Steven Gätjen: 'Wenn eine Sendung schlecht ist, ist immer der Moderator schuld'

Moderator und Kinofan Steven Gätjen spricht mit Quotenmeter.de über seine Herangehensweise an Filmkritik, seinen Umgang mit Kritik an ihm und die Lektionen aus seinem Quotenmisserfolg «I can do that!».

Zur Person: Steven Gätjen

Steven Gätjen ist in den USA geboren. Als er sich noch im Vorschulalter befindet, zieht die Familie zurück in die alte Heimat Hamburg. Nach einem Radio-Volontariat absolviert Gätjen die „Hollywood Filmschool“ in San Francisco. Die TV-Karriere beginnt bei MTV in London. Für Kino-Magazine führte der Filmliebhaber bereits über 1.000 Interviews – auch bei den Oscars für ProSieben und für die «Disney Filmparade». 2011 fing Gätjens Zeit bei «Schlag den Raab» und zahlreichen «TV total»-Events an. Aktuell ist er Event-Moderator, ZDF-Showallzweckwaffe und führt durch die «Disney Magic Moments» im Disney Channel.
Von Kinoliebhaber zu Kinoliebhaber: Ich find’s ja schön, dass es nun mit «Gätjens großes Kino» wieder ein echtes Kinomagazin auf einem der Vollprogramme gibt. Aber … einmal im Monat ist schon was wenig, oder?
(schmunzelt) Ja, darüber müssen wir eigentlich nicht reden. Natürlich wünsche ich mir eine wöchentliche Sendung. Man muss sich nur einmal anschauen, was im Kino alles passiert, wie viele Filme pro Woche starten und wie sich die ganze Filmwelt derzeit wandelt. Material genug hätten wir also. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen: Es ist ja schon ein Ding, dass es im ZDF ein neues Kinomagazin gibt. Da darf ich nun nicht gierig werden und sagen: „Einmal die Woche oder gar nicht.“ Man muss kleinen Schrittes größer werden.

Ich mutmaße, dass das Format aus Ihrer Initiative heraus entstanden ist?
Ja, ich kämpfe seit Jahren immer dafür, dass es ein Kinomagazin im Fernsehen gibt. Das habe ich bei Tele 5, das habe ich bei ProSieben, das habe ich, seit ich beim ZDF bin … Ich finde es so schade, dass im Fernsehen das Thema Kino so stiefmütterlich behandelt wird. Umso froher bin ich, dass ich das endlich durchgeboxt habe. Es stand anfangs so stillschweigend im Raum, dass es mal dazu kommen wird, denn beim ZDF wissen die ja um meine Passion fürs Kino. Letztlich wurde dann daraus ein Running Gag: Wann immer ich mit meinem Ansprechpartner beim ZDF telefoniert habe, habe ich gefragt: „Wann startet eigentlich das Kinomagazin?“ Vielleicht war es diese Penetranz, die letztlich dazu geführt hat, dass ich die Sendung bekommen habe. (lacht)

Kino ist ein sehr glamouröser Themenbereich, dem ich mich liebend gern widme – und vielleicht strahlt diese Zuneigung ja ab? Wenn ich fürs Kinomagazin mit großen Stars rede, sind sie vielleicht eher gewillt, auch bei einer Unterhaltungsshow vorbeizukommen? Der Zuspruch in der Kinobranche war jedenfalls sehr groß – die meinten, dass sei geil, dass es wieder sowas gibt. Und ich werde alles dransetzen, dass es die Sendung noch lange gibt.
Steven Gätjen
Aber nicht falsch verstehen: Beim Sender hat man sich nicht genötigt gefühlt, eine Kinosendung zu starten, denn schlussendlich ist das weiterhin ein wichtiges Thema, das viele Menschen bewegt. Zudem ist es ein sehr glamouröser Themenbereich, dem ich mich liebend gern widme – und vielleicht strahlt diese Zuneigung ja ab? Wenn ich fürs Kinomagazin mit großen Stars rede, sind sie vielleicht eher gewillt, auch bei einer Unterhaltungsshow vorbeizukommen? Der Zuspruch in der Kinobranche war jedenfalls sehr groß – die meinten, dass sei geil, dass es wieder sowas gibt. Und ich werde alles dransetzen, dass es die Sendung noch lange gibt.

Haben Sie sich vorab Gedanken gemacht: „Okay, das aus den «Steven liebt Kino»-Jahren übernehme ich, jenes sollte sich ändern?“
Generell gesprochen soll «Gätjens großes Kino» ähnlich ausfallen, jedenfalls insofern, als dass ich meine Begeisterung für Film und Kino transportieren möchte. Wichtig ist mir aber auch, dass sich jede Ausgabe von der vorherigen unterscheidet. Wir orientieren uns in der Aufmachung daran, welche Produktionen wir besprechen und wir werden den roten Faden zwischen den Filmvorstellungen immer neu entwerfen. Allen Beteiligten war es wichtig, nicht aus einem Studio heraus zu arbeiten, sondern immer woanders zu sein. Bei «Steven liebt Kino» haben wir mal einen eigenen Western gedreht und den statt einer Moderation zwischen den Segmenten rund um aktuelle Filme eingesetzt. Sowas macht immer riesigen Bock, und das soll es auch bei «Gätjens großes Kino» geben. Wir müssen auf langer Sicht noch schauen, welche weiteren Möglichkeiten wir erhalten. Die ersten Reaktionen der Verleiher auf das Konzept waren ja, wie gesagt, schon einmal positiv, da wird sich nun zeigen, welche Türen sich uns durch die ersten Ausgaben öffnen, wie sehr wir hinter die Kulissen dürfen oder was wir alles an Sets machen können. Gerne darf das alles noch größer und intensiver werden. Da bekommen wir viel Unterstützung durchs ZDF.

Mir ist klar, dass ich niemanden, der seit fünf oder zehn oder gar zwanzig Jahren nicht mehr ins Kino geht, davon überzeugen kann, dass Kino sehr wohl das Beste auf der Welt ist. Aber ich kann mich als Touristenführer anbieten und erklären: Schau her, das Kino ist wie ein Portal zu ganz vielen anderen Welten, und da ist für jeden was dabei. Hinter dieser Tür: Wahnsinnig viele Explosionen! Hinter dieser Tür: Berührende Schicksale! Hinter dieser Tür: Unfassbar gute CG-Welten.
Steven Gätjen
Unterm Strich: Was ist das Ziel der Sendung «Gätjens großes Kino»?
Wir wollen unsere Liebe zu jedem Genre nach außen tragen. Denn es ist doch wunderschön, welche Vielfalt das Kino zu bieten hat. So sind ja Blockbuster bei einigen verpönt, dabei gibt es großartige Blockbuster. Ebenso, wie es tolle Independent-Filme gibt. Gleichermaßen gibt es auch richtige Schrottfilme in beiden Sparten. Und das nicht nur in Hollywood! Gleiches gilt für französisches Kino, deutsche Filme … Wir versuchen, eine große Bandbreite an Genres und Budgetklassen abzudecken und die Leute wenigstens für diese Art von Filmen zu begeistern. Was aber nicht heißt, dass wir jeden einzelnen Film, der in der Sendung vorkommt, über den grünen Klee loben! Natürlich kann man auch mal sagen: Hier ist die Bildsprache unausgereift, da kann ich das Handeln der Figuren nicht nachvollziehen … Wir wollen konstruktiv kritisieren, was es zu bemängeln gibt!

Wichtig ist mir, dass trotzdem die Leidenschaft zum Medium Film nicht verloren geht. Und mir ist klar, dass ich niemanden, der seit fünf oder zehn oder gar zwanzig Jahren nicht mehr ins Kino geht, davon überzeugen kann, dass Kino sehr wohl das Beste auf der Welt ist. Aber ich kann mich als Touristenführer anbieten und erklären: Schau her, das Kino ist wie ein Portal zu ganz vielen anderen Welten, und da ist für jeden was dabei. Hinter dieser Tür: Wahnsinnig viele Explosionen! Hinter dieser Tür: Berührende Schicksale! Hinter dieser Tür: Unfassbar gute CG-Welten.

Wo kommt Ihrer Meinung nach dieses binäre Denken beim Publikum her, dass Sie eben angesprochen haben? Action gegen Drama, Hollywood-Kino gegen den deutschen Film, Kunst gegen Kommerz … Entsteht dieses Schubladendenken von alleine, ist eventuell doch der Filmjournalismus daran Schuld, dass viele Kinogänger jeweils nur eine bestimmte Kost annehmen?
Das ist ein spannendes und wichtiges, aber kniffliges Thema … Ich glaube, das ist gerade für das deutsche Publikum eine Sache des grundlegenden Prinzips. Wir halten uns ja weiter für das Land der Dichter und Denker, und da liegt es nahe, als Reaktion darauf das Thema Unterhaltung zu verachten. Entertainment ist immer eine niedere Art des Fernsehens als Infotainment, und Infotainment ist eine niedere Art des Fernsehens als reine Informationssendungen. Dieses Denken zieht sich dann durch alle Medien und reicht vom „normalen“ bis zum Fachpublikum. Von dieser Haltung habe ich keine gute Meinung. Dieses Genörgel geht mir einfach auf die Nerven!

Wenn ich «Armageddon» gucke oder demnächst «Rogue One», dann sage ich doch nicht: „Noch umständlicher kann man einen Asteroiden ja nicht zerlegen! Lärm im Weltall gibt es nicht! Solche Raumschiffe könnten gar nicht abheben, geschweige denn so schnell fliegen! Lichtschwerter, was für’n Schwachsinn!“ Wer diese Art Film aus Prinzip nicht mag, der muss sich das gar nicht erst angucken. Man muss ja keineswegs jeden Film gut finden. Es gibt so viele Filme, mit denen ich nicht zufrieden bin! Das aber nicht aufgrund von solch kleinkariertem Genörgel. Und ich verstehe nicht, weshalb das vor allem beim Film so ist. Musikkritiker ticken etwa nicht so. Da schreibt keiner, dass ihm das Konzert „Hollywood in Vienna“ mit Alexandre Desplat nicht gefallen hat, weil die Musik von einem Orchester gespielt wurde. Da scheint man der Vielfalt gegenüber aufgeschlossener zu sein. Ein gutes philharmonisches Konzert hat da genauso Chancen wie eine Rocktruppe, ein guter Rapper oder eine Heavy-Metal-Kombo.
Wenn nicht gerade sowas wie «Toni Erdmann» oder «Victoria» auftaucht, also Filme, die bei Preisverleihungen gut ankommen und auch gute Besucherzahlen schreiben, dann gibt der Filmpreis oftmals keinem normalen Kinogänger einen Grund, ihn zu verfolgen. Wie aber wollen die Filmemacher und Cineasten die Leute auf gute, kleine, sperrige Filme hinweisen, wenn nicht durch solche Awards?
Steven Gätjen

Vielleicht trägt tatsächlich der deutsche Feuilleton einen kleinen Teil der Schuld, weil er manchmal Filme intellektualisiert, bei denen sich das nicht anbietet. Dennoch ist er sehr wichtig, dass er existiert, weil er auch genauer bei Filmen hinschaut, bei denen es ergiebig ist, einen intensiveren inhaltlichen Diskurs zu führen. Schade ist da eher die Struktur der deutschen Filmförderung sowie manchmal die Haltung der Deutschen Filmakademie, die oftmals Publikumsfavoriten völlig ignoriert.
Wenn nicht gerade sowas wie «Toni Erdmann» oder «Victoria» auftaucht, also Filme, die bei Preisverleihungen gut ankommen und auch gute Besucherzahlen schreiben, dann gibt der Filmpreis oftmals keinem normalen Kinogänger einen Grund, ihn zu verfolgen. Wie aber wollen die Filmemacher und Cineasten die Leute auf gute, kleine, sperrige Filme hinweisen, wenn nicht durch solche Awards? Und zu guter Letzt dürfen wir alle folgendes nicht vergessen, wann immer wir versucht sind, zwischen großem und kleinem Kino scharf zu trennen oder zwischen Kommerz und Anspruch: Leute wie Christopher Nolan oder Tom Tykwer haben mit kleinen unabhängigen Produktionen angefangen und machen nun große, teure Filme. Jemand wie David Fincher, der so hoch für seinen Anspruch gelobt wird, hat mit Werbung angefangen und dann erstmal eine Fortsetzung gedreht. Es gibt diese Ebenen, den 250-Millionen-Dollar-Film und den 50.000-Euro-Film, und es ist schön, dass es sie gibt, aber die Grenzen sind durchlässig, und das ist ebenfalls eine Bereicherung für das Medium! Es ist ganz, ganz wichtig, immer daran zu denken, dass das Eine das Andere befruchtet.

Was ist für Sie das wichtigste Kriterium, ob Sie ein Film abholt oder nicht?
Entscheidend sind die Figuren – das ist eine Sache, die Genregrenzen übersteigt. Ein Actionheld kann dich fesseln, eine Dramafigur kann dich mit ihrem Schicksal packen, auch in einer Doku können dich Persönlichkeiten faszinieren. Wichtig dabei ist, dass man in der Betrachtung des Films nicht sein Ziel aus den Augen verliert. Mein Paradebeispiel dafür ist eine Filmkritik aus dem 'Hamburger Abendblatt' vor einigen Jahren, in der ein älterer Kollege einen Kinderfilm komplett verrissen hat, und meinte: „Ja, voll doof, ist was für Kinder.“ Junge, du kannst in deinem fortgeschrittenen Alter nicht mit deiner alltäglichen Sichtweise auf einen Kinderfilm gucken und ihn verreißen, weil er Kinder anspricht!

Mein Bruder und ich haben ja ein Kinderbuch gemacht und waren damit auf Lesetour – wer das einmal gemacht hat, wird verstehen, was für ein gutes, grundehrliches Publikum Kinder sind. Die gehen auf dich zu und sagen dir ohne Scham, was ihnen gefällt und was nicht.
Steven Gätjen
Ich ärgere mich mehr über Kollegen, die selbst schlechten Kinderfilmen einen Freifahrtschein geben, mit der Begründung: „Ist ja eh nur für Kinder, und, joah, der Film ist bunt genug, er wird sie schon beschäftigen!“ Auch Kinder haben eine sinnige Charakterskizzierung und eine gute Dramaturgie verdient.
Das stimmt, voll und ganz. Das Argument „Ist ja nur für Kinder, denen kannst du alles vorsetzen“ ist genauso schlimm wie „Ist für Kinder, also ist es schlecht.“ Dass du Kindern alles vorsetzen kannst, und sie es abfeiern werden, ist ein großer Trugschluss. Gerade Kinder sind gnadenlose Kritiker und sie bemerken es sofort, wenn du ihnen sonst was auftischst. Mein Bruder und ich haben ja ein Kinderbuch gemacht und waren damit auf Lesetour – wer das einmal gemacht hat, wird verstehen, was für ein gutes, grundehrliches Publikum Kinder sind. Die gehen auf dich zu und sagen dir ohne Scham, was ihnen gefällt und was nicht. Daher ist es große Kunst, gute Kinderfilme zu machen, insbesondere, wenn du dann zudem noch die Eltern ansprechen möchtest, die mit ins Kino gehen.

Auf der nächsten Seite: Steven Gätjen darüber, wie er mit Kritik an ihm umgeht, ob die ZDF-Zuschauer gnädiger sind als die von ProSieben und über seine bisherigen Quoten im Zweiten.

Ich verfolge die Kritiken an meinen Sendungen, denn mir ist dieser Austausch sehr wichtig. An Kritiken ist ja sehr oft was Wahres dran. Das Problem ist nur, dass es so viel einfacher und attraktiver ist, etwas Böses zu schreiben als was Positives. Wer einen Verriss schreibt, am besten mit einer unter die Gürtellinie zielenden Schlagzeile, der erreicht mehr Klicks oder verkauft mehr Exemplare .
Steven Gätjen
Um da nun den Bogen zu machen: Sie sind ja nicht nur gewissermaßen Kritiker, Sie sind auch jemand, über den Kritiken verfasst werden. Wie gehen Sie mit Kritik um, lesen Sie das Social-Media- und Feuilleton-Feedback?
Ich verfolge die Kritiken an meinen Sendungen, denn mir ist dieser Austausch sehr wichtig. An Kritiken ist ja sehr oft was Wahres dran. Das Problem ist nur, dass es so viel einfacher und attraktiver ist, etwas Böses zu schreiben als was Positives. Wer einen Verriss schreibt, am besten mit einer unter die Gürtellinie zielenden Schlagzeile, der erreicht mehr Klicks oder verkauft mehr Exemplare als derjenige, der meint „Über den Witz habe ich mich beömmelt, das komplizierte Spiel hat der Gätjen verständlich erklärt, das war schön gemacht …“ Daher kommt es schon vor, dass ich vier Kritiken lese und dann erstmal eine Verschnaufpause brauche, weil so viel Böses darin vorkommt. Und trotzdem setze ich mich weiter mit den Reaktionen auf meine Arbeit auseinander, denn nur, wer Kritik an sich zulässt und ihr Beachtung schenkt, kann daraus lernen, wenn sie konstruktiv war. Das merke ich an mir selber: Ich moderiere heute ganz anders als vor 20 Jahren, und das hat nicht allein mit dem Alter zu tun, sondern auch mit der Mischung aus wachsender Erfahrung und gelernten Lektionen aus Feedback. Dinge, aus denen ich eine Lehre ziehen kann, nehme ich mir nämlich zu Herzen – versuche dabei aber, dennoch authentisch und ich selbst zu bleiben. Warum sollte ich mich auf der Bühne völlig verstellen, das will ja auch keiner …

Wie sieben Sie aus, was konstruktive Kritik ist und was nicht? Bei Artikeln lässt sich das ja anhand der Schlagzeile erahnen, aber bei Twitter und Facebook erkennt man erst, ob in den wenigen Sätzen gepöbelt wird oder nicht, wenn man es gelesen hat …
Da muss man sich halt durchbeißen. Das habe ich spätestens gelernt, als ich Matthias Opdenhövels Nachfolge bei «Schlag den Raab» angetreten habe. Stefan meinte vorher noch zu mir: „Du musst wissen: Völlig egal, wie gut du bist, es wird ein Jahr dauern, bis sich die Leute beruhigt haben!“ Und dennoch war ich vollkommen davon erschlagen, was da auf mich hereingebrochen ist. Ich wurde angepöbelt, weil ich nicht wie Matthias bin. Entschuldigung, aber ich bin nun einmal nicht Matthias!

Da muss man sich halt durchbeißen. Das habe ich spätestens gelernt, als ich Matthias Opdenhövels Nachfolge bei «Schlag den Raab» angetreten habe. Stefan meinte vorher noch zu mir: „Du musst wissen: Völlig egal, wie gut du bist, es wird ein Jahr dauern, bis sich die Leute beruhigt haben!“ Und dennoch war ich vollkommen davon erschlagen, was da auf mich hereingebrochen ist. Ich wurde angepöbelt, weil ich nicht wie Matthias bin. Entschuldigung, aber ich bin nun einmal nicht Matthias!
Steven Gätjen darüber, wie er gelernt hat, mit Pöbelkritik umzugehen
Freunde, Familie und Kollegen sowie mein Management meinen, wenn haltlose und harsche Reaktionen auf mich hereinbrechen, immer: „Steven, dann lies das alles einfach nicht mehr!“ Aber das sagt sich als Außenstehender so leicht. Denn wenn ich meinen Beruf gut machen will, muss ich ja aus meine Fehlern lernen und ständig an mir arbeiten. Da hilft es nun einmal, Kritiken und Kommentare zu lesen, um dann im Nachhinein zu bemerken: „Oh, ich bin der Kandidatin mehrmals über den Mund gefahren. Ach, ich habe dieses Spiel vollkommen verwirrend beschrieben. Das kann ich besser machen!“ Michael Jordan hat das vorgemacht: Er war der beste Basketballer aller Zeiten, und dennoch gab es eine Phase in seiner Karriere, in der er gesagt hat: „Ich muss dringend an meinen Fähigkeiten in der Defense arbeiten“, weil er dort für Patzer kritisiert wurde. Wenn schon ein Michael Jordan Kritik gebraucht hat, dann natürlich auch jemand wie ich – ich muss erfahren, wo ich sachlicher und wo ich lustiger sein sollte. Und die ehrlichsten, unabhängigsten Rückmeldungen bekommst du von außen, nicht von innen.

Was ich daher versuche, ist, unsachliche Kritik, also Sachen, die niemand jemanden ins Gesicht sagen würde, sofort gedanklich abzuhaken. Ob das klappt, ist auch ein wenig Stimmungssache. Wie gehe ich selbst aus der Sendung raus, wie ist die Stimmung intern? Sind die Quoten gut, und kann daher mit dem Gedanken die Kritiken lesen „Naja, manchen hat’s ja doch gefallen!“ oder sind die Quoten mies – dann fühlen sich die Kritiken zunächst an, als würde jemand auf einen am Boden liegenden Boxer eintreten. Dann warte ich lieber ein paar Tage, ehe ich das Internet durchforste … Andere Male bin ich so selbstbewusst, dass ich auf gemeine Kommentare antworte, und nachhake: „Wenn die Show scheiße war, kannst du mir vielleicht auch sagen, was genau man verbessern sollte?“ Leider kommt da oft keine Antwort zurück …

Als gebührenfinanzierter Sender steht das ZDF nochmal unter besonders strenger Beobachtung. Und wenn da was nicht astrein abläuft, also vermeintlich unser Geld zum Fenster rausgehauen wird, dann werden Ventile gesucht. Das sind dann Personen, und nicht abstrakte Dinge wie der Sender oder Produktionsabläufe. Wenn eine Sendung schlecht ist, ist immer der Moderator schuld. Wenn eine Sendung gut ist, dann liegt es am tollen Konzept, und das würde mit jedem funktionieren.
Steven Gätjen
Hat sich die Art an Feedback, die Sie erhalten, geändert, seit Sie beim ZDF sind? Das Publikum ist ja schon ein anderes …
Ja, durchaus. Aber wenn Sie nun denken: „Oh, die ZDF-Zuschauer sind nicht ganz so jung wie die von ProSieben, also sind sie bei Facebook was ruhiger“, dann muss ich widersprechen. Als gebührenfinanzierter Sender steht das ZDF nochmal unter besonders strenger Beobachtung. Und wenn da was nicht astrein abläuft, also vermeintlich unser Geld zum Fenster rausgehauen wird, dann werden Ventile gesucht. Das sind dann Personen, und nicht abstrakte Dinge wie der Sender oder Produktionsabläufe. Wenn eine Sendung schlecht ist, ist immer der Moderator schuld. Wenn eine Sendung gut ist, dann liegt es am tollen Konzept, und das würde mit jedem funktionieren.

Bei «Circus HalliGalli» haben Sie vor wenigen Wochen ihr Quotenpech beim ZDF auf die Schippe genommen – nehmen Sie die Zahlen wirklich so auf die leichte Schulter?
Berechtigte Frage. Natürlich haben wir uns alle erhofft, dass mein Einstand beim ZDF erfolgreicher ist. Wieso sollte ich mich nicht freuen, wenn die «Versteckte Kamera» aus dem Stand mit mehr als fünfeinhalb Millionen Zuschauern zurückkehrt, weshalb sollte ich es nicht begrüßen, wenn «I can do that!» ein neuer Showrenner wird? Dennoch: Es ist ja auch nicht die Katastrophe, zu der man das vorschnell stilisieren würde. Man muss es in Verhältnisse setzen.

Mit «Die versteckte Kamera» hatten wir 3,62 Millionen Zuschauer gegen Biathlon und tolle 8,4 Prozent bei den Jüngeren. Bei «Deutschlands Superhirn» ging die Reichweite von 2,03 auf 2,91 Millionen Zuschauer nach oben – ein Aufwärtstrend, selbst wenn die Zahlen besser sein könnten. Und bei «I can do that!» haben wir uns von einem sehr schwachen Start auf wenigstens 3,02 Millionen Zuschauer gesteigert – und das auf einem schwierigen Sendeplatz. In der ersten Woche liefen wir gegen den «ESC»-Vorentscheid. In der zweiten Woche sind wir gegen das stets so beliebte Umstyling bei «Germany’s Next Topmodel» angetreten … Das war nicht leicht. Gleichzeitig muss ich ein sehr zufriedenes Gesamtfazit über das ZDF ziehen. Denn erstens hat das ZDF nicht übereifrig «I can do that!» abgesetzt, sondern bis zum Ende durchgehalten. Und zweitens: Wir haben uns alle zusammengesetzt und versucht, aus den begangenen Fehlern zu lernen. Es macht wirklich viel Spaß, sich mit den ZDF-Köpfen auszutauschen und zu brainstormen, wie unsere gemeinsame Strategie aussehen sollte und welche Sendungskonzepte man ausprobieren möchte.

Wir dachten, es sei klug, damit zu beginnen, eine alte Marke wie «Versteckte Kamera» neu zu beleben, danach ein kompaktes, kürzeres Showformat zu starten – da fiel letztlich die Wahl auf «I can do that!». Und danach sollte ich mit «Deutschlands Superhirn» eine jüngere Marke übernehmen. Das hat als Gesamtstrategie, wie man sieht, nicht so optimal geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Und vielleicht haben wir diese Vorgehensweise auch nicht gezielt genug kommuniziert, so dass es nach außen zwischendurch aussah, als wüsste man nicht, wohin mit mir.
Steven Gätjen über seinen quotentechnisch durchwachsenen ZDF-Einstieg
Welche Fehler haben Sie und das ZDF sich eingestanden und welche Lektionen haben Sie daraus gelernt?
Es fing bei unserem Plan an, wie man mich ins ZDF einführt. Wir dachten, es sei klug, damit zu beginnen, eine alte Marke wie «Versteckte Kamera» neu zu beleben, danach ein kompaktes, kürzeres Showformat zu starten – da fiel letztlich die Wahl auf «I can do that!». Und danach sollte ich mit «Deutschlands Superhirn» eine jüngere Marke übernehmen. Das hat als Gesamtstrategie, wie man sieht, nicht so optimal geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Und vielleicht haben wir diese Vorgehensweise auch nicht gezielt genug kommuniziert, so dass es nach außen zwischendurch aussah, als wüsste man nicht, wohin mit mir.

Dann genauer auf die einzelnen Sendungen geblickt: «Versteckte Kamera». Hatte ein geiles Opening, das war Rock 'n‘ Roll, weshalb es ja auch mehrmals kopiert wurde. Das Line-up an teilnehmenden Promis war auch klasse. Die Jury hat am Ende nicht funktioniert. Die hatte von den Regularien her überhaupt nichts zu sagen, und das führte dann auch dazu, dass die Jurymitglieder nichts von Wert sagen konnten. Ich kann den Juroren da auch keinen Vorwurf machen – welchen Ansporn hast du, einem Branchenkollegen was um die Ohren zu hauen, wenn es überhaupt keinen Einfluss auf die Show hat? Außerdem waren die Einspieler zu lang, sie sind teilweise ausgeplätschert, statt jeweils mit einem Knall zu enden und oft waren die Ideen für die Streiche von Anno Dazumal.

Bei «I can do that!» war die Kandidatenzusammenstellung vielleicht etwas unausgewogen, dann war natürlich der Sendeplatz problematisch – und wir haben viel zu wenig vom Training gezeigt, so dass die Lernkurve der Promis nicht deutlich wurde. Das sind alles Lektionen, die wir gemacht haben, genauso, wie bei «Deutschlands Superhirn» Folge drei und vier besser waren als die ersten beiden, wir sind viel besser auf die Kandidaten eingegangen. Und es war schön, dass das ZDF willens war, da am lebenden Objekt zu operieren.

Das ist das Schöne am Fernsehen: Wir wissen alle nicht, was funktioniert, wir wissen vorab alle nicht, wie eine Sendung auf dem Bildschirm letztlich rüberkommt. Und meiner Meinung nach sollte man es daher einfach ausprobieren. Ich denke, ich spreche für alle Zuschauer, wenn ich sage: Man muss sich die Experimentierfreude erhalten, statt von Angst getrieben nach der eierlegenden Wollmilchsau zu suchen.
Steven Gätjen
Werden diese Lerneffekte nun ausschließlich in «4 geben alles!» fließen, oder hat «I can do that!» noch eine Chance? Die «Versteckte Kamera» erhält sie ja angeblich ..?
Ja, das habe ich auch gelesen. (lacht) Aber nur, weil es in der großen Boulevardzeitung mit vier Buchstaben steht, muss es nicht der Wahrheit entsprechen. Entweder wissen die mehr als ich, und man wird mich hoffentlich noch offiziell informieren, oder sie haben gut geraten oder es stimmt gar nicht. Mal schauen. (lacht) Das ist aber auch das Schöne am Fernsehen. Wir wissen alle nicht, was funktioniert, wir wissen vorab alle nicht, wie eine Sendung auf dem Bildschirm letztlich rüberkommt. Und meiner Meinung nach sollte man es daher einfach ausprobieren. Ich denke, ich spreche nicht nur für mich und für Sie als Kritiker, sondern für alle Zuschauer, wenn ich sage: Man muss sich die Experimentierfreude erhalten, statt von Angst getrieben nach der eierlegenden Wollmilchsau zu suchen.

Um daher auf unsere Kritiker-Diskussion zurückzugreifen: Einerseits wird immer gefordert, wir sollten in Film und Fernsehen mehr wagen. Dann macht das ab und zu jemand, und wird dafür in Grund und Boden geschrieben, weil es ja nicht angehen kann, was er da Komisches treibt. Und, klar, manchmal sind solche Experimente nicht gelungen und es braucht daher konstruktive Kritik. Aber keinen Generalverriss. Ich sage mir: Habt doch wenigstens etwas Nachsicht mit diesem kleinen Pflänzlein und lasst es noch etwas wachsen, bevor ihr völlig die Hoffnung aufgebt.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Die erste Ausgabe «Gätjens großes Kino» ist in der ZDF-Mediathek abrufbar. Folge zwei läuft in der Nacht auf den 22. November um Mitternacht im ZDF.
18.10.2016 12:21 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/88795