Fünf Jahre nach «Wetten, dass..?»: Gottschalks Irrungen

Am 3. Dezember 2011 endete die «Wetten, dass ..?»-Ära mit Thomas Gottschalk. Fünf Jahre später fragen wir: Braucht das Fernsehen ihn noch? Oder ist es eher umgekehrt?

Sendeschluss mit Folgen: Vor ziemlich genau fünf Jahren moderierte Thomas Gottschalk zum letzten Mal «Wetten, dass..?» und beendete damit die Ära der großen klassischen Samstagabendunterhaltung nach Jahrzehnten. Mit Conférencier, Showtreppe, riesigem Hallenpublikum. Dass die Show mit Markus Lanz noch ein paar Sendungen weitergeführt wurde: geschenkt. Er war keiner der großen Unterhalter im Stile von Frankenfeld, Carrell, Kulenkampff oder eben Gottschalk. Seine Episode bei «Wetten, dass..?» sollte man schnell vergessen.

Insofern endete diese große Ära der Samstagabendshow eben an jenem Stichtag, am 3. Dezember 2011. Er hielt eine Abschiedsrede, die keine war: „Wenn ich jetzt einfach aus dem Scheinwerferlicht verschwinden würde, muss ich ehrlich sagen, hätte ich ein Problem. Und Sie hoffentlich auch, deswegen komme ich bald wieder“, sagte Gottschalk an diesem Abend. 15 Millionen Menschen sahen zu. Und viele von ihnen spürten instinktiv, dass dieser Abend gleichzeitig das Ende dieser Art von TV-Unterhaltung war. Sie sollten recht behalten. Shows am Samstagabend gibt es zwar immer noch, aber zielgruppengerecht aufbereitet. Das Lagerfeuer-Fernsehen für die ganze Familie verabschiedete sich.

Anders als Thomas Gottschalk, der sich neuen Herausforderungen stellen wollte. Und der sich mit US-Fernsehen auskennt. Er wollte mit der täglichen Vorabend-Show «Gottschalk Live» eine Programmfarbe in Deutschland etablieren, die in seiner Wahlheimat erfolgreich ist. Dabei hätte gerade er wissen müssen, dass man ausländische TV-Konzepte kaum einfach importieren oder exportieren kann – schließlich funktionierte auch «Wetten, dass..?» nirgendwo anders als in Deutschland.

«Gottschalk Live» war ein hausgemachtes, teures Desaster und wurde nach einem halben Jahr eingestellt. In seiner Autobiografie „Herbstblond“ gesteht der Kulmbacher dieses Experiment als Fehler ein. «Gottschalk Live» war letztlich etwas anderes als das, was er sich vorgestellt hatte: „Ich hatte den Verantwortlichen ein bestimmtes Format angekündigt, aber es war mein Fehler, sehenden Auges in eine andere Richtung gelaufen zu sein.“ Vom gefeierten 15-Millionen-Zuschauer-Star wurde Gottschalk innerhalb kürzester Zeit zur Lachnummer, die Negativschlagzeilen produziert.

2012 folgte der Wechsel zu RTL, zur Castingshow «Das Supertalent». Gottschalk erreichte dort zwar wieder mehr Zuschauer und betrat die große Bühne, aber sein persönliches Image sackte noch tiefer als mit seiner Vorabend-Show. Man hielt ihm vor, diese Art von Fernsehen immer kritisiert zu haben – und nun daran mitzuwirken.

Ein noch größeres Problem für ihn: Gottschalk war plötzlich nicht mehr das Alphatier: Unter Dieter Bohlen spielte er nur noch die zweite Geige, anders als in jeder anderen Sendung zuvor. Man merkte ihm das Unwohlsein an, man sah einen anderen Thomas Gottschalk als den altbekannten. In seiner Autobiografie schrieb er später über das «Supertalent» und die Zusammenarbeit mit Bohlen: „Dieter fehlt jedes Gefühl für Teamwork. Es ging nicht darum, dem Wahren und Schönen zum Sieg zu verhelfen, sondern das Ganze marschierte eher in Richtung Circus Maximus, wo Kaiser Dieter auf Zuruf des Plebs und je nach Laune den Daumen hob oder senkte.“

Weitere RTL-Formate folgten: «Die 2» mit Gottschalk und Günther Jauch klang vielversprechend, haben die beiden Entertainer doch in den 80er und 90er Jahren Radio- und Fernsehgeschichte mit ihren legendären „Übergaben“ geschrieben, bei Bayern 3 und im ZDF. «Die 2» war, gemeinsam mit «Back to School», eine Art Reha-Kur für den Showmaster. In diesen Formaten hatte er wieder mehr Freiheiten, man sah wieder mehr vom alten «Wetten, dass..?»-Unterhalter. Dennoch haftete den Shows der Geruch der Beliebigkeit und Austauschbarkeit an, wie bei fast allen klassischen Unterhaltungsshows im Privatfernsehen: immergleiche Studios, immergleiche Konzepte mit Videoclips, Promi-Anekdoten, Quiz.

2017 kehrt Gottschalk zurück ins Radio, diesmal regelmäßig. In seiner alten Radioheimat moderiert er dann monatlich am Sonntagabend. Sein zweites großes Projekt führt ihn zu Sat.1, wo er in den 90er Jahren schon mit den Shows «Gottschalks Hausparty» und «Gottschalk kommt» Erfolge feierte. In Sat.1 präsentiert er «Little Big Shots», ein erfolgreiches Konzept aus den USA. Hier dürfen sich Wunderkinder auf der Bühne zeigen, ob als großartige Sänger, Tänzer, Mathematiker oder andersartige Talente. Es ist eine Art Castingshow – nur ohne Casting. In den USA speist sich der Erfolg aus den Performances der Kids, aber auch aus den lustigen Gesprächen mit dem Moderator. Diese Rolle soll auch Gottschalk einnehmen – die Kinderwetten in «Wetten, dass..?» jedenfalls sorgten immer für viel Unterhaltung.

Gottschalk, studierter Germanist, würde seine Karriere nach «Wetten, dass..?» vielleicht mit dem Titel eines Romans von Theodor Fontane zusammenfassen: „Irrungen, Wirrungen“. Im Roman können zwei Verliebte nicht heiraten, weil ihre unterschiedlichen Stände es nicht erlauben – sie entscheiden sich jeweils für „standesgemäße“ Partner. Gottschalks Irrungen bei der ARD und bei RTL zeigen ebenfalls, wie wenig man zusammenpasste – und wie wenig „standesgemäß“ das formalisierte Unterhaltungsfernsehen für ihn ist.

Ob «Little Big Shots» die Ausnahme darstellen wird, bleibt zu bezweifeln. Zumindest im Radio aber kehrt Gottschalk dorthin zurück, wo er hingehört. Und wer weiß: Vielleicht finden Gottschalk und das ZDF auch noch einmal zusammen – für ganz besondere Samstagabende.
04.12.2016 12:24 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/89757