Die Kritiker: «Katharina Luther»

Zum 500. Reformations-Jubiläum wirft Das Erste mit einem mehr als soliden Fernsehfilm ein neues Licht auf das Wirken und Leben der Luthers.

Cast & Crew «Katharina Luther»

  • Regie: Julia von Heinz
  • Drehbuch: Christian Schnalke
  • Besetzung: Karoline Schuch, Devid Stresiow, Ludwig Trepte, Claudia Messner, Mala Emde, Martin Ontrop, Max Mauff, Michael Kranz, Heiko Pinkowski
  • Kamera: Daniela Knapp
  • Szenenbild: Christian Kettler
  • Schnitt: Georg Söring
  • Musik: Gert Wilden
  • Produktion: Eikon, Cross Media, Tellux Film, Conradfilm
Hinter jedem starken Mann steht eine noch stärkere Frau. In diesem Fall handelt es sich um die Ehefrau des großen Kirchenreformators Martin Luther, die zum 500. Reformationsjubiläum im Mittelpunkt eines ebenso starken TV-Films steht. Was schnell zu einem Klischee hätte werden können, stellt in Wahrheit eine durchaus frische Perspektive und eine anschauliche ARD-Koproduktion zwischen dem SWR, BR, MDR und der Degeto dar, die sich fast schon sekundär mit dem Leben Martin Luthers beschäftigt. Dieses Leben war mehr von Selbstzweifeln und später von wahnhaften Ausfällen geprägt und Luther mehr auf die Hilfe seiner Umgebung - insbesondere seiner Ehefrau - angewiesen, als man meinen sollte.

Katharina von Bora, verkörpert durch Karoline Schuch, wurde als Kind von ihrem Vater im Kloster ausgesetzt. Es dauert jedoch nicht lange, bis sie sich gegen ihr Klostergelöbnis auflehnt. Verantwortlich dafür sind die vermeintlich ketzerischen Thesen eines gewissen Dr. Martinus Luther (Devid Striesow), die Katharina an dem vorgegeben, katholischen Glaubensweg zweifeln lassen. Kloster, Nonnen und Kirche wollen ihren festen Griff um die junge Frau natürlich nicht lockern und predigen vom Teufel und ewigen Höllenqualen. Diese Drohungen verfehlen jedoch ihre intendierte Wirkung und Katharina lässt trotz des Widerstands ihres Vaters und ihres Bruders das Klosterleben hinter sich. Sie möchte sich der Luther-Bewegung in Wittenberg anschließen und nimmt gleich einige andere junge Nonnen mit.

Zunächst stoßen die abtrünnigen Nonnen auf Widerstand und Spott in der wittenbergischen Gemeinde, bis der gutmütige Luther sich ihrer annimmt. Zwar begegnet man Katharina und ihren Mitstreiterinnen später mit Freundlichkeit, aber sie werden schnell von der Realität eingeholt: Im Spätmittelalter des Jahres 1523 sind die Möglichkeiten für Frauen nicht gerade zahlreich und Katharina steht vor der Wahl, entweder einen Ehemann zu finden oder in einem Freudenhaus zu arbeiten. Das passt der der ehemaligen Nonne natürlich überhaupt nicht. So sehr nicht, dass sie lieber Böden fegt und Botengänge macht. Immer wieder beobachtet sie aus den Augenwinkeln den charismatischen Kirchenführer Luther und nimmt kein Blatt vor dem Mund, wenn es darum geht, die kommerziellen Ausschlachtungen seiner Unternehmungen zu kritisieren.

Dennoch hegt sie auch Gefühle für ihn und sie ist die einzige, die dessen Unsicherheit, Verletzlichkeit und innere Zerrissenheit erkennt. Auch wenn seine Gefolgschaft befürchtet, Katarina könnte ihn noch mehr in Konfusionen stürzen, lässt sie sich nicht von ihrem Weg abbringen und soll sich wenig später als unerlässliche Stütze, starke Mutter und Ehefrau sowie emanzipierte Geschäftspartnerin erweisen.

Der TV-Film macht keine Anstalten, hinter die Fassade einer sehr mächtigen Kirche zu blicken und scheut sich nicht, die Verbindungen zwischen Religion, Macht, Geld und Kommerz aufzuzeigen: Zwar möchte Katharinas Vater seine Familie und vor allem sich selbst davon überzeugen, dass er seine Tochter zugunsten ihres eigenen Seelenheils ins Kloster schickt, allerdings hat dies vielmehr materielle Beweggründe. Im Glaube mag Ehrlichkeit liegen, aber diese geht oftmals leider Hand in Hand mit Heuchelei. Auch die lutherische Gegenbewegung kann sich nicht ganz davon freisprechen. «Katharina Luther» macht allerdings nie den Fehler, zu dämonisieren oder zu pauschalisieren. Stattdessen zeigt der Film fehlgeleitete Menschen, die von einer religiösen Stolperfalle in die nächste tappen.

Die Produktion macht aus seinen offensichtlich bescheidenen Mitteln das Beste und entwirft ein durchaus überzeugendes, mittelalterliches Setting. Dabei verfällt der Film niemals ins Überdramatische, sondern hält sich in jeder Hinsicht angenehm zurück. Technisch gesehen, bewegt sich «Katharina Luther» nicht auf spektakulärere Art und Weise über das gängige TV-Niveau hinaus. Aber die Erzählung wird solide und ansprechend von der Hauptdarstellerin Karoline Schuch getragen. Nur selten, aber dafür effektiv brechen aus ihr Angst und Tränen heraus. Trotzdem stellt sie stets das emotionale Zentrum des Films dar und überzeugt mit ihrem Trotz und ihrer Härte. Eigenschaften, ohne die sie in dieser feindseligen, mittelalterlichen Umwelt nicht überleben würde.

Eine interessante, reizvolle Reise einer Frau, die sich von der erstickenden Kontrolle, aber auch von der Sicherheit der Kirche lossagt, um in einem eingeschränkten, spätmittelalterlichen gesellschaftlichen Korsett ihren eigenen Weg zu finden. Kamerafrau Daniela Knapp findet intime und schöne Bilder, auch wenn sie es gelegentlich mit wackeligen Nahaufnahmen übertreibt. Drehbuchautor Christian Schnalke presst reichhaltige Themen in die 105 Minuten. Das Zusammenleben im „Luther“-Haus zwischen Studenten und Gelehrten, Bauernaufstände und Ketzer-Verbrennungen mögen dabei etwas zu kurz kommen und insbesondere in der letzten halben Stunde wirkt die Erzählung etwas gehetzt. Dennoch schildert Regisseurin Julia von Heinz die Geschichte konsequent und einnehmend aus der Perspektive der Katharina Luther.

Fazit: «Katharina Luther» ist kein schmuckes Beiwerk ihres berühmten Ehemannes, sondern ein interessanter, historischer Perspektivwechsel. Dafür sorgen eine zurückhaltende Inszenierung sowie das eindringliche Schauspiel der Karoline Schuch.

Das Erste zeigt «Katharina Luther» am Mittwoch, den 22. Februar um 20.15 Uhr.
21.02.2017 14:00 Uhr  •  Stefan Turiak Kurz-URL: qmde.de/91350