Florian Froschmayer: 'Die Figur muss durch ihr Handeln und ihre Aussage geführt werden'

Regisseur Florian Froschmayer verrät Quotenmeter.de, woran er ein schlechtes Drehbuch ausmacht und wie ihm eine Komödie neue Möglichkeiten bereitet hat.

Bei unserem letzten Gespräch haben Sie noch geklagt, dass das Schubladendenken in der Branche dazu führt, dass Sie schwere Chancen haben, andere Filme zu drehen als Krimis. Das hat sich ja nun wohl geändert?
Ja, aktuell finde ich meine Lage ideal. Jetzt läuft mit «Verliebt in Amsterdam» eine Romantikkomödie von mir – und aktuell drehe ich einen «Stralsund»-Krimi, womit ich sicherstellen sollte, nicht auf RomComs reduziert zu werden. (lacht) Ich glaube, da hat mir die Komödie «Süßer September» vor zwei Jahren bei geholfen. Der ARD-Degeto-Redakteur, der die betreut hat, hat mich danach für «Verliebt in Amsterdam» vorgeschlagen – in dem Sinne war das wohl ein Befreiungsschlag, um das Stigma, nur Krimis zu können, loszuwerden.

Ich finde, dass «Verliebt in Amsterdam» für eine ARD-Romantikkomödie in der Darstellung, wie die zwei Hauptfiguren zueinander stehen, ungewohnt viel Sexappeal hat. Und wenn ich so zurückblicke: Viele weitere ARD-Produktionen, bei denen zwischen zwei Liebenden ebenfalls überdurchschnittlich feurige Funken fliegen, liefen ebenfalls im Frühling. Ist das womöglich ein Sendermandat: "Der Film soll kurz vor der Sommerzeit laufen, kitzeln Sie ruhig die Frühlingsgefühle der Zuschauer wach!"?
Nein, ich habe keine derartigen Vorgaben erhalten – zu Beginn der Produktion stand noch nicht fest, wann der Film überhaupt laufen wird, auch wenn ich natürlich von Anfang an gehofft habe, dass «Verliebt in Amsterdam» im Frühling gezeigt wird. Der Film spielt ja auch im Frühling/Sommer, und ich finde es immer pfiffig, wenn sich die Ausstrahlung damit deckt, zu welcher Jahreszeit eine Geschichte spielt. So sind Filme, denke ich, für das Fernsehpublikum direkt zugänglicher. Gedreht haben wir aber im August und September – ich hatte stets Angst, dass sich am nächsten Drehtag die Blätter schon rot färben. (lacht)

Wir sprachen letztes Mal ja auch darüber, dass Sie einen Politthriller fürs Kino entwickeln. Da gab es nun einen kleinen Fortschritt – mit «Nach dem Schmerz» erschien ein Roman über das von Ihnen anvisierte Thema "Rosenholz-Dateien".
Ja, wir gehen da den umgekehrten Weg von dem, was üblicherweise passiert: Auf Basis des Drehbuchs hat der Autor nun einen Roman entwickelt. Wir hoffen, dass der das Interesse an diesem Thema anheizt. Und ganz nebenher hat die Erarbeitung des Romans geholfen, die Figuren besser zu verstehen und ihre Motivation neu zu erfahren. Wir haben daher, während der Roman Gestalt angenommen hat, die Finanzierung des Kinofilms nochmal unterbrochen, weil uns klar wurde, dass wir, wenn der Roman fertig ist, das Drehbuch überarbeiten werden. Das ist schon ein sehr spannender Prozess: Wir haben ein unverfilmtes Drehbuch als Roman adaptiert und als nächstes werden wir den Roman zurück zum Drehbuch adaptieren.

Wer Unterschiede zwischen Roman und Film bemängelt, kann das gerne machen, ich finde solche Kritik jedoch weniger relevant. Denn ich interessiere mich dafür, ob jemand eine Regiearbeit von mir gelungen oder langweilig findet, und eher weniger dafür, ob sich jemand eine Geschichte anders ausgemalt hat. Es ist leider unmöglich, jede Kritik zu berücksichtigen. Romane und Drehbücher sind total unterschiedliche Leseerlebnisse.
Florian Froschmayer
Ich verstehe die Strategie, dieses eher unbekannte Unterkapitel der Stasi-Geschichte durch einen Roman in die Aufmerksamkeit zu rücken, um so dem Film einen Anschub zu verleihen. Aber laufen Sie so nicht auch Gefahr, den Film einer anderen Form der Kritik auszusetzen? Ohne Roman hätte das Publikum den Film für sich stehend beäugt. Mit Romanvorlage wird es Leute geben, die im Kino sitzen und klagen "Im Buch war aber dies anders und jenes mit drin .."
Das mag sein, aber mit so etwas setze ich mich gar nicht so viel auseinander. Wer Unterschiede zwischen Roman und Film bemängelt, kann das gerne machen, ich finde solche Kritik jedoch weniger relevant. Denn ich interessiere mich dafür, ob jemand eine Regiearbeit von mir gelungen oder langweilig findet, und eher weniger dafür, ob sich jemand eine Geschichte anders ausgemalt hat. Es ist leider unmöglich, jede Kritik zu berücksichtigen. Romane und Drehbücher sind total unterschiedliche Leseerlebnisse. Ich ticke so auch, wenn ich Treatments für Filme lese, bei denen ich Regie führe. Treatments sind aufsatzartig geschrieben, sie lesen sich wie Kurzfassungen von Romanen, und als Leser wird meine Fantasie angeregt und ich bringe eine Art subjektive Eigenleistung ein. Natürlich kommt es, wie bei einem Roman dann zu unterschiedlichen Leseerlebnissen, da man sich manchmal Dinge einfach anders vorstellt. Ein Drehbuch hingegen ist durch seine Formatierung eigentlich viel klarer und eindeutiger geschrieben, es sollte weniger Interpretationsspielraum zulassen.

Also macht in Ihren Augen ein gutes Drehbuch aus, dass es leicht zu lesen ist?
Nein, überhaupt nicht. Dann gehen bei mir alle Alarmglocken an. Was ich meine, ist: Ein Drehbuch sagt, ob eine Szene bei Tag oder Nacht spielt, innen oder außen. Die Figur muss durch ihr Handeln und ihre Aussage geführt werden und nicht durch die Beschreibung der Gedanken oder Gefühle - anders als beim Treatment. Ein Treatment ist ein Gedankensprungbrett, das Drehbuch ein Leitfaden, und ich muss mir als Regisseur Gedanken um die Inszenierung machen. Aber ich finde, dass Drehbücher nicht dafür geschrieben werden, ein entspanntes Leseerlebnis zu bereiten. Wenn sich ein Drehbuch leicht lesen lässt, besteht immer die Gefahr, dass es genau zu diesem Zweck geschrieben wurde, was ich zum Beispiel in der Finanzierungsphase verstehe. Ein Drehbuch sollte aber dazu da sein, die Grundlage für einen guten Film oder eine gute Serienfolge zu sein – oft lesen sich Szenen gut und sobald man sie dann inszeniert vor sich sieht, funktionieren sie ganz anders und erzählen sich nicht so, wie sie eigentlich gemeint waren. Wenn Motivation und Wege sich nicht aus den Figuren raus erzählen, kann es ein sehr träger oder komplizierter Film werden. Im Buch kann ich in einer Regieanweisung etwas für den Leser erklären, im Film habe ich dieses Werkzeug aber nicht. Da passiert es dann oft, dass eine Figur im Dialog alles aussprechen muss, was ich als sehr „unfilmisch“ empfinde.

Ich finde gut, wie sehr etwa Christian Alvart daran arbeitet, deutsche Action im Kino zu etablieren. Ich fand es echt stark, was er mit dem Kino-«Tatort» geleistet hat. Und nun muss das Publikum nur lernen, so etwas auch anzunehmen.
Florian Froschmayer
Könnte es sein, dass daher so viele austauschbare Drehbücher in den Redaktionen bis zur Verwirklichung weitergereicht werden?
Das könnte sein, dass manches Drehbuch vielen gefällt, weil es sich so gut gelesen hat. Da ist es halt die Aufgabe aller, sich stets vor Augen zu halten, was am Ende dabei herauskommen soll. Und auch mal etwas zu wagen. Da hat sich seit unserem letzten Gespräch ja glücklicherweise schon einiges getan – auch durch die neuen Player. Ob «You Are Wanted» bei Amazon, «Weinberg» bei TNT Serie oder das im bisher veröffentlichten Material gut aussehende «Dark», das bald bei Netflix kommt. Oder auch im Kino: Ich finde gut, wie sehr etwa Christian Alvart daran arbeitet, deutsche Action im Kino zu etablieren. Ich fand es echt stark, was er mit dem Kino-«Tatort» geleistet hat. Und nun muss das Publikum nur lernen, so etwas auch anzunehmen.

Das würde jedenfalls Ihre Chancen erhöhen, Ihren Politthriller zu verwirklichen. Sollte es aber doch etwas länger brauchen: Mit Ihrer Filmcrew-Kommunikationssoftware SCRIPTtoMOVIE haben Sie ja ein zusätzliches finanzielles Standbein?
Oh, nein, schön wär’s. (lacht) Wir haben sie zwar schon in viele Länder verkauft, aber das ist noch immer eher ein Passionsprojekt, an dem ich zusätzlich arbeite. Das geht auf Kosten meiner Freizeit, aber ich kann so schwer stillsitzen.

Hat sich seit der Einführung eigentlich noch etwas an der Software verändert?
Auf jeden Fall. Nachdem SCRIPTtoMOVIE auf den Markt kam, gab es konstruktive Kritik von einigen Filmcrews, die es benutzt haben, und ich versuche stets, auf solches Feedback einzugehen. Und auch mir selber sind bei der Verwendung kleinere Stellschrauben aufgefallen, an denen ich noch gedreht habe. Vor allem ging es um die Benutzeroberfläche. Ein Beispiel: Wenn man sich einloggt, kommt man nun sofort auf eine Übersichtsseite seiner Projekte. Auch innerhalb der Projekte haben wir an der Übersichtlichkeit getüftelt, genauso haben wir versucht, die Kooperationsfunktionen zwischen den einzelnen Handwerksbereichen bei einem Projekt effizienter zu gestalten.

Herzlichen Dank für das Gespräch.
«Verliebt in Amsterdam» ist am 28. April 2017 um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
27.04.2017 11:53 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/92702