Das große «Dschungel»-Fazit: Eine Staffel zum Heulen

Mal wieder sind zwei Wochen Dauerdschungel beendet. Mal wieder ist das Schlafdezit von fast sieben Millionen Deutschen auf dem Höchststand. Doch hat es sich gelohnt? Oder geht das elfte Jahr als verlorenes Jahr in die Geschichte des Formats ein?

Analysiert man die Einschaltquoten vom «Dschungelcamp» 2017, muss man dem Format durchaus ein kleines Resonanzproblem attestieren. Es schalteten eindeutig weniger Menschen die 16 Ausgaben ein, als in den vergangenen Jahren. Und auch ein weiterer interessanter Fakt spricht für die These des Schwunds: Die zweite Woche konnte die erste nicht wie gewohnt locker toppen. Doch sind diese Zahlen nur ein kleiner Teil der Wahrheit.

Spaß komm raus, du bist umzingelt


Der Verdacht beschlich den geneigten Zuschauer bereits bei der Eröffnungsshow – und auch an dieser Stelle wurde bereits vor zwei Wochen gemutmaßt, dass man sich dieses Mal seitens der Redaktion vielleicht ein bisschen zu sehr vom Schema-F-Casting hatte leiten lassen. Eine späte Folge des Schnarchcamps von 2015?

Nach der ersten Woche ließ sich dann zunächst schwer ein wirkliches Fazit ziehen – nun jedoch, nach zwei Wochen mit den Insassen des diesjährigen Camps, trudelt das Urteil erbarmungslos bitter ein: RTL hat sich verzockt und eine zwar zeitweise unterhaltsame, im Kern aber bös konstruierte und manipulierende Staffel an den Start geschickt, die es nicht - wie sicher gewünscht - geschafft hat, von den Charakteren zu leben. Konnte man über diesen Makel zu Beginn noch hinwegsehen, wurden die Schwächen in der Zusammenstellung zunehmend augenfälliger und der Fake-Faktor stieg und stieg.

Zu überzeichnet waren einige (Hanka, Markus), schauspielerisch zu schwach andere (Honey), wieder andere zu stark auf Selbstvermarktung gepolt (Jens, Sarah Joelle) und der Rest dann schlicht zu langweilig (Fräulein Menke, Nicole, Icke). Gina Lisa kommt in dieser Liste erstaunlicherweise nicht vor – sie fiel irgendwie in alle Kategorien und doch in keine ganz. Ein kleines Phänomen.

Dass dazwischen mit Kader Loth und Florian Wess ausgerechnet zwei Kandidaten, die aus der Botoxsuppe des tiefsten Trash zu stammen schienen, zu Sympathieträgern wurden und mit Authentizität punkteten, überraschte dann positiv. Bei diesen beiden funktionierte das Prinzip Dschungel blendend: Verkrachte C-Promis, denen man nichts zutraut und die sich am Ende trotzdem wie Sieger fühlen dürfen.

Auch Marc Terenzi hätte in die Langweilerkategorie fallen können, zeigte sich aber zunehmend in einem sympathisch ehrlichen und völlig authentischen Licht. Ebenfalls ein Gewinner.

Unterm Strich konnte der gewählte Mix nicht ausreichen, um wirkliche emotionale Bindung zu generieren. Zu unnatürlich gelangten viele Wendungen, Zickereien und Streitigkeiten auf den TV-Schirm, zu wenig nachhaltig zeigten sich Entwicklungen. So versuchte man zwar, an allen Ecken und Kanten Strohfeuer zu legen, kurz darauf waren diese aber jedes Mal schnell wieder vergessen. Auch fiel das Mitleiden bei den Prüfungen schwer, weil zu viele Kandidaten dem Trash im TV schon vor ihrer Mitwirkung nicht abgeneigt waren. Einen gefallenen Ex-Star (der sich sichtlich unwohl mit diesem letzten Karriereausweg fühlt) quält das Volk eben gerne und ergötzt sich an der Schadenfreude. Wenn jemand jedoch schon durch unzählige Trashformate gestöckelt oder gestampft ist, darf man maximal mit einem schiefen Grinsen rechnen. Wenn denn überhaupt. Ein klarer Fall von Fehlkalkulation seitens der Macher.

Die zwei im Baumhaus


Auch an den eigentlich souveränen Spaßvögeln Sonja und Daniel ging der Qualitätserdrutsch letztlich nicht spurlos vorbei. Waren sie zu Beginn noch gewohnt witzig und schlagfertig, wurde ihre Darbietung in der zweiten Woche zunehmend belanglos. Aktuelle Witze fehlten gänzlich, Running Gags ergaben sich nicht oder verpufften, Unkonzentriertheiten in den Moderationstexten wurden eher zur Regel als zur Ausnahme, kleine Spielszenen (die es in dieser Form und Fülle zurvor auch nie gegeben hatte) wirkten wie deplatziertes Füllmaterial und waren fast durchweg schlecht ausgearbeitet und wenig pointiert dargeboten. Zu viel Dienst nach Vorschrift allerorten. Nein – es war nicht die Staffel der bissigen Texte. Selten war das Camp in dieser Kategorie schwächer als diesmal. Schade für das sympathische Duo.

Das Drumherum


Den Rest vom Fest kann man in aller Kürze zusammenfassen: Titelsong langweilig, Dr. Bob in gewohnt guter Form und für die Dschungelprüfungen gibt es ein Sonderlob. Man behielt die besten Spiele der Vorjahre und ergänzte einige neue oder längst vergessene Ideen früherer Staffeln. Abwechslungsreich und unterhaltsam. An dieser Front gab es keine Probleme.

Und um es nicht zu unterschlagen: Einen Dschungelkönig gab es natürlich auch noch. Marc Terenzi, den man ohne Untertitel erst nach gut einer Woche halbwegs unfallfrei verstehen konnte, gewann die Herzen mit dem einzigen Pfund, mit dem potentielle Dschungelkönige überhaupt bestehen können: Mit sich. Er hielt das Camp zusammen, achtete auf Einhaltung der Regeln, war entgegen Hankas Meinung dabei weitestgehend freundlich und fair und konnte somit seinen Fans und allen anderen einen sympathischen und aufgeschlossenen Menschen präsentieren, den nicht zu mögen schwer fiel. Möge die Krone seiner Karriere dienlich sein. Die Tatsache, dass gerade er es zum Dschungelkönig bringen würde, war dabei - wie viele Entwicklungen der Staffel - schon relativ früh absehbar.

Die Zukunft


Rein von den Einschaltquoten und der diesjährigen Qualität wird RTL sich nicht von einer Fortsetzung der Show abhalten lassen. Ob man sich jedoch mit dem Besitzer des Areals, auf dem die Dreharbeiten seit Beginn stattfinden dürfen, weiterhin einigen kann, steht noch in den Sternen. Vielleicht würde ein Umzug aber auch die Kreativität anregen und dem Produktionsteam einen Schwall frisches Blut in das doch langsam arg eingefahrene System spülen. Es wäre uns und allen Beteiligten zu wünschen, dass man 2018 gestärkt zurückkehrt. Totgesagte leben ja bekanntlich länger - und gerade «Ich bin ein Star, holt mich hier raus» hat das bereits mehr als einmal eindrucksvoll bewiesen.

Fazit


Nein, liebes Dschungelvolk, geschätzte Kakerlaken, Mehlwürmer und Spinnen: Das war leider diesmal nichts. Amusement und Zerstreuung hin oder her - die Staffel bot beides zwar erneut und steckte auch immer noch viele vergleichbare Formate locker in die Tasche, dennoch darf und sollte man vom «Dschungelcamp» einfach etwas mehr erwarten dürfen. Im Klartext: Eine ganze Kelle weniger Kalkül und mehr Vertrauen in die Stärken des Konzepts. Notiz an die Redaktion: Niemand möchte 16 Tage lang zu nachtschlafender Zeit schlechten Schauspielern beim Schauspielern zusehen. Dafür gibt es das Vorabendprogramm, sogar beim RTL.
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29.01.2017 00:35 Uhr  •  Björn Sülter Kurz-URL: qmde.de/90805