Lachen, Staunen, Weinen: «Star Trek Beyond»

Mit dem dritten Reboot-Film feiert «Star Trek» sich, seine Fans und die Charaktere. Garniert mit einer großen Ladung Humor und brillanter Optik ein sicherer Grund, ab Donnerstag das Kino des Vertrauens aufzusuchen.

Filmfacts «Star Trek Beyond»

  • Regie: Justin Lin
  • Produktion: J. J. Abrams, Bryan Burk & Roberto Orci
  • Drehbuch: Simon Pegg & Doug Jung
  • Darsteller: Chris Pine, Zachary Quinto, Zoe Saldana, Simon Pegg, Anton Yelchin, John Cho, Karl Urban, Idris Elba, Sofia Boutella
  • Musik: Michael Giacchino
  • Kamera: Stephen F. Windon
  • Schnitt: Greg D’Auria, Dylan Highsmith & Kelly Matsumoto
  • Laufzeit: 120 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Langlebige Filmfranchises haben oft ein Problem und Vorteil zugleich. Auf der einen Seite ist das, was geboten wird, zumeist vorhersehbar und wenig innovativ. Charaktere, Handlungsmuster und Optik sind weitestgehend festgelegt und solange es kommerziell läuft, scheuen die Studios Veränderungen wie Rumpelstilzchen seinen Namen. Auf der anderen Seite bieten derartige Reihen aber auch Verlässlichkeit und schaffen auf diese Weise eine Wohlfühlatmosphäre weitab der Sorgen und Unwägbarkeiten des Alltags.

Bis irgendwann der große Knall kommt und die Massen murren oder fernbleiben.

Der «Bond»-Reihe verhalf dieser Knall zu einem neuen, lauten und mitreißendem Neustart, «Star Wars» feierte nach drei durchschnittlichen Prequels eine fulminante Rückkehr und «Star Trek» selber wurde durch die seit 2009 laufenden Reboots gar ein ganz neues Leben geschenkt. J. J. Abrams lüftete kräftig durch, schärte das Profil an allen Ecken und Enden und bot zweimal massenkompatible Blockbusterkost mit Action und Witz, die mehr Zuschauer als je zuvor in die Kinos lockte. Nur die Hardcorefans verlor er dabei etwas - zumindest sofern diese mit der teils brutalen Neuausrichtung ihre Probleme hatten.

Zum 50. Geburtstag nun durfte Scotty-Darsteller Simon Pegg gemeinsam mit Doug Jung ran, um vielleicht der Massentauglichkeit auch wieder einen Hauch Nostalgie und Annäherungspotential für diejenigen zu bieten, die seit bis zu fünf Jahrzehnten die Abenteuer der verschiedenen Trek-Inkarnationen begleiten. Eine Mammutaufgabe.

Von Zweifeln zerfressen


Nach einer amüsanten Auftaktsequenz, die diesmal weder laut noch opulent daherkommt, sondern den Spaß in den Vordergrund stellt, nimmt sich der Film direkt Zeit für Themen, die in ihrer reduzierten Form zuletzt nicht nur Seltenheitswert besaßen, sondern auch eine emotionale wie inhaltlich Grundierung darstellen. In guten Werken zahlt sich Derartiges später oft noch aus.

Captain Kirk ist nach drei Jahren seiner ersehnten 5-Jahres-Mission desillusioniert von der erdrückenden Unendlichkeit des Alls und dem täglich gleichen Trott. Abgesehen von diversen witzigen Einfällen bietet dieser Auftakt nicht nur einen Blick auf den Alltag an Bord eines Raumschiffs, sondern auch eine erste starke Dialogsequenz zwischen McCoy und Kirk über dessen Geburtstag und seinen verstorbenen Vater. Potenter Stoff.

Auch der folgende Besuch auf der beeindruckend umgesetzten Raumstation Yorktown fällt in diesen Bereich. Es gibt Smalltalk, Sulu darf Zeit mit seiner Familie verbringen (ein wundervoll dezenter Moment, der zeigt, wie simpel und doch pointiert man bei relevanten Themen vorgehen kann) und Kirk spricht mit dem Admiral der Station über einen möglichen Posten, der ihn von seinem Kommando und aus seinem Dilemma an Bord der Enterprise befreien würde.

Naturgewalt


Doch bildet dieses Setup nur die oft zitierte Ruhe vor dem Sturm – eine Hilfsmission in einen nahegelegenen Nebel läutet die Haupthandlung des Films ein, die in einer diesmal äußerst adrenalingetränkten (und fast etwas zu langen) Sequenz nicht nur das dramatische Ende der Enterprise bringt und die Überlebenden auf einem unbekannten Planeten stranden lässt, sondern auch noch den Antagonisten des Films einführt. Dieser Krall wirkt in seiner animalischen Visualisierung dann auch eher wie eine Naturgewalt, wie ein fleischgewordener Sturm. Überlebensgroß, wild und unnahbar. Mit seinem Schwarm aus todbringenden Schiffen zerlegt, tranchiert, kastriert und enthauptet er das stolze Schiff, bis nur noch Trümmer und stumme Schreie übrig bleiben.

Zugegeben: Auf einen erneuten Absturz samt Zerstörung des Schiffes hätte man durchaus verzichten können. Wenn dieser jedoch wie hier inszeniert wird, muss man ihn ab sofort schlicht als Referenz in dieser Kategorie ansehen. Mit jeder Sekunde verwandelt sich der Untergang der Enterprise in physische Schmerzen beim Betrachter. Kudos an die Effektspezialisten und Regisseur Justin Lin, der hier seine aus den «Fast and Furious»-Filmen bekannten Kompetenzen ein erstes Mal ausleben darf.

Das Zusammenspiel von Mensch und Technik


Nach diesem Schlachtfest, das auch durchaus in einem «Transformers»- oder Emmerich-Film seinen Platz gefunden hätte, wären Befürchtungen, der Film würde zu einem reinen Rollercoaster-Ride verkommen, sicher nicht ungewöhnlich gewesen. Doch weit gefehlt. Lin und seine Autoren Simon Pegg und Doug Jung verfolgten mit der Beseitigung des Schiffes nämlich mehr, als nur eine donnernde Blockbusterszene abzuliefern. Sie entrissen der Crew das, was sie im Kern zusammenhält, schützt und letztlich auch definiert und erreichten somit einen Status Quo, den man als Nährboden für feinen und typischen Trek bezeichnen kann: Die Konzentration auf das Innenleben und Zusammenspiel der Charaktere.

Und tatsächlich: Mit der Kombination von Kirk und Chekov, Sulu und Uhura, Scotty und der Außerirdischen Jaylah (Soufia Boutella in einer Rolle, die sofort funktioniert und gerne erneut eingesetzt werden darf) sowie besonders Spock und McCoy gelang ein Geniestreich, der es allen Charakteren erlaubte, tiefer zu graben, als dies in den bisherigen zwei Filmen möglich gewesen war. Plötzlich war sie wieder da, die Chemie zwischen dem ewig grantelnden Doktor und dem immer etwas abgehobenen Vulkanier (durch Leonard Nimoy und DeForrest Kelley in der Originalserie so kongenial definiert), plötzlich erhielten die oft unterforderten Charaktere Sulu, Chekov, Scotty und Uhura viel Platz und Gelegenheit, sich einzubringen und konstant im Spiel zu bleiben. In bisher zwölf Trek-Filmen war das eher die Ausnahme gewesen –ein großes Kompliment an die Drehbuchschreiber.

Die Versuche der verschiedenen Gruppen, am Leben zu bleiben, der Situation auf den Grund zu gehen und letztlich einen Weg zu finden, den Planeten gemeinsam zu verlassen, sind dann auch das Herzstück der Handlung. An verschiedenen Fronten gelingen Teilerfolge, die am Ende dazu führen, dass man gemeinsam auf einem museumsreifen Sternenflottenschiff (direkt aus der Ära um Captain Archer aus der Serie «Star Trek: Enterprise») fliehen und Schlimmeres verhindern kann. Schließlich ist noch die letzte Konfrontation mit Krall auszustehen…

Im Mittelteil wechseln sich Dialogsequenzen, Actionszenen und viel treffsicherer Humor ab und lassen keine Langeweile aufkommen. Drehbuch und Regie gehen diesen Weg Hand in Hand ohne einen Bereich zu überzeichnen oder zu vernachlässigen.

Die Familie zählt


Möchte man gerne das Negative finden, lässt sich dieser Punkt relativ einfach abhaken. Krall ist sicherlich kein Gegenspieler für die Geschichtsbücher, aufgrund einer äußerst cleveren Wendung (die durch genauere Kenntnisse der Serien und Filme nur umso tiefgreifender wird) gehört er aber dennoch zu den besseren. Seine Motive, sein Schmerz und seine ganz persönliche Geschichte passen sich stimmig in den Canon aus 50 Jahren Franchise ein und bilden einen emotionalen Unterbau, der auch mit den durch die Stammcharaktere angesprochenen Motiven harmoniert. Dass man diesen Subtext verpasst, wenn man die Geschichte der Serien und Filme nicht ganz genau kennt, dürfte Krall sicherlich bei dem Einen oder der Anderen in der Bewertung Pluspunkte kosten. Da er jedoch nur das Gesicht der Bedrohung, aber bei Weitem nicht Herzstück der Handlung ist, fällt dieser Aspekt aber kaum ins Gewicht.

Sei es Kirk und seine Orientierungslosigkeit oder auch Spock, der durch den Tod eines ihm wichtigen Charakters aus der Bahn geworfen wird – der Film folgt dem zersetzenden Gefühl von Einsamkeit und sucht sein Heil schließlich im Finden von Familie, Zusammenhalt und Freundschaft. Klassische Trek-Themen, die sich hier durch verschiedene Ebenen zu einem stimmigen Ganzen fügen.

Der zweite Kritikpunkt ist globalerer Natur: Die Handlung ist fraglos schlicht, der Humor und die von der Crew beschrittenen Lösungswege oft naiv und wenig tiefsinnig. Der Spaß steht durchweg im Vordergrund. Doch wo führt uns diese Erkenntnis hin? Letztlich spiegelt sich hier das Flair einer ganz speziellen Serie, die auf diese Art so charmant wie lange nicht eingefangen wurde: Der originalen «Star Trek»-Serie.

Dass es sich bei «Star Trek: Beyond» somit weder um große Denker-SF noch um ein inhaltlich vielschichtiges Meisterwerk handelt, dürfte an dieser Stelle klar werden. Man könnte auch noch etwas plakativer zeichnen: Wer den Maßstab eines französischen Autorenfilms auf einen SF-Blockbuster anwendet, wird in der Regel nicht mit innerer Befriedigung belohnt.

Bittersüß sind in jedem Fall die Abschiede geraten, die gar nichts mit der Handlung des Films zu tun haben. So gönnte man dem Ableben des großen Leonard Nimoy und seinem Film-Alter-Ego Botschafter Spock gleich mehrere ergreifende Szenen, bei denen kein Auge trocken bleibt. Besonders die letzte Sequenz (und eine sehr überraschende Bildauswahl) zeigen ein hohes Maß an Feingefühl, Mut und unkonventionellem Denken seitens der Produzenten. Respekt. Doch auch der plötzliche Tod von Chekov-Darsteller Anton Yelchin vor einigen Wochen fand (neben einer Widmung nach dem Abspann) eine Würdigung, die zwar unbeabsichtigt war, dadurch aber nur noch nachdrücklicher und emotionaler einschlägt (Stichwort: Kirks Toast gen Ende).

Star Trek 4

Bereits diese Woche gab Paramount grünes Licht für die Produktion des vierten Reboot-Films. J.D. Payne und Patrick McKay werden das Drehbuch schreiben, Pine, Quinto und die restlichen Hauptdarsteller sollen zurückkehren. Die Rolle des Verstorbenen Anton Yelchin wird laut Produzent Abrams voraussichtlich nicht neu besetzt. Als Gast ist Chris Hemsworth in der Rolle des George Kirk vorgesehen.
In Sachen Effekte und Soundtrack erlaubt sich der Film keine Schwäche. Michael Giacchino liefert erneut einen präzisen, emotionalen und abwechslungsreichen Score, der dezent aber liebevoll bekannte Melodien und Soundeffekte der Originalserie zitiert und sie mit etablierten wie neuen Klangteppichen mischt. Die visuelle Umsetzung lässt den Mund offen stehen – Trek sah nie besser aus, ohne sich dabei selbst zu verraten.

Schauspielerisch waren besonders Chris Pine und Zachary Quinto nie besser und näher an ihren Figuren dran. Besonders im Englischen hört man bei Kirk mehr als einmal William Shatner sprechen – ohne, dass Pine ihn kopieren jedoch würde. Doch auch alle anderen spielen auf höchstem Niveau. Bei den Gastdarstellern läuft Soufia Boutella (Jaylah) etwas überraschend dem deutlich bekannteren Idris Elba (Krall) klar den Rang ab – was natürlich auch am exzessiven Make-up des Antagonisten liegt.

Hatten die ersten beiden Filme bei den eingefleischten Fans noch das Gefühl hinterlassen, man müsse sich vom Alten komplett lösen und damit leben, dass sämtliche Aspekte des Trek-Canon durch einen großen Fleischwolf gedreht und wie es eben gerade passt neu sortiert würden, bietet «Star Trek Beyond» das Kontrastprogramm. Eine zwar nicht neue, aber doch originelle Geschichte, die keinerlei Vorkenntnisse erfordert, jedoch durch selbige nur hinzugewinnt und mit Leichtigkeit Namen und Informationen in den Mix wirft, die man als Kenner der Materie verstehen kann, aber nicht muss. Der Film funktioniert somit sowohl als dritter Teil der Reboots, wie auch als Teil von über 700 Episoden und 13 Kinofilmen eines 50 Jahre alten Franchise. Eine tolle Leistung.

Fazit


«Star Trek Beyond» ist das Beste, was der Kinoreihe passieren konnte: In einem Rausch aus treffsicherem Humor, Gefühl, Action, gekonnten Rückbezügen und optischer Wucht, vergehen die zwei Stunden wie im Flug und können Hardcorefans wie auch Otto-Normal-Kinogänger spielend glücklich machen – sofern sie sich selbst nicht wichtiger nehmen, als der Film sich selbst. Das neue Abenteuer der Enterprise-Crew ist sicher kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber der herzigste Science-Fiction-Film seit Langem und zugleich ein klasse Blockbuster. Spagat gelungen!

«Star Trek Beyond» startet am Donnerstag, dem 21. Juli 2016 in den deutschen Kinos.
19.07.2016 17:00 Uhr  •  Björn Sülter Kurz-URL: qmde.de/86919