kritiker aber, genau wie er, auch mal von der populären Meinung abweicht, ist er direkt stärker interessiert – erst recht, wenn er gut artikulieren kann, weshalb ihm etwas gefallen hat oder nicht.
Cornelia Suskind: Owen wird sehr eloquent, wenn ein Kritiker eine Meinung hat, die er so partout nicht nachvollziehen kann. Wir hatten mal ein sehr langes Gespräch darüber, als er einen Artikel über "Box Office Bombs" gelesen hat, die der Autor auch allesamt schlecht fand. Owen fand es eine Ungeheuerlichkeit – nur, weil ein Film an der Kasse gefloppt ist, bedeute das nicht, dass gar nichts Gutes an ihm sei.

Eine letzte Frage, die ich noch loswerden muss: Wie haben Sie eigentlich sicher gestellt, dass Owen mit all dem einverstanden ist, und sich nicht wegen des Films geniert?
Ron Suskind: Vor dem Film entstand ja bereits unser Buch «Life, Animated», und als es fertiggestellt war, haben Cornelia und ich es die ganze Familie lesen lassen, um das Okay zu haben, ehe es veröffentlicht wird – und wir haben Owen vorgewarnt, dass es einige emotional brutale Stellen beinhalten könnte. Owen war aber damit vollkommen einverstanden, weil er fand, dass es diese Passagen bräuchte, damit die Welt besser verstehen kann, wer er als Mensch ist.

Beim Film gingen wir dann so vor, dass ich ihn mir zuerst alleine anschaue. Danach habe ich ihn mir noch einmal angeschaut, und zwar zusammen mit Owen. Und unser Deal war: Sollte es irgendeine Stelle geben, mit der er nicht einverstanden ist, wird sie ohne Widerrede rausgenommen. Und kurz bevor wir uns den Film anschauen wollten, bemerkte ich, dass Owen ganz nervös wird. Ich habe ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei, und er fragte mich über den Film: "Das ist die Heldenreise, oder?" Ich habe es bejaht und ihn gefragt, was wir über diese typische Erzählstruktur wissen. Er meinte: "Würden dem Helden niemals Hindernisse in den Weg gelegt, könnte er niemals zum Helden heranwachsen."

Ich stimmte ihm zu und warnte ihn vor, dass der Film alle Hindernisse, die sich ihm bis zu diesem Zeitpunkt gestellt haben, auf der großen Leinwand zeigen wird. Er meinte, dass das auch so sein müsste – und wir schauten ihn uns an. Und Owen hat ihn sehr gemocht, inklusive der schwierigen Stellen. Nach der Vorführung hat Owen den Regisseur umarmt, und das war ein wichtiger Moment – hätte Owen Kritik geäußert, hätten wir den Film nie veröffentlicht.

Die Version, die veröffentlicht wurde, ist also die Fassung, die Owen gesehen hat?
Ron Suskind: Genau – zu meinem eigenen Erstaunen hat er nicht eine einzige Szene rausschneiden lassen.

Cornelia Suskind: Der Ehrlichkeit halber: Owen hat den Film damals gesehen und auf der Weltpremiere im Rahmen des Sundance Filmfestivals – und seither nie wieder. Ich denke, dass es dabei auch bleiben wird, denn auch wenn er den Film liebt, liebt er es ganz und gar nicht, ihn sich anzuschauen – dafür sind zu viele schmerzvolle Szenen drin, die natürlich unangenehme Erinnerungen wachrufen. Trotzdem hat er alle Beteiligen wissen lassen, wie stolz er auf ihre Arbeit ist.

Herzlichen Dank für das einsichtsreiche Gespräch.
«Life Animated» ist derzeit in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
30.06.2017 20:02 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/94119