Michael Antwerpes: ‚Wir erleben eine Zäsur‘

Mit leichter Sorge blickt Antwerpes auf den Sportrechte-Markt. 2018 wird das langjährige Olympia-Gesicht erstmals nicht für die ARD von Olympia berichten. Dafür zieht es ihn nun vermehrt auf die Showbühne. „Tanzen gehen“ nennt er das. Was er sich für «Sag‘ die Wahrheit» im Ersten erhofft, verrät er im Exklusiv-Interview.

Zur Person: Michael Antwerpes

Eigentlich ist Michael Antwerpes Sportmoderator und Gesicht der «Sportschau». Er begann seine Karriere Mitte der 90er beim ZDF in der «Sportreportage», wurde 1998 Sportchef des SWR. In dieser Funktion arbeitete er bis 2012. Seit 1994 berichtete er für ARD und ZDF von allen Olympischen Winter- und Sommerspielen. Er präsentiert darüber hinaus Wintersport im Ersten und Sport-Magazine in den Dritten. Seit 2003 ist der Moderator der bisher nur im SWR gezeigten Show «Sag die Wahrheit», die ab 21. April nun auch ins Erste (18.50 Uhr) kommt. Im Sommer bekommt er im Ersten mit «So war's! Das Quiz der Jahrzehnte» ein neues Nachmittags-Quiz.
Sie sind ja ein alter Quizhase, machen «Sag die Wahrheit» eigentlich schon seit 2003 – also eine Ewigkeit. Jetzt geht es ins Erste. Ist die Aufregung da nochmal groß?
Für mich hat sich gar nicht so viel verändert. Ich mache für Das Erste ja schon seit Jahren verschiedene Sportsendungen. Mit meinem Quiz waren wir bisher natürlich im SWR-Fernsehen und somit ein bisschen in der Nische. Da war es eher kuschelig. Jetzt halten wir den Kopf mal aus dem Fenster und werden sicher feststellen, dass einem da der Wind um die Nase weht. Aber ich freue mich darauf – nicht zuletzt auch, weil unsere Arbeit und das Format an sich auch eine Wertschätzung bekommt. Natürlich habe ich auch Respekt vor den durchaus vorhandenen Erwartungen, dass «Sag die Wahrheit» sofort einschlägt und womöglich zur Quoten-Rakete wird. Ich glaube, man muss da eher bescheiden denken. Wir machen 14 Ausgaben im wöchentlichen Takt – das ist vielleicht noch zu wenig, um sich ein abschließendes Urteil zu bilden.

Aber es hilft ja vielleicht, dass die Leute die Sendung schon kennen…
Natürlich ist das ein Vorteil. Das ist kein nagelneues Format, die Zuschauer kennen und schätzen die Sendung seit Jahren. Zudem wissen wir, dass bei den SWR-Ausstrahlungen etwa die Hälfte der Zuschauer aus anderen Bundesländern kommt. «Sag die Wahrheit» gibt es seit mehr als 60 Jahren, das Spielprinzip ist schlicht und einleuchtend. Das kapiert jeder sofort. Nehmen Sie dagegen «Rate mal, wie alt ich bin» mit Matthias Opdenhövel, das bis Anfang März um 18.50 Uhr lief: das war ein komplett neues Format, das die Kundschaft erst kennenlernen und verstehen musste.

„Bekannt und simpel“ ist also der USP der Sendung?
Ich denke, wir sind einfach der nette Spieleabend mit Freunden. Bei uns geht es nicht um Millionen, die man gewinnen oder verlieren kann, sondern es geht um den Spaß am Raten. Als zusätzliche dritte Ebene haben wir dann noch unsere prominente Jury, die alles auflockert und zusätzlich Spaß macht. Das ergibt ein schönes Dreieck zwischen Moderator, Kandidaten und Rateteam.

Sie machen im Sommer noch eine weitere Quizshow im Ersten, sind ja aber eigentlich ein Mann der «Sportschau». Bleibt Sport ihr Steckenpferd?
Sport bleibt das Fundament. Aber ich kann ab und zu ein bisschen „tanzen gehen“ in der Unterhaltung. Dort ist es möglich, als Moderator auch mehr Persönlichkeit zu zeigen, auch mal lustig zu sein und mehr zu machen, als Informationen zu vermitteln.

Sie sprechen es an: Es gibt junge Wilde im Sport, die auch am Spielfeldrand für ordentlich Gags sorgen. Das gefällt nicht jedem…
Wissen Sie, Kritik an Sportmoderatoren und –reportern gibt es immer. Man kann es nie allen recht machen. Ich war auch mal einer dieser jungen Wilden, habe mit 35 meine erste «Sportschau» gemacht. Da ist viel Wasser den Rhein runtergeflossen inzwischen. Jetzt zähle ich eher zu den Erfahrenen, aber auch das kann ja eine Stärke sein. Ich habe alles schon so oft erlebt und bin mir recht sicher, dass mich keine Situation im Live-Fernsehen aus der Fassung bringt. Vielleicht traue ich mir auch deshalb zu, aktuell mehr Unterhaltung zu machen.

Wir erleben eine Zäsur, die sich in den nächsten zehn Jahren noch zur Revolution ausweiten wird.
Michael Antwerpes, ehemals SWR-Sportchef über die aktuelle Situation auf dem Sportrechtemarkt
Wie sehen Sie als „alter Hase“ den Rechtezirkus um Bundesliga, Olympia und Co? Früher gab es einen Pay-Anbieter, der hatte halt die Rechte. Und vielleicht noch Sat.1 und RTL, die ARD/ZDF etwas streitig machten…

Wir erleben eine Zäsur, die sich in den nächsten zehn Jahren noch zur Revolution ausweiten wird. Wo da dann meine Rolle sein wird, das beschäftigt mich schon ab und zu – weil ich ja noch rund zwölf Jahre vor mir habe (schmunzelt). Dass die ARD etwa Olympia verloren hat, ist sehr schmerzlich, auch für mich persönlich. Ich habe seit 1994 alle Spiele begleitet. Aber man muss das akzeptieren. Ich denke, dass die Player aus dem Internet in den nächsten Jahren deutlich stärker auf dem Sportrechtemarkt wildern werden. Ich finde es schon stark, dass wir die «Sportschau»-Rechte in Sachen Bundesliga verlängern konnten. Ob es in vier Jahren dann überhaupt noch einmal so ein Paket geben wird, oder ob die Highlights dann sofort ins Internet wandern – wir werden sehen.

BT in England wird Champions League for Free künftig zum Beispiel via Facebook Live machen.
Das ist diese Zeitenwende. Wenn wir künftig vielleicht mit „Big Playern“ wie Amazon oder Google um attraktive Sportrechte-Pakete konkurrieren, dann kommen die Öffentlich-Rechtlichen natürlich schnell ans Ende ihrer finanziellen Mittel. Ich beobachte diese Entwicklung schon mit Sorge.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Das war auch schon in den 90ern so, als Sat.1 «ran» gemacht und es keinen Bundesliga-Fußball in der «Sportschau» gab.
Michael Antwerpes
Andererseits: Ist es nicht so, dass sich Sportübertragungen immer dann am besten weiterentwickelt haben (auch qualitativ) wenn es großen Wettbewerb gab? Oder anders: Ohne Wettbewerb neigen Redaktionen dazu, bequem zu werden.
Das ist das alte Sprichwort: Konkurrenz belebt das Geschäft. Das war auch schon in den 90ern so, als Sat.1 «ran» gemacht und es keinen Bundesliga-Fußball in der «Sportschau» gab. Das war auch eine völlig neue Form, der Fußball wurde in Sat.1 halt unterhaltsamer präsentiert. Das musste man nicht immer mögen, aber es war eine Veränderung, die etwas bewegt hat. Man hat dann auch bei uns manche Abläufe in Frage gestellt. Ich finde das positiv. Das sollte bestenfalls natürlich von innen heraus passieren, klappt aber meist dann, wenn der Impuls von außen kommt. Schauen Sie sich an, wie sich die ARD derzeit multimedial aufstellt. Auch das ist natürlich etwas, dass wir im Bewusstsein neuer Konkurrenz und eines veränderten Nutzungsverhaltens tun. Und das kann nur positiv für uns sein.

Meine letzte Frage an Sie als ehemaligen SWR-Sportchef: Steigt der VfB Stuttgart wieder in die erste Liga auf?
(lacht)
Das wäre für die ganze Region elementar wichtig. Ich glaube fest daran, dass der VfB aufsteigt. Die oberen Vier aktuell an der Tabellenspitze der zweiten Liga werden das unter sich ausmachen.

Danke für das Gespräch.
17.04.2017 20:12 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/92477