‚Eishockey-Fans wollen eine saubere Übertragung, brauchen aber keine 15 Kameras‘

Die erste DEL-Saison mit Telekom Eishockey ist zu Ende. Herr der Produktion ist Ex-«ran»-Chef Albrecht Schmitt-Fleckenstein mit seiner Firma thinXpool. Mit uns spricht er über das Casten von neuen Eishockey-Stimmen, große Bild-Schlagzeilen und massentaugliche Produktion.

Zur Person: Albrecht Schmitt-Fleckenstein

Albrecht Schmitt-Fleckenstein war lange Zeit für Sat.1 tätig, baute unter anderem in den 90ern die «ran»-Redaktion mit auf - und leitete die Sportredaktion bis 2006 mit Schwerpunkt Champions League Fußball. Dann wechselte er für ein Jahr zum Pay-TV-Sender Arena, wo er ebenfalls Pionierarbeit vollbrachte, in dem er eine neue Mannschaft zur Übertragung der Fußball-Bundesliga aufbaute. Inzwischen ist er Chef der Firma thinXpool, die sich auf die Entwicklung und Umsetzung von redaktionellen Konzepten im Sportbereich spezialisiert hat. Mit ihr arbeitete er an der Etablierung der «Servus Hockey Night» von 2012 bis 2016 und jüngst an der Basketball Bundesliga bei der Telekom. Seit Herbst 2016 setzt er für die Telekom die DEL-Übertragungen um.
Herr Schmitt-Fleckenstein, zehn Jahre ist es her, dass der Bundesliga-Sender arena auf die Zielgerade einbog. Nach nur einer Saison war ja Schluss. Sie waren damals Redaktionsleiter der Bundesliga-Crew. Denken Sie gerne zurück?
Ich denke da sogar sehr gerne zurück. Das Jahr hat großen Spaß gemacht, auch weil wir ein tolles Team hatten. Denken Sie mal zurück, wer da bei uns alles dabei war: Matthias Opdenhövel, der inzwischen die «Sportschau» macht, Steven Gätjen, Oliver Welke… Auf der anderen Seite ist die Zeit schon verdammt lang her – gefühlt war das im Mittelalter.

Seit 2012 machen Sie mit Ihrer Firma thinXpool Eishockey-Produktionen. Zunächst für Servus TV, seit vergangenen Herbst nun für die Telekom. Die erste Saison bei der Telekom neigt sich nun dem Ende zu, im Finale spielen Wolfsburg und München. Freuen Sie sich auf eine gute Serie?
Das gleiche Finale gab es in der DEL ja auch schon im vergangenen Jahr. Damals gab’s einen Sweep von München, die die Serie in nur vier Spielen gewannen. Fakt ist: Das sind die beiden besten Teams der Saison, die verdient im Finale stehen. Das Eishockey, das wir da sehen werden, wird großartig, von der Spannung her kann es diesmal allerdings noch besser werden. Darauf freuen wir uns natürlich.

Diese DEL-Saison hatte ja schon einige sportliche Highlights. Ich denke da an Aufsteiger Bremerhaven, die es bis in die Play-Offs schafften, an Augsburg, die überraschten oder auch an Ingolstadt, die früher als erwartet ausschieden. In den großen Medien bestimmen aber zerfetzte Ohre oder ein KO gefahrener Schiedsrichter die Schlagzeilen. Ärgert Sie das?
Nein, es ärgert mich nicht. Mit einem klassischen Spielbericht der Partie Nürnberg gegen Wolfsburg schafft man es halt noch nicht auf die erste Seite der großen Medien. Ich freue mich eher darüber, zu erkennen, dass das Eishockey-Klientel in Deutschland durchaus groß ist. Wenn wir sehen, welche Zustimmung, aber auch Anregungen, wir erhalten, wie gut auch die Quoten bei den Free-TV-Spielen bei Sport1 sind, dann muss man sich wahrlich nicht ärgern. Diese DEL-Saison hatte sportlich wirklich tolle Geschichten zu bieten. Dass manche Medien den Sport dann auf das Ohr von Yasin Ehliz reduzieren, ist höchstens ungerecht, aber das ist dann halt so. Fans von Sportarten wie Eishockey oder Basketball kennen das. Man kann es nicht erzwingen, dass großflächig auch wirklich über großartige Spiele berichtet wird.

Alle Spiele der DEL live gab es noch nie. Ich erinnere mich noch an Zeiten, da hat «Blickpunkt Sport» über Eishockey berichtet. Da fuhr dann ein Motorrad-Kurier in Landshut los, hatte die Bilder vom ersten Drittel dabei. Die wurden in Windeseile geschnitten und in der Sendung gezeigt. Es stand 0:0. In der Abmoderation musste der Moderator dann sagen: „Inzwischen ist das Spiel zu Ende, es ging 8:5 aus.“
thinXpool-Boss Albrecht Schmitt-Fleckenstein
Wie fällt denn Ihre Bilanz des ersten Jahres Telekom Eishockey aus?
Man muss sehen, dass wir etwas vollkommen Neues angeboten haben. Alle Spiele der DEL live gab es noch nie. Ich erinnere mich noch an Zeiten, da hat «Blickpunkt Sport» über Eishockey berichtet. Da fuhr dann ein Motorrad-Kurier in Landshut los, hatte die Bilder vom ersten Drittel dabei. Die wurden in Windeseile geschnitten und in der Sendung gezeigt. Es stand 0:0. In der Abmoderation musste der Moderator dann sagen: „Inzwischen ist das Spiel zu Ende, es ging 8:5 aus.“ So waren die Zeiten damals. Heute gibt es alles live, was super spannend ist und auf gute Resonanz stößt. Unser Ziel ist es, zum Beispiel dem Fan aus Bremerhaven zu ermöglichen, auch das Auswärtsspiel seiner Jungs in Schwenningen zu zeigen. Wenn man weiß, dass Eishockey-Fans mit die treusten Fans aller Sportarten hierzulande sind, dann dürfte klar werden, dass da durchaus Bedarf an einem solchen Angebot bestand.

Vorher zeigten TV-Sender maximal ein Spiel pro Spieltag, manchmal sogar nur eins pro Woche. Heißt: Zwei Moderatoren, zwei Kommentatoren, zwei Experten – das reichte dicke. Sie aber haben nun viel mehr Personal gebraucht. Eine Mammut-Aufgabe?
Das ist so ähnlich als würde man, sagen wir mal einem Standort wie Essen mitteilt, dass er in einem halben Jahr DEL spielen kann. Man muss ad hoc eine komplette Mannschaft von vorn bis hinten aufbauen. Nun hatten wir ja schon ein paar Kontakte, mussten aber trotzdem unglaublich viel casten. Wir sind regelrecht durch die Dörfer gezogen, um junge und gute Stimmen zu finden. Viele gute Stimmen haben wir entdeckt, aber wir sind selbst jetzt noch nicht am Ende. Wenn mal paar unserer Jungs krank sind, wird es schon eng. Der Prozess also ist noch nicht abgeschlossen. Sehen Sie: Deutschland ist ein Fußball-Land. Fußball-Kommentatoren finden Sie viele. Im Eishockey-Bereich gab es diesen Bedarf aber nie.

Sie haben freitags ein First-Row-Spiel eingeführt. Also das Spitzenspiel des Tages, das dann nicht nur von einem Kommentator, sondern auch von einem Moderator und einem Experten begleitet wird und auch mit mehr Kameras ausgestattet ist. Als Moderator waren aber etliche und oft wechselnde Gesichter tätig. Wäre da nicht mehr Konstanz gut?
Das werden wir in der kommenden Saison auch machen. Das war bisher in der Kürze der Zeit einfach nicht möglich. Wir planen freitags für die First-Row-Spiele mit einem festen Pool. Es werden nicht immer die gleichen Leute sein, aber wir werden den Kreis enger halten. Ein Format wie „First Row“ bedarf immer etwas der Anlaufzeit.

Die Finalserie

Spiel zwei der Serie steigt am Dienstagabend ab 19 Uhr. Telekom und Sport1 übertragen. Im Free-TV wären dann noch die Spiele 4 und ein mögliches Spiel 5 (Karsamstag, 19 Uhr) zu sehen. Spiel 3 am Donnerstag sowie die möglichen Spiele 6 und 7 der Serie gäbe es exklusiv bei der Telekom.
Bei Servus TV haben Sie pro Spiel teils 15 Kameras oder mehr eingesetzt. Für die Telekom sind es manchmal nur zwei oder drei. Eine Umstellung?
Man muss den Unterschied sehen: Wenn ich ein Spiel pro Woche ins Schaufenster stelle, kann ich all mein Geld für diese eine Übertragung ausgeben. Wir haben in diesem Jahr aber um die 420 Spiele produziert. Das würde ja jeden Kostenrahmen sprengen. Unsere grundsätzliche Aufgabe ist doch folgende: Wie schaffe ich es, dass der Fan aus Bremerhaven die Auswärtsspiele seiner Mannschaft nach Hause geliefert bekommt? Wir haben gelernt: Die Erwartung der Fans ist dabei gar nicht so groß. Sie wollen eine saubere Übertragung, brauchen aber keine 15 Kameras. Natürlich: Die Führungskamera bei Remote-Interviews (Spieler wird am Eis mit einem Kopfhörer versehen und hört so den Kommentator von dessen Platz aus, Anm. d. Red) wackelt mal, das passiert aber auch in der NHL. Von dort kommt die Idee der Remote-Interviews auch. Sehen Sie: Wir müssen nicht 420 Mal das größte Fernsehevent des Jahres herstellen. Das ist etwas anderes, wenn in der Champions League Bayern und Real gegeneinander spielen. Wir mussten daher, analog zur Basketball-Bundesliga, vielmehr schauen, wie man eine DEL-Produktion massentauglich macht.

Kollege Kai Pahl von allesaussersport hat kritisiert, dass Tore bei Ihnen nicht gut aufgelöst werden, weil man oft nur die finalen Pässe sieht. Hat er recht?
Manchmal ja, manchmal nicht. Es kommt auf die Situation an. Ich erinnere mich an viele Spiele, in denen wir Tore wirklich vom ersten Fehlpass noch in der gegnerischen Hälfte aufgeschlüsselt haben. Manchmal haben wir ausführliche Wiederholungen auch nicht direkt, sondern erst später gezeigt. Bei 420 Spielen kann es aber auch mal vorgekommen sein, dass wir eine Szene nicht so gut im Bild hatten – und das dann wirklich nicht gezeigt haben. Aber diese Kritik ist wirklich kein generelles Problem unserer Übertragungen.

Sonntag ist nun Mega-Eishockey-Tag. Das geht um 13.45 Uhr los und endet oft erst um halb zehn abends. Alle Spiele stehen für sich aber sehr einzeln. Wäre es da nicht eine Idee, in der zweiten Drittelpause durch Schalten ins Stadion schon mal eine Brücke zu den danach folgenden Spielen zu bauen?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Wir haben Zuschauer, die möchten wirklich nur ein bestimmtes Spiel sehen. Die wollen vielleicht auch gar nicht, dass wir Zwischenstände aus anderen Arenen einblenden. Das machen wir, weil wir glauben, dass sich die Mehrheit darüber freut. Von Ihnen angeregte Schalten in den Drittelpausen erachte ich aber eigentlich nicht als nötig. Jeder, der sich für ein anderes Spiel interessiert, kann ja ganz einfach selbst umschalten. Es ist ja alles auf unserer Plattform vorhanden.

In wie fern können Basketball und Eishockey vom Übertragungs-Know-How voneinander profitieren?
Ganz schwerer Vergleich. Ein Basketball-Spiel, in dem ja locker mal 150 Punkte erzielt werden, hat einen ganz anderen Rhythmus. Da passiert ja quasi ständig etwas. Ein Eishockey-Spiel hingegen kann auch mal 2:1 enden. Das ist also eine andere Dramaturgie. Was wir gelernt, aber auch schon geahnt haben: Eishockey hat eine unfassbar treue Fangemeinde. Die Hallen an den Basketball-Standorten sind auch immer voll und bieten eine tolle Stimmung und Atmosphäre, aber irgendwie sind Eishockey-Fans was Treue und positiven Fanatismus angeht, noch intensiver dabei. Was da an Rückmeldungen und Interaktionen untereinander passiert - so etwas habe ich noch nicht erlebt.

Was können Sie uns zu den Abrufzahlen der Spiele bei der Telekom sagen?
Dass ich diese selbst nicht genau kenne. Ich muss mich da also auf mein Gefühl verlassen. Wenn ich sehe, wie viele Mails wir als produzierende Firma bekommen und was während Spielen auf Twitter los ist, dann müssen das schon einige sein, die unsere Übertragungen gucken.

Danke für das Gespräch.
10.04.2017 20:20 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/92342