'Wenn dich möglichst viele mögen, bist du möglicherweise egal'

Zum Start der neuen «Ponyhof»-Staffel bei TNT Comedy unterhält sich Quotenmeter.de mit den Moderatorinnen Annie Hoffmann und Jeannine Michaelsen über Metahumor, Social Media, die Fragmentierung des Fernsehens und Erwartungsdruck.

Geht ihr entspannter in die zweite Staffel, weil ihr nun wisst, dass euer Humor ein Publikum hat – oder empfindet ihr nun einen größeren Druck als zuvor, frei nach dem Motto: „Die neuen Folgen müssen noch besser werden“?
Annie Hoffmann (blickt die beim Interview anwesenden Vertreter des Senders an, lacht): Da musst du den Sender fragen, ob die neue Staffel besser werden muss.

Jeannine Michaelsen: Ich finde durchaus, dass der Druck nun größer ist. Wobei der nicht von außen kommt, sondern aus einem selber heraus. Letztes Jahr hatte es was von „Ins kalte Wasser springen“. Kleine Sendung, kleines Team, kleiner Sender, wir alle hatten wenig Erfahrung miteinander. Danach passierten plötzlich ein paar Dinge, die uns zugute kamen. Es gab einige sehr schöne Kritiken und Nominierungen, über die wir uns gefreut haben. Wenn man danach in eine zweite Runde geht, will man alles, nur nicht schlechter werden. Und idealerweise bleibt man auch nicht gleich, sondern zeigt wenigstens so ein bisschen, dass eine Lernkurve da ist.

Was hat sich, vom gesteigerten Druck und der Anwesenheit eines Studiopublikums abgesehen, gegenüber Staffel eins verändert?
Jeannine Michaelsen: Es haben sich lediglich bereits laufende Prozesse weiterentwickelt. Der große Vorteil bei Staffel zwei ist, dass wir uns alle im Team besser kennen und vor allem Annie und ich nun stärker aufeinander eingespielt sind. Wir haben letztes Jahr praktisch bei Null angefangen. Jetzt dagegen können wir nicht nur von unseren Erfahrungen beim Dreh der ersten Staffel zehren, sondern auch von der ganzen Zeit zwischen den beiden Staffeln, die wir ja sehr intensiv miteinander verbracht haben. Wir wohnen auch mittlerweile zusammen …

Annie Hoffmann: Du kannst ruhig sagen, dass wir nicht nur zusammen wohnen, sondern auch ein Paar sind!

Jeannine Michaelsen: Wobei wir uns noch nicht einig sind, was auf dem Klingelschild zu stehen hat!

Annie Hoffmann: Ich bin ja noch immer für Hoffmann-Michaelsen.

Jeannine Michaelsen: Klar, dass du deinen Namen vor meinem stehen haben willst! Wie auch immer: Wir kennen uns nun besser und haben eine gemeinsame Sprache gefunden, was Absprachen und Abläufe bei der Produktion sehr vereinfacht. Auch im Umgang mit Leuten, die neu dazu stoßen, weil sie sich in einem eingespielten Team wiederfinden, statt in einem, das sich noch eingrooven muss.

Annie Hoffmann: Wobei man sagen muss, dass es zu unserem Glück nur wenige Änderungen hinter den Kulissen gab. Wir sind in der Zusammenstellung nahezu komplett so geblieben wie bei Staffel eins, was die Atmosphäre sehr beeinflusst. Beim ersten Meeting gab es direkt das große Hallo, statt des verschüchterten „Ja, hallo, ich bin übrigens die Annie …“ Das ist natürlich sehr schön.

Wir brauchen die Reaktionen einfach. Niemand stellt sich auf eine Bühne und sagt ehrlich zu sich selbst: „Ist mir egal, wie andere Leute das finden, was ich mache.“ Wir alle haben diesen Weg eingeschlagen, weil wir gerne andere Menschen unterhalten. Da sind sofortige Rückmeldungen einfach befriedigender als ins Nirvana zu moderieren, begleitet von der Hoffnung: „Irgendwann, irgendwo schmunzelt wer darüber …“
Jeannine Michaelsen
Wirkte sich die Einführung des Studiopublikums ebenfalls auf eure Arbeit aus?
Jeannine Michaelsen: Die Ansprache ist sofort eine andere. In einem leeren Studio zu moderieren war für mich sehr ungewohnt. Ich kenne sonst nur die MAZ-Situation und das Szenario „vor einem Studiopublikum“. Da war es schon sehr seltsam, stets nur in das Gesicht von unserem einzigen Zuschauer Heinz zu sprechen. Das ist zwar ein ganz tolles Gesicht, so wundervoll, lieb und warm … Trotzdem hemmt es dich, wenn du es gewohnt bist, direktes Feedback zu bekommen, und dann stehst du in einem Studio, in dem sich nur zwei weitere Leute befinden, die ganz leise sind. Das ist so, als würde man in großer Runde einen Gag erzählen, und alle gucken dich nur schweigend an, obwohl du denkst: „Aber der war doch echt gut …“ Dann kommen sofort die Zweifel: „War er etwa doch nicht lustig?“ Für mich ist das Moderieren in Staffel zwei daher ein riesiger Unterschied.

Annie Hoffmann: Genau, es entspannt, eine sofortige Reaktion zu haben. In Staffel eins habe ich ab und zu mal hinter die Kamera geschielt und gesehen: „Ah, okay, da wird geschmunzelt, also war das vielleicht nicht ganz so mies.“ Jetzt schaue ich in dutzende Gesichter, und wenn die lauthals lachen, gibt das ein größeres Gefühl der Bestärkung.

Jeannine Michaelsen: Wobei die ja manchmal nicht wegen uns lachen, sondern weil die sich heimlich irgendwelche lustigen YouTube-Videos anschauen! Die lachen nicht unbedingt wegen uns …

Annie Hoffmann: Doch, doch. Die lachen unseretwegen.

Jeannine Michaelsen: Der Frau Hoffmann erzählen wir immer, die würden wegen uns lachen, dabei wissen wir alle, dass die nur wegen der YouTube-Videos über stolpernde, dicke Kinder lachen.

Annie Hoffmann: Einen Unterschied macht es trotzdem!

Zumindest ich als Zuschauer würde tatsächlich sagen, dass es die Sendung verbessert. Einer meiner Kritikpunkte an der ersten Staffel war, dass in den Studiomomenten nach den Pointen gelegentlich kurze Augenblicke des peinlich-betretenen Schweigens vorkamen, was sich einfach nicht „richtig“ angefühlt hat. Die Aufzeichnung, die ich zu Staffel zwei mitverfolgen durfte, hatte da von eurer Seite aus einen ungezwungeneren, natürlicheren Duktus …
Jeannine Michaelsen: Das ist auch meine Beobachtung, dass die Studiomomente in Staffel zwei nicht bloß anders sind, sondern besser. Wir sind nun einmal kein TV-Magazin, bei uns geht es auch in der Moderation um Pointen, es geht darum, zu unterhalten und spaßig zu sein. Und wenn man wochenlang diese ganzen MAZen gedreht hat, dann will man die auch jemandem zeigen, und der soll da verdammt nochmal auch lachen! Sonst hat man das Ganze ja umsonst gemacht! (lacht) Wenn du Zuhause auf deiner Couch sitzt und lachst, ist das natürlich sehr schön. Habe ich aber nichts von, denn das bekomme ich ja nicht mit! Deswegen sind die Leute im Studio, zumindest für den Moment der Aufzeichnung, gefühlt wichtiger als die ganzen Leute, die das vielleicht irgendwann witzig finden … Wir brauchen die Reaktionen einfach. Niemand stellt sich auf eine Bühne und sagt ehrlich zu sich selbst: „Ist mir egal, wie andere Leute das finden, was ich mache.“ Wir alle haben diesen Weg eingeschlagen, weil wir gerne andere Menschen unterhalten. Da sind sofortige Rückmeldungen einfach befriedigender als ins Nirvana zu moderieren, begleitet von der Hoffnung: „Irgendwann, irgendwo schmunzelt wer darüber …“

Annie Hoffmann: Vor allem ist die Reaktion des Studiopublikums das allererste unbefangene Feedback auf die Einspieler. Klar, man schaut die sich selber vorher an, ebenso das Team und der Sender, aber das ist nicht dasselbe.

Einerseits ja, weil du ein schnelles und direktes Feedback erhältst. Andererseits nein, weil du auch schnell böse Kommentare erntest und dich fragst: „Hu, was hab ich dir denn getan?“ Es geht oft nicht darum, ob jemandem etwas gefällt oder missfällt. Sondern einfach mal ne Runde auszuteilen, aber auch da ist es wie im echten Leben, der Ton macht die Musik. Fundierte Beleidigungen nehme ich hingegen gerne an.
Annie Hoffmann darüber, ob Social Media für sie ein Segen ist
Ist vor dem Hintergrund, dass ihr praktisch vom Feedback der Zuschauer lebt, die immer weiter steigende Präsenz von Social Media ein Segen?
Annie Hoffmann: Sowohl als auch … Einerseits ja, weil du ein schnelles und direktes Feedback erhältst. Andererseits nein, weil du auch schnell böse Kommentare erntest und dich fragst: „Hu, was hab ich dir denn getan?“ Es geht oft nicht darum, ob jemandem etwas gefällt oder missfällt. Sondern einfach mal ne Runde auszuteilen, aber auch da ist es wie im echten Leben, der Ton macht die Musik. Fundierte Beleidigungen nehme ich hingegen gerne an.

Jeannine Michaelsen: Speziell für uns ist Social Media aber insofern ein Segen, als dass wir eine Sendung fürs Pay-TV machen, die somit nur für eine begrenzte Bevölkerungsgruppe zugänglich ist. Dank Social Media können wir trotzdem auch Menschen ansprechen, die nicht zu denjenigen gehören, die über ein Pay-TV-Abo verfügen. Wir nutzen YouTube, Facebook, Twitter, um Ausschnitte aus unserer Sendung zu zeigen und Leute darauf neugierig zu machen, was wir denn so treiben.
Dafür ist Social Media großartig, ich finde auch grundsätzlich, dass Kommentarspalten etwas Gutes sind. Ich stimme Annie aber zu, dass es in dem Moment problematisch wird, in dem man sich grundlos beschimpfen lassen muss. Wobei wir da bisher noch recht glimpflich davon gekommen sind.
Menschen, denen das nicht gefällt, was man macht, gibt es immer, und manche davon pöbeln. Meistens disqualifizieren sich diese allerdings selbst anhand vom Missverständnis simpler Grammatikregeln, durch üble Orthografie oder ihre Wortwahl dermaßen, dass ich mir denke: „Ja, gut, wenn solch eine harsche Kritik von dir kommt, ist das ja fast schon ein Kompliment! Denn wenn du meinen Humor verstehen würdest, müsste ich mir Sorgen machen, ob ich nicht den Anspruch an meine Gags lieber etwas hochschrauben sollte.“

Stichwort Pay-TV: Ist es ein Nachteil, in der Nische zu verschwinden, weil man weniger Menschen erreicht? Oder kommt somit wenigstens Narrenfreiheit einher?
Jeannine Michaelsen: Auf uns lastet definitiv nicht derselbe Leistungsdruck. Wir müssen nicht Woche für Woche die Quote bringen, die der Sender von seinem Programm benötigt, um seinen Schnitt nicht zu verschlechtern. Wir sind zudem nicht derart darauf angewiesen, dass wir irgendwie ins laufende Programm passen. Der Sender hat eine eigene Farbe, entsprechend dieser hat er sich uns ausgesucht, und daraufhin hieß es: „Macht mal!“
Natürlich gibt es schon Absprachen, wir könnten uns jetzt nicht jede Woche ein pinkfarbenes Katzenschwänzchen an den Hintern pinnen und nackt durch die Kölner Innenstadt rennen. Das wäre zu wenig Inhalt. Man lässt uns insofern freie Hand, dass wir sagen können: „So, ist uns jetzt erstmal bummsegal, wie viele Leute das gucken.“ Wir zeichnen eine ganze Staffel im Block auf, der Inhalt steht also sowieso, egal, ob die erste Ausgabe nun zwei Leute gucken, oder 6.000 oder eine Milliarde. Was will der Sender da schon machen? Der kann höchstens panisch alles umschneiden … (lacht)

Eure Programmfarbe ist nun wohlgemerkt nicht mehr dieselbe wie noch in Staffel eins …
Jeannine Michaelsen: Ja. Die ist nicht mehr pink!

Annie Hoffmann (schmunzelt): Wir sprechen jetzt nicht nur Frauen an, sondern alle Menschen.

Genau dieser Running Gag hat sich ja mehr oder weniger erledigt: Dieses Kokettieren damit, auf einem kitschigen, kleinen Frauensender zu laufen, weiblich-elegant wirken zu wollen und dabei zu scheitern …
Jeannine Michaelsen: Ich fand TNT Glitz ja als Sender ganz hübsch. Was mich gestört hat, war die Farbe. Die war ein Albtraum! Daher finde ich es nicht so tragisch, dass wir unter dem neuen Sender TNT Comedy mit neuer Programmfarbe firmieren. Abgesehen davon, dass man uns eine Gagvorlage genommen hat, hat sich nichts verändert. Die Leute vom Sender, mit denen wir zusammenarbeiten, sind dieselben. Das, was wir machen dürfen, ist weiterhin im gewohnten Rahmen. Und es ist schön, dass der Name genau sagt, was der Sender auch anbietet.

Annie Hoffmann: Was ich an diesem Namenswechsel so erstaunlich finde: Der fand am 1. Juni statt. Und wenn mich einer fragt, wo «Ponyhof» läuft, und ich sage, dass TNT Comedy das ausstrahlt, kommt immer wie aus der Pistole geschossen: „Ja! Klar! Kenn ich!“ Bei TNT Glitz hat nie jemand geantwortet, dass er den Sender kennt.

Du hast in allem, was du tust, so viel „Special Interests“. Das zieht sich durch jegliche Form der kulturellen Bespaßung, sei es Musik, Fernsehen, Film … Mittlerweile ist alles jederzeit für dich greifbar, deswegen kannst du nicht länger versuchen, möglichst viele Leute für das zu gewinnen, was du macht. Stattdessen macht man Programm, das sich sein Publikum sucht. Du kannst nicht ernsthaft von einem 60-Jährigen erwarten, dass er Bock hat, sich das Gleiche anzugucken, wie ein 30-Jähriger.
Jeannine Michaelsen
Wegen solcher Beobachtungen frage ich mich manchmal: Geht die Fragmentierung im deutschen Fernsehen nicht womöglich zu weit? Erreichen wir bald einen Punkt, an dem es zu viele Sender gibt?
Jeannine Michaelsen: Meiner Meinung nach hast du im deutschen Fernsehen nur noch eineinhalb Dinge, mit denen du die Leute gleichzeitig zum Einschalten bringst. Das sind große Sportereignisse, die du halt im Fernsehen guckst, wenn du nicht vor Ort dabei sein kannst. Und für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe sind das noch die Nachrichten. Die große, klassische Familiensamstagabendshow gibt es nicht mehr. «Wetten, dass ..?» ist tot und wenig kann dem nur von der Reichweite her das Wasser reichen.
Du hast in allem, was du tust, so viel „Special Interests“. Das zieht sich durch jegliche Form der kulturellen Bespaßung, sei es Musik, Fernsehen, Film … Mittlerweile ist alles jederzeit für dich greifbar, deswegen kannst du nicht länger versuchen, möglichst viele Leute für das zu gewinnen, was du macht. Stattdessen macht man Programm, das sich sein Publikum sucht. Du kannst nicht ernsthaft von einem 60-Jährigen erwarten, dass er Bock hat, sich das Gleiche anzugucken, wie ein 30-Jähriger. Und nicht nur die Frage nach dem „Was?“ stellt sich, sondern auch „Wie?“: Manche Leute gucken sich Serienstaffeln lieber episodenweise an, andere komplett am Stück.

Sich einem Publikum anbiedern ist gleichbedeutend mit dem Trugschluss: „Wenn ich möglichst egal bin, dann mögen mich möglichst viele.“ Nein! Wenn dich möglichst viele mögen, bist du möglicherweise egal.
Jeannine Michaelsen
Die Schlussfolgerung dessen ist?
Jeannine Michaelsen: Meine Theorie ist, dass man spitzer werden musst. Dabei ist es egal, welches Medium du bespielst, ob Fernsehen, Radio, Print, Internet, scheißegal. Man muss etwas schaffen, das sich sein Publikum sucht, statt sich dem Publikum anzubiedern. Sich einem Publikum anbiedern ist gleichbedeutend mit dem Trugschluss: „Wenn ich möglichst egal bin, dann mögen mich möglichst viele.“ Nein! Wenn dich möglichst viele mögen, bist du möglicherweise egal. Je spitzer du wirst, und je mehr du machst, worauf du Bock hast, desto besser.
Dahingehend ist ja, auch wenn wir uns nicht zu oft auf ihn beziehen wollen, Kollege Böhmermann ein wunderbares Beispiel: Mach dein Programm, zieh das durch, und du wirst Leute finden, die das gut finden. Ob du nun die 15-Jährigen haben möchtest, die lernen wollen, wie sie sich einen Lidstrich ziehen, oder ob du was für die 25- bis 35-Jährigen machen möchtest, die auf Satire und Subtext und das Spiel mit der Metaebene stehen, das kannst du dir ja aussuchen. Ich glaube, wir kommen weg vom Kanal für alle. Tausend Kanäle, für jeden einen eigenen, das ist die Zukunft.

Den Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen, zumal er sehr unserem heutigen Sehempfinden entspricht. Ich frage nur deswegen etwas spitzfindig nach, weil gleichermaßen die Gefahr besteht, dass wir es uns zu leicht machen, wenn wir sagen: „Oh, die Leute sind es gewohnt, im Internet genau das zu bekommen, wonach sie suchen. Also ahmen wir jetzt überall nach, was den Leuten im Web geboten wird.“ Wäre es fürs Fernsehen nicht womöglich langfristig klüger, sich als Gegenpol positionieren? Wer eine gesellschaftssatirische Talkshow mit Schminktipps haben will, wird die irgendwo im Internet finden, denn das ist das fragmentierte Medium. Wer aber gerade einen kuratierten Inhalt haben will, sich überraschen lassen möchte und einfach nur weiß: „Irgendwas mit Comedy“, der schaltet das lineare Fernsehen ein und bekommt etwas vorgesetzt, um sich vom ständigen Suchen im Netz zu erholen?
Gerade in unserer Generation sind wir es ja gewohnt, uns zu holen was wir wollen und wann wir es wollen, sofern es angeboten wird. Und daher rückt der Gedanke: „Jetzt kommt das und das, also gucke ich jetzt das und das“ in immer weiterer Ferne.
Annie Hoffmann
Jeannine Michaelsen: Das ist auf jeden Fall eine interessante These, ich weiß nur nicht, ob ich sie so unterschreiben würde. Denn ich glaube, über längere Zeit hinweg werden wir uns vom Gedanken, die Medien scharf zu trennen, verabschieden. Die Wahl des Abspielgerätes ist ja schon heute für viele Nutzer arbiträr, irgendwann wird sie vollkommen egal sein. Momentan zeigt uns die Mediennutzungsforschung noch, dass wir bei YouTube soundsoviele Minuten am Stück gucken, im Fernsehen soundsoviele. Letztlich wird das aber verschwimmen, weil immer mehr Menschen ihren Rechner als Fernseher benutzen – und auf der anderen Seite gehen immer mehr Menschen über ihren Fernseher ins Internet. Dabei trennen sie auch nicht mehr, ob sie nun ein Webportal nutzen oder etwas, das ein Fernsehsender ihnen anbietet.

Annie Hoffmann: Gerade in unserer Generation sind wir es ja gewohnt, uns zu holen was wir wollen und wann wir es wollen, sofern es angeboten wird. Und daher rückt der Gedanke: „Jetzt kommt das und das, also gucke ich jetzt das und das“ in immer weiterer Ferne. Ich weiß nicht, ob das Fernsehen so eine Rückbesinnung durchdrücken könnte, wie in deiner Theorie beschrieben. Und wenn ich so meine Eltern beobachte: Bei denen läuft es so, dass sie sich zuerst fragen, was im Kino läuft. Und wenn sie da nicht fündig werden, dann gucken sie fern. Aber selbst da gibt es immer weniger Sendungen, die sie gezielt einschalten. Wenn sie in Fernsehstimmung sind, dann gucken sie halt, ob irgendwo was läuft, was sie in dem Moment abholt …

Die Erfahrung teile ich, und ich würde ergänzen: Unsere Elterngeneration schaltet, wenn sie einfach nur fernsehen will, einen ARD-Sender und das ZDF, vielleicht noch RTL ein. Die anderen Sender werden nur eingeschaltet, wenn eine bestimmte Sendung ganz gezielt geguckt wird.
Jeannine Michaelsen: Nun ja, die Haltung der Generation kommt ja wahrscheinlich auch daher, dass privates Fernsehen gerade zu Beginn eine unkonventionellere Farbe hatte, die sich damals, glaube ich noch deutlicher vom öffentlich-rechtlichen TV unterschieden hat. Wenn der Herr Balder da die Obstsorten über den Bildschirm tanzen ließ, dass war einfach ungewohnt und für manche bestimmt auch abschreckend. Das hat in manchen Köpfen bestimmt eine Haltung hervorgerufen, die bei manchen Menschen bestimmt bis heute besteht aber nicht mehr zwingend gerechtfertigt ist.
Das Programm der Privaten hat Türen aufgemacht, auch für die öffentlich-rechtlichen Sender. Gute und nicht so gute. Und ja, auch heute hat man das Gefühl, dass manche Privatsender irgendwelchen lieblos gemachten Kram einfach so wegsenden um die Zeit zwischen ihren großen Formaten zu überbrücken. Oder sich unglaublich viel Mühe geben, unfassbaren Kappes selbst zu produzieren. Die ziehen die anderen da auch irgendwie mit rein.

Aber eigentlich hat fast jeder Privatsender Bonbons in seinem Programm. Richtig schöne Sendungen mit tollen Ideen. VOX macht doch seit einigen Jahren mit «Sing meinen Song», «Die Höhle der Löwen» usw. unglaublich gutes Programm. Für mich, aber auch für meine Eltern. Und ProSieben gönnt sich und seinen Zuschauern doch auch echt gutes Fernsehen. Um nur ein paar zu nennen. Aber irgendwie hat das Privatfernsehen, zumindest in der von dir angesprochenen Generation immer noch ein Akzeptanzproblem. Da herrscht oft noch die Meinung, dass nur öffentlich-rechtliche Sender gute Inhalte produziert. Das stimmt nicht. Erstens gibt es auch da Schrott und zweitens herrscht doch in den Privaten ein anderer Druck, Programm zu senden, dass eine gute Reichweite hat. Und da wird dann eben auch Programm gesendet, dass von vielen Menschen, auch von mir, als schlecht empfunden wird.

Und warum? Na, weil es dafür ein Publikum gibt, ein großes sogar, das du brauchst, wenn du mit Programm Geld verdienen musst. Und da sind wir wieder bei der Inhaltsvielfalt. Ich werde nix dagegen machen können, dass es Formate gibt, die mich nicht ansprechen, die ich furchtbar und niveaulos finde, die aber von so vielen Menschen geschaut und deshalb auch weiterproduziert werden, dass sie daraus eine Daseinsberechtigung ziehen. Ich kann nur versuchen in meiner Qualitätswelt, mit meinem Anspruch, Fernsehen zu machen und darauf hoffen, dass auch das seinen Platz und sein Publikum findet und das Sender sich auch weiterhin und auch vermehrt trauen, Programm zu machen, dass vielleicht ein bisschen mehr Zeit braucht um sich sein Publikum zu suchen und zu finden. Und das tun Sie ja.

Und ja, es läuft „Vorführfernsehen“, bei dem ich angewiderte Ganzkörperreflexe verspüre, wenn ich reinzappe, aber es läuft auch für mich gutes Programm. Und, noch besser, ich darf selbst welches machen. Gutes Fernsehen ist Geschmackssache und nur Quote allein ist kein Qualtitätsmerkmal. Vielfalt ist wichtig, auf jedem Sender und der Anspruch seinem Publikum ab und zu auch intellektuell mal was abzuverlangen wäre mein persönlicher Wunsch.
Es ist der Job des Senders, seinem Publikum klar zu machen wofür er steht, was den Zuschauer da erwartet. Das braucht bestimmt auch Mut denn natürlich schließt du damit auch Leute aus, aber ich glaube Veränderung und vor allem Weiterentwicklung braucht immer Mut.

In der Theorie stimme ich da vollauf zu – in der Praxis führt uns die stärkere Fragmentierung aber derzeit zurück zum Argument: „Es wird jede Menge Kram einfach nur so weggesendet“. Denn jeder neue Spartensender, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, hat seine Flaggschiffe, seine tollen Eigenproduktionen oder exklusive Lizenzprogramme. Und die restlichen 22 bis 23 Sendestunden werden irgendwie gefüllt. Jüngstes Beispiel: RTLplus, der Sender für Menschen, die eine Nostalgie für die 80er und 90er empfinden. Schöne, spitze Zielgruppe. Dafür werden Gameshows wie das «Familienduell» neu aufgelegt – wunderbare Sache. Und die übrigen Programmplätze werden mit Wiederholungen vom «Strafgericht» und ähnlichen Formaten vollgestopft … Das verschlimmert ja deiner Argumentation nach eher das aktuelle Szenario, als es durch Fragmentierung zu beheben.
Jeannine Michaelsen: Fairerweise muss man da aber auch sagen: Das ist ein neuer Sender. Den musst du erstmal finanzieren, ihn bekannt machen und rausfinden, ob er letztlich tatsächlich die wirkliche Zielgruppe erreicht, bzw. überhaupt erreicht. Bis dahin musst du irgendwie den Programmablauf füllen und als Senderchef Geduld mitbringen. Dann wird geguckt, wie das so läuft – und idealerweise wird man dann, basierend auf den Erfahrungen, Stück für Stück Altes aus dem Programm kicken und mit immer mehr guten Eigenproduktionen füllen. Dazwischen gibt es ein paar lustige Wiederholungen irgendwelcher Nostalgieformate mit hohem qualitativen Niveau. Ob es so kommt … Das wird sich zeigen. Aber wenn es klappt, ist das doch super. Dann hat eine Handvoll Leute genau ihren Sender gefunden – wie meine Oma, die sich tierisch über den Start von Sat.1 Gold gefreut hat.

Bei gut gemachten Referenzen ist ja der springende Punkt: Wenn du sie nicht verstehst, wirst du nicht ausgeschlossen.
Jeannine Michaelsen
Als Zwischenfazit können wir, glaube ich, festhalten: Im Idealfall verstellt man sich nicht, sondern züchtet sich sein eigenes, spezielles Publikum heran – ob als Sender oder als Sendung. Ihr verfolgt bei «Ponyhof» dieses Prinzip zweifelsohne. Jede stereotypische Marktforschungsabteilung würde ja vollkommen durchdrehen: „«Ponyhof», die Sendung für Jugendliche und junge Erwachsene, die alt genug sind, um Jörg Draeger und «Der heiße Stuhl» zu kennen, aber juvenil genug, um über Vibratorhöschen zu lachen …“ Spitzer kann eine Zielgruppe kaum sein. (lacht)
Jeannine Michaelsen: Bei gut gemachten Referenzen ist ja der springende Punkt: Wenn du sie nicht verstehst, wirst du nicht ausgeschlossen. Wenn du etwa Jörg Draeger nicht kennst, hast du noch immer jemanden dasitzen, der diesen ulkig-charmanten Duktus hat und dann noch so einen skurrilen Text vorliest. Dann lernen manche Zuschauer ihn halt erst in unserer Sendung kennen. Na und? Genau so sollte es sein. Erzieh dir dein Publikum. Denn die Leute sind nicht dumm, sie werden vom Fernsehen für dumm gehalten. Deswegen ist der einzige Aspekt, an dem ich nicht bereit bin, Abstriche zu machen, was ich intellektuell vom Publikum abverlangen kann. Ich denke, da ist Frau Hoffmann genau meiner Meinung. Man hat eine gewisse Grenze. Und die ist nicht, dass man keine Witze machen kann, die unter der Teppichkante durchlaufen! Mit denen habe ich überhaupt kein Problem.

Annie Hoffmann: Für einen Witz unter dem Niveau einer Teppichkante ist immer Zeit.

Jeannine Michaelsen: Trotzdem möchtest du in deinem Publikum einfach einen gewissen Grundstock an Intelligenz und Intellektualität sitzen haben. Es gibt einen Humor-Stil, dem ich bewusst aus dem Weg gehe, weil ich nicht aus dem Grund Lacher kassieren möchte. Ich persönlich mag das einfach nicht. Es geht nicht darum, ob das gut ist oder eine Daseinsberechtigung hat. Es geht schlicht darum, dass es nicht mein Geschmack ist, nicht mein Stil. Wenn ich mein Gesicht in die Kamera halte und mein echter Name drunter steht, möchte ich hinter dem stehen, was ich da tue und sage, und wenn es nur ein: „Ja, ich schäme mich, aber ich habe das gern gemacht. Das ist in Ordnung so!“ Deswegen ist es natürlich schade, wenn sich doch mal jemand ausgeschlossen fühlt. Aber das ist mir hundertmal lieber als beliebig zu sein. Wenn dich von 100 Leuten 70 nicht abkönnen, aber 30 dich abfeiern, ist das so viel mehr wert als wenn du 100 Leuten egal bist. Was bringt es uns, wenn alle sagen: „Ja, doch. Die sind nett. Die mag ich, die … Schorfmann und die Michaelsson“?

Annie Hoffmann (gespielt traurig): Das sagt doch so oder so keiner …

Das Schöne, wenn du so eine mit Haltung transportierte Metaebene hast: Die kannst du als Zuschauer aufschnappen und auseinandernehmen – du kannst sie aber auch übersehen und du hast trotzdem deinen Spaß.
Jeannine Michaelsen
Beim Thema „«Ponyhof» und intellektueller Anspruch“ muss ich zwangsweise an das Stichwort „Metaebene“ denken. In der Sendung kokettiert ihr ja gelegentlich mit dem Klischee, dass es die braucht, damit die Kritiker zufriedengestellt werden. Da muss ich mir auch an die eigene Nase fassen: Bei vielen der derberen oder alberneren Shows, die ich mag, feiere ich eben diese oft besagte Metaebene ab. Alle Kritikerklischees und alle Selbstironie aber mal bei Seite: Sofern ich sie nicht grundlos in «Ponyhof» hineininterpretiere, wann denkt ihr über sie nach, wo kommt sie her?
Jeannine Michaelsen: Ich glaube, sie kommt aus der Haltung, mit der du das machst. Genauer gesagt: Grundsätzlich entsteht sie, wie ich denke, wenn du das, was du machst, ernst nimmst, selbst wenn das, was du machst, der allergrößte Quatsch ist. Das ist ein grundlegendes Gesetz in der Comedy. Ein Witz ist dann am besten, wenn du ihn ernst erzählst. Alles, was du versuchst, und dabei selber nicht ernst nimmst, wird nicht funktionieren. Im Fall unserer Einspieler: Wenn du dich auf eine Situation einlässt, sie und dich selbst dabei ernst nimmst, und dann schaust, was die Situation mit dir anstellt, dann entsteht dabei sowohl Tragik als auch Komik. Meistens generiert sich die Metaebene dabei von ganz allein. Und wenn das nicht klappt, dann kommt halt die Postproduktion.
Und klar, für uns ist es ein Running Gag, immer wieder zu betonen, dass wir Contenance und Würde bewahren sollten, um mehr Anspruch zu haben. Wir machen uns schon zum Teil über die Erwartungshaltung lustig (näselt): „Ja, das muss ja alles irgendwie auf der Metaebene. Bedeutung. Und so.“
Aber auf der anderen Seite ist uns diese zusätzliche Ebene in unserem Humor tatsächlich wichtig. Wenn wir eine Ausgabe damit anfangen, dass wir auf die Bühne gehen und sagen: „So, lasst uns das Allerwichtigste, wenn Frauen Fernsehen machen, zu allererst klären: Ja, natürlich sehen wir fantastisch aus“, dann hat das in unserem Fall eine Haltung. Und die ist meta, und die ist echt, die kommt natürlich, so etwas kannst du nicht konstruieren, denn das fällt auf und das ist nicht gut.
Das Schöne, wenn du so eine mit Haltung transportierte Metaebene hast: Die kannst du als Zuschauer aufschnappen und auseinandernehmen – du kannst sie aber auch übersehen und du hast trotzdem deinen Spaß. Das gleiche Prinzip fahren im Endeffekt die Kollegen von Florida TV mit Joko und Klaas: Die produzieren eine MAZ, und da sind total viele Lacher drin. Und wenn sie eine fixe Idee haben, dann bauen sie noch eine zusätzliche Ebene in den Film ein, aber wenn sie mal drauf verzichten oder sie dir als Zuschauer nicht entgegenspringt, sind diese MAZen dennoch nicht dumm oder stumpfsinnig. Das unterscheidet Florida TV von uns, wir sind vollkommen hohl …

Annie Hoffmann: Büttä? Wie-waas? (lacht)

Jeannine Michaelsen: Quatsch, letzteres war nur Spaß. Worum es mir geht: Wir rennen ja nicht einfach draußen auf der Straße herum und schubsen wildfremde Leute gegen die Wand. Manchmal, ja, bekommt eine MAZ eine vollkommen andere Bedeutung als zunächst angenommen, aber das geschieht nie mit eisigem Kalkül. Wir haben etwa eine MAZ, in der wir als Nutten verkleidet Goethe im Stadtpark zitieren. Und wir dachten, das wird der absolute Knaller, weil die Leute uns anspringen und hart mit uns ins Gericht gehen, obwohl wir gut situierte Gespräche führen. Das war der eigentliche Ansatz. Damit sind wir aber katastrophal gescheitert. Aber dann hat die Aktion eine völlig neue Bedeutung gewonnen, die wir im fertigen Einspieler mittels Schnitt und Anmoderation dann noch unterstreichen. Wenn du das mit ehrlicher Haltung verfolgst, und du dich da draußen durchweg ernsthaft dransetzt, was aus der Sache zu machen, statt einfach nur deinen eigenen kleinen Karneval zu veranstalten „Juchhe, ich bin verkleidet“, bekommst du hoffentlich eine Ebene rein, die das dann für einige Zuschauer noch lustiger macht.
Das geht aber wirklich nur, wenn du dabei durchweg eine ehrliche, ernste Haltung einnimmst. Ich habe mich da draußen als Pseudo-Nutte sowas von geschämt! Und dann kommt irgendwann der Moment, wo das Hirn aussetzt …

Annie Hoffmann: Weil du genau weißt, dass du aus dieser Nummer sonst auch nicht mehr rauskommst. Nach Scham kommt daher irgendwann …

Jeannine Michaelsen: …doof!

Annie Hoffmann: Ganz genau. Nach Scham kommt der Moment, wo du mit der Rolle verschmilzt und sagst (wahnsinnig): „Oh, jetzt ist mir das auch alles bummsegal!“
Und darüber kommt der Witz auf einmal wieder. In der MAZ sieht man ja natürlich nicht, wie lang der Tag für uns war, zwischendurch standen wir am Rande der Verzweiflung, nur um dann irgendwann an der Straße zu stehen, wo ich vollkommen aggressiv mit dem Hintern wackle, während sich Jeannine gleichermaßen in Grund und Boden geschämt und vor Lachen weggeschmissen hat. Die hatte Pippi in den Augen

Jeannine Michaelsen: Die Leute haben dich aber auch komisch angeguckt!

Annie Hoffmann: Ähnlich spielt sich das in den Meetings ab. Irgendjemand hat eine Idee, wir besprechen sie gemeinsam, und irgendwer sagt dann: „Ja, aber da fehlt die Metaebene!“ Dann geht die Diskussion los: Braucht man die? Wie soll sie aussehen? Wie kriegt man sie rein? Und letztlich kommen wir doch immer zum Punkt, an dem wir merken …

Jeannine Michaelsen: Wir müssen die nicht reinhebeln, sie entsteht von alleine. Aus unserer Haltung. Und manchmal entsteht sie dann eben doch nicht. Das ist auch in Ordnung. Dann sind manche Dinge eben stumpf. Aber auf eine Weise stumpf, zu der wir uns bekennen.

Annie Hoffmann: Und die Jeannine ist die verkörperte Metaebene.

Jeannine Michaelsen: Und die Annie der Gassenhumor.

Herzlichen Dank für das aufschlussreiche sowie unterhaltsame Gespräch!

Die neuen Folgen «Ponyhof» sind ab dem 4. September 2016 sonntags ab 22 Uhr bei TNT Comedy zu sehen.
04.09.2016 12:50 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/87888