Zehn Zitate zur Netflix/Cannes-Debatte

Ein Video-on-Demand-Dienst ist auf dem Cineasten-Festival schlechthin vertreten – kann das gut gehen? Das liegt im Auge des Betrachters. Aber es führte zweifelsohne zu Diskussionen ...

#1 "Seit Jahren mogelt sich Netflix an französischen Bestimmungen und Steuergesetzen vorbei“, verurteilt die Gemeinschaft der französischen Kinobetreiber den Streaminganbieter. Französische Gesetze sehen eigentlich vor, dass Filme erst 36 Monate nach einer Kinoauswertung bei VoD-Diensten veröffentlicht werden – eine Praxis, der sich Netflix verwehrt. Dass die Cannes-Festivalverantwortlichen dennoch zwei Netflix-Filme zu diesem Kinoevent luden, erboste die Vereinigung, weshalb sie einen Diskussionen lostretenden offenen Brief verfasste. Dort halten die Kinobetreiber fest: "Diese Regeln sind der Grundpfeiler der Finanzstruktur der außerordentlichen Kinoindustrie unseres Landes, die überhaupt erst die Finanzierung vieler Filme aus der 'Offical Selection' von Cannes ermöglicht."

#2 Cannes-Festivalkreativleiter Thierry Fremaux in 'The Hollywood Reporter' über die Kontroverse: "Netflix einzuladen, ist ein Versuch, es davon zu überzeugen, dass es den Kinos dieselbe Aufmerksamkeit schenken sollte wie den Filmemachern."

#3 Dass Netflix den Kinobetreibern verwehrt, seine Eigenproduktionen für ein begrenztes Zeitfenster exklusiv zu haben, kann Amazon-Studios-Chef Roy Price derweil nicht verstehen. Amazon veröffentlicht seine Filme zunächst im Lichtspielhaus und findet, damit gut zu fahren. Gegenüber 'Deadline Hollywood' gibt Price zu Protokoll: "Ich denke, dass Kunden die Möglichkeit wertschätzen, Filme im Kino zu sehen, wo sie die komplette cineastische Erfahrung machen können, und wir wollen ihnen diese Option bieten. Zudem wünschen sich auch viele Filmemacher, dass Zuschauer diese Möglichkeit haben." Er ergänzt: "Ganz egal, welche Prognosen für die nächsten sechs, sieben Jahre gemacht werden: Kinos sind noch immer ein wichtiger Teil des Film-Ökosystems, wieso sich also dagegenstellen? Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kunden Filme anders wahrnehmen, wenn sie nach einer Kinoauswertung auf unser Portal kommen. Sie nehmen sie als Film ernst."

#4 Fremaux sagte vor diesem Hintergrund bereits 2015 gegenüber 'The Hollywood Reporter': "Sie sind gut für das Kino. Die Leute bei Amazon, die für die Kinofilme verantwortlich sind und jemanden wie Woody Allen und Nicolas Winding Refn unterstützen, haben echt Ahnung von Filmen."

#5 Netflix-CEO Reed Hastings via Facebook: "Das Establishment verschließt sich vor uns. Schaut euch «Okja» am 28. Juni bei Netflix an."

#6 Regisseur und Cannes-Jurypräsident 2017 Pedro Almodóvar: "Ich finde nicht, dass ein Film die Goldene Palme erhalten sollte, den die Leute nicht auf der großen Leinwand sehen können. Das bedeutet nicht, dass ich mich gegen neue Technologien oder Möglichkeiten stelle – doch so lange ich lebe, werde ich dafür kämpfen, dass die hypnotische Strahlkraft einer großen Leinwand einem Publikum zugänglich gemacht wird."

#7 Cannes-Jurymitglied 2017 und Schauspielstar Will Smith: "Ich habe Kinder im Alter von 16, 18 und 24 Jahren. Sie gehen zwei Mal in der Woche ins Kino und schauen Netflix. Netflix hat an den Kinogewohnheiten nichts geändert, aber meine Kinder schauen bei Netflix Filme, die sie sonst nie schauen würden. Es hat dazu beigetragen, das globale cineastische Verständnis meiner Kinder zu erweitern."

#8 Tilda Swinton, Hauptdarstellerin des Netflix-Films «Okja», dessen Cannes-Inklusion Teil der Kontroverse ist, in einer Pressekonferenz auf dem Filmfestival: "Seien wir doch mal ehrlich: Es gibt Tausende von Filmen, die auf dem Filmfestival von Cannes gezeigt wurden, die kaum wer im Kino gesehen hat. Die Leute sind für einige der schönsten und esoterischsten Filme nicht ins Kino gegangen."

#9 Offizielle Pressemitteilung der Festivalleitung als Antwort auf die Netflix-Kontroverse: "Das Filmfestival von Cannes hat beschlossen, seine Regeln in dieser unvorhergesehenen Situation bis aufs Weitere zu ändern: Jeder Film, der in den Wettbewerb von Cannes aufgenommen werden möchte, muss sich einer Veröffentlichung in französischen Kinos verpflichten. Diese Maßnahme tritt 2018 in Kraft."

#10 Alberto Barbera, Festivalleiter der Filmfestspiele Venedig gegenüber 'Screen Daily': "Ich persönlich bin überzeugt, dass Filme im Lichtspieltheater genossen werden sollten, aber wir können nicht ignorieren, dass neue Plattformen entstehen und wir nicht in der Zeit zurückgehen können. Und Festivals sollten sich nicht zwischen den Seiten entscheiden müssen."
25.05.2017 14:03 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/93379