'Es ist nicht der ideale Weg, um Filme zu machen'

Quotenmeter.de traf sich mit «The First Avenger: Civil War»-Darsteller Paul Bettany und mit -Regisseur Anthony Russo, um mit beiden detailliert über Freud und Leid der Zusammenarbeit mit Marvel zu sprechen.

Zur Person: Paul Bettany

  • Wurde 1971 in London geboren
  • Studierte Schauspiel und machte daraufhin mit seinen Rollen in Inszenierungen der Royal Shakespeare Company auf sich aufmerksam
  • Hatte 1994 sein TV-Debüt, alsbald folgten erste Kinorollen
  • Nach der Jahrtausendwende folgten Rollen in Filmen wie «A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn», «Dogville» und «Stories of Lost Souls»
  • War in allen «Iron Man»-Filmen und in «Marvel's The Avengers» die Stimme des Computerprogramms Jarvis
  • Seit «Avengers: Age of Ultron» spielt er in Marvel-Filmen die künstliche Lebensform Vision
Wissen Sie bereits, was die filmische Zukunft noch für Vision bereithält?
Nein … Genauer gesagt: Ich weiß nur sehr wenig darüber, was mit Vision noch passieren wird. Und diese wenigen Dinge darf ich nicht mit Ihnen teilen. Sonst würde ich meinen Job verlieren, und dann könnte ich nie wieder mit Ihnen zusammensitzen und über diese Filme sprechen, was bedauerlich wäre. Daher … Lassen wir es darauf beruhen, dass man uns Darsteller sicherheitshalber ziemlich im Dunkeln lässt.

Sieht Ihr Vertrag mit Marvel denn vor, dass Sie für weitere Filme zurückkehren müssen?
Die Verträge mit Marvel können völlig variieren. Manche Darsteller unterzeichnen Verträge, die eine bestimmte Anzahl sogenannter Optionen vorsehen. Andere machen das nicht. Jeder von uns hat ganz unterschiedliche Verpflichtungen gegenüber Marvel. Und wann immer wir diese vollbracht haben, beginnt der heikle Prozess der Neuverhandlung.

Und in welches Lager fallen Sie?
Ich habe für eine bestimmte Summe an Optionen unterschrieben. Und weitere Details … Nun … Die sollten besser geheim bleiben …

Ich finde es einfach klüger, nicht darüber zu plaudern, was in meinem Vertrag steht. Ich habe mehr Macht in den Verhandlungen, wenn niemand weiß, wie viele Filme für mich bereit stehen oder eben nicht bereit stehen. Es ist also nicht so, dass nichts über die Anzahl meiner Optionen bekannt ist, weil ein Marvel-Sicherheitsmann mit regelmäßigen Abständen an meiner Tür klopft: „Sprich! Bloß! Nicht! Über! Deinen! Vertrag!
Paul Bettany
Interessant! Ist das eine neue Taktik seitens Marvel, um die Zukunft der Filme dem Publikum gegenüber zu verschleiern? Viele Marvel-Deals wurden ja durchaus publik gemacht, etwa, dass Sebastian Stan einen Vertrag hat, der über neun Filme geht …
Nein, nein. Damit hat das nichts zu tun. Der Grund, dass manche meiner Kollegen und auch ich nicht bekannt geben wollen, wie viele potentielle Filme noch in unserem Vertrag stehen, ist der, dass uns das bei Nachverhandlungen zum Nachteil gereicht. (lacht) Ich finde es einfach klüger, nicht darüber zu plaudern, was in meinem Vertrag steht. Ich habe mehr Macht in den Verhandlungen, wenn niemand weiß, wie viele Filme für mich bereit stehen oder eben nicht bereit stehen. Es ist also nicht so, dass nichts über die Anzahl meiner Optionen bekannt ist, weil ein Marvel-Sicherheitsmann mit regelmäßigen Abständen an meiner Tür klopft: „Sprich! Bloß! Nicht! Über! Deinen! Vertrag!“

Wussten Sie, wer die Figur Vision ist, bevor Sie Teil des Marvel-Filmuniversums wurden?
Nein habe ich nicht. Das Erfolgsgeheimnis dieser Filme ist, dass sie von riesigen Fans gemacht werden. Wie von den Produzenten Kevin Feige und Jeremy Latcham, oder von den ganzen Autoren und Regisseuren wie den Russo-Brüdern oder Joss Whedon. Sie alle sind seit Kindstagen comicvernarrt und leben das nun auf großer Bühne aus, was die Fans zu schätzen wissen. Ich als Engländer hingegen … In den 70ern hatten wir keine Comics, sondern nur massive Arbeitslosigkeit. Deswegen ist es sehr hilfreich, wenn all diese Yodas der Comiclehre um einen herumstehen. Denn wann immer du eine Frage hast, haben sie sofort eine Antwort parat.

Sie haben mal gesagt …
(panischer Blick) Oh nein …

Manchmal kommen Journalisten an und fangen eine Frage mit dem Satz an: „Sie haben mal gesagt … “, und dann kommt irgendwas, das ich angeblich vor 20 Jahren gesagt haben soll. Und ich denke mir dann immer nur: „Fuck! Habe ich das echt vor 20 Jahren gesagt?! Woher soll ich da noch wissen?! Ey, ich habe vor 20 Jahren jede Menge gesagt. Vor allem: ‚Wo sind meine Klamotten!‘“
Paul Bettany
… dass sie mit der Rolle Vision gern erforschen wollen, was die Begriffe Menschlichkeit und Liebe bedeuten. Sind Sie damit zufrieden, in welchem Rahmen dies in «The First Avenger: Civil War» angerissen wird?
(erleichtert) Achso. Puh! Dann ist ja alles gut. Manchmal kommen Journalisten an und fangen eine Frage mit dem Satz an: „Sie haben mal gesagt … “, und dann kommt irgendwas, das ich angeblich vor 20 Jahren gesagt haben soll. Und ich denke mir dann immer nur: „Fuck! Habe ich das echt vor 20 Jahren gesagt?! Woher soll ich da noch wissen?! Ey, ich habe vor 20 Jahren jede Menge gesagt. Vor allem: ‚Wo sind meine Klamotten!‘“ Das hier greift ja nur ein paar Wochen zurück … Daran erinnere ich mich noch! Und: Ja, ich bin zufrieden damit. Vision entwickelt Gefühle für Scarlet Witch, was jedoch auch große Wut in ihm weckt. Das ist eine sehr menschliche Gefühlsregung, die ihn erstmals dazu bringt, einen Fehler zu begehen. Ein sehr spannender Aspekt an Vision, meiner Ansicht nach!

Jeder, der jemals einen Film gemacht hat – einen RICHTIGEN FILM – muss erkennen, wie schwer diese Filme zu machen sind. Die sind wirklich FUCKING hart zu machen! Und jeder, der diese Masse an Handwerkskunst geringschätzt, weiß nicht, wovon er redet. Die besten Techniker der Welt machen diese Filme!
Paul Bettany über Marvel-Filme
Wären Sie eigentlich auch Fan der Marvel-Filme, wenn Sie nicht zum Cast gehören würden?
Dazu muss ich etwas ausholen: Ich habe sie bis vor kurzem nicht gesehen. Und irgendwann habe ich ein Interview gegeben, indem ich über die «Iron Man»-Trilogie befragt wurde, in der ich ja nur als Stimme mitgewirkt habe. Ich meinte damals: „Ich habe die «Iron Man»-Filme nicht gesehen“. Ich habe allerdings außerdem gesagt: „Doch ich schaue generell nur wenige meiner Filme“. Das hat der Interviewer aber rausgeschnitten, so dass es so aussah, als würde ich ganz arrogant über die «Iron Man»-Filme herabblicken. Mittlerweile habe ich die «Iron Man»-Filme und auch die anderen Marvel-Produktionen allerdings nachgeholt, weil es diese ganze, reichhaltige Mythologie gibt, die zu den Filmen hinleitet, in denen ich nun auch als wandelnde Figur auftrete. Diesen Hinweg wollte ich dann doch erkunden, um meiner Arbeit gerecht zu werden. Und ich muss sagen: Jeder, der jemals einen Film gemacht hat – einen richtigen Film – muss erkennen, wie schwer diese Filme zu machen sind. Die sind wirklich fucking hart zu machen! Und jeder, der diese Masse an Handwerkskunst geringschätzt, weiß nicht, wovon er redet. Die besten Techniker der Welt machen diese Filme!

Ich als jemand, der schon einmal selber einen Film gedreht hat, stehe staunend daneben und habe keinen Schimmer, wie die das hinkriegen! Und darauf lassen sie es ja nicht beruhen! Die zwischenmenschlichen Beziehungen der Marvel-Figuren werden immer komplexer und immer reichhaltiger. Und wann immer ich mich frage: „Braucht es wirklich noch einen Superheldenfilm?“, macht Marvel einen Superheldenfilm, der noch komplexer und reichhaltiger ist als die vorherigen. Dieses mal sogar einen, der solche Themen anspricht wie die Nachwirkungen einer eigenmächtig handelnden Gruppe von Wesen mit Superkräften. Welcher andere Superheldenfilm kann das schon von sich behaupten? Ich finde, es sind herausragende Filme.

Wann immer ich mich frage: „Braucht es wirklich noch einen Superheldenfilm?“, macht Marvel einen Superheldenfilm, der noch komplexer und reichhaltiger ist als die vorherigen. Dieses mal sogar einen, der solche Themen anspricht wie die Nachwirkungen einer eigenmächtig handelnden Gruppe von Wesen mit Superkräften. Welcher andere Superheldenfilm kann das schon von sich behaupten? Ich finde, es sind herausragende Filme.
Paul Bettany
Und wäre ich nicht im Cast? Nun, ich habe drei Kinder. Über kurz oder lang hätten die mich auf diese Filme hingewiesen, und dann wäre ich genauso von den erwähnten Leistungen beeindruckt wie ich es jetzt bin. Ich will ja wirklich nicht mit dem Finger auf andere zeigen … Aber es gibt Filme, die umjubelt werden, richtig laut umjubelt … Und ich weiß ganz genau, dass um ein Vielfaches einfacher zu bewerkstelligen sind. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich mir «Guardians of the Galaxy» angesehen habe. Menschenskind! Wirklich, ganz gleich, ob man ihn persönlich mag oder nicht, diese Kunstfertigkeit in diesem Film, die sichtbare Ambition, der Umstand, dass zahllose Handwerkskünstler auf der Höhe ihres Könnens unzählige Arbeitsstunden in diese Produktion gesteckt haben … Um diesen Film zu bewerkstelligen, mussten Spezialeffektfirmen aus aller Welt zusammenarbeiten. Die Inszenierung ist wundervoll! Marvel-Filme sind schlichtweg Filme, die man keineswegs unterschätzen sollte. Und sie steigern sich immer weiter, sie werden zu immer stärker erfüllenden Seherlebnissen. Keine Ahnung, wie die das hinkriegen. Aber sie kriegen es hin!

Ich glaube, die Verantwortlichen hinter diesen Filmen sind, ehrlich gesagt, überhaupt nicht daran interessiert, einen Oscar zu erhalten. Die machen Filme, die alle Zielgruppen ansprechen und auf der gesamten Welt Anklang finden. Ich mutmaße, dass deren Reaktion wäre: „Oh, wir wollt mir einen Oscar geben? Joah … Das geht schon in Ordnung. Ich stelle ihn irgendwo neben meinen milliardenschweren Berg aus Geld.“
Paul Bettany über Marvel-Filme
Für einen flüchtigen Augenblick gab es nach dem Start von «The Return of the First Avenger» in der Oscar-Community die Diskussion, ob dieser Film es schaffen könnte, das Stigma zu überwinden und von der Academy auch abseits der üblichen, kleinere Kategorien anerkannt zu werden. Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen. Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, damit Superheldenfilme bei den Oscars und anderen großen Preisen nicht weiter übersehen werden?
Ich glaube, die Verantwortlichen hinter diesen Filmen sind, ehrlich gesagt, überhaupt nicht daran interessiert, einen Oscar zu erhalten. Die machen Filme, die alle Zielgruppen ansprechen und auf der gesamten Welt Anklang finden. Ich mutmaße, dass deren Reaktion wäre: „Oh, wir wollt mir einen Oscar geben? Joah … Das geht schon in Ordnung. Ich stelle ihn irgendwo neben meinen milliardenschweren Berg aus Geld.“ Ich denke wirklich nicht, dass sich irgendwer bei Marvel übergangen fühlt, weil er von der Academy ignoriert wird. Andererseits … Das Stigma kann schon ärgerlich sein. Die Kameraarbeit in «Star Wars: Das Erwachen der Macht» ist wunderschön. Sie ist wirklich, wirklich fucking atemberaubend. Jeder, der schon einmal einen Film gedreht hat, muss anerkennen, wie umwerfend er aussieht. Gäbe es Preise für gut gemachte Filme, und ich meine richtig gut gemachte Filme, statt Filme mit profundem Inhalt, hätte er alles in dem Bereich abräumen müssen. Doch es gibt keine Preise für richtig gut geleistete Handwerkskunst im Filmbereich … Tja … (zuckt mit den Schultern)

Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit Joss Whedon und mit den Russo-Brüdern?
Das ist schwer zu sagen. Die Filme, die ich mit ihnen gemacht habe, sind so grundverschieden. «The First Avenger: Civil War» enthält so viel mehr personenspezifische Dramatik. Viele Szenen zeigen Leute, die in Konferenzräumen sitzen und debattieren. Das widerspricht so vehement den gängigen Actionfilm-Klischees. Es lag also allein schon in der Natur des Films begründet, dass es eine ganz andere Arbeitserfahrung wird als zuvor «Avengers: Age of Ultron».

Hinzu kommt, dass es mir generell schwer fällt, Regisseure gegenüberzustellen und zu vergleichen … Das kann man alles schnell falsch verstehen … Also: Ich liebe Joss. Es war für mich eine tolle, aufregende Erfahrung, erstmals diese Art von Film zu drehen, und ich war sehr froh, dabei seiner Leitung zu unterstehen. Es war eine herrliche Zeit. Und die Russos? Die sind überaus relaxt und geben einem sehr viel Raum für Improvisation. Es gibt da diese eine Szene, in der Vision durch eine Wand in eine Zimmer reinschwebt und auch wieder rausschweben sollte. Ich habe aber gefragt, weshalb er den Raum nicht durch die Tür verlässt, weil er versucht, sich anzupassen. Und die Russos haben auf meinen Vorschlag hin einfach nur genickt. Sie sind so relaxt! (staunend)

Und die andere tolle Sache ist: In diesem film sind sooo viele Superhelden – und zwei Regisseure! Das heißt, wir konnten sie gegeneinander ausspielen: „Joe, bist du dir sicher, dass ich das so machen soll? Denn Anthony meinte vorhin zu mir, dass das totale Scheiße sei!“ Das war unser erklärtes Ziel: Sie dazu zu bringen, dass sie sich bekämpfen, um sie sie dann zu bezwingen! (grinst zufrieden)

Haben diese Versuche denn wirklich geklappt?
Nein… (völlig enttäuschter Blick) Die Russos halten eng zusammen. Und sind sehr misstrauisch.

Ich kann Ihnen nicht einmal ansatzweise erklären, wie winzig klein die Puzzleteile sind, die es bei solchen Projekten zusammenzusetzen gilt!
Paul Bettany über Marvel-Filme
Könnten Sie sich vorstellen, selber Mal bei einem Marvel-Film Regie zu führen?
… (macht große Augen) Uff! (grübelt) Ehrlich gesagt: Ja, ich würde gerne einmal selber bei einem Marvel-Film Regie führen. Denn das Leben sollte sich darum drehen, viele neue Erfahrungen zu machen, und das wäre definitiv eine völlig neue Erfahrung für mich. Allerdings würde ich vorher noch sehr viele kleinere Filme inszenieren wollen, bevor ich mich an so etwas herantraue. Ich kann Ihnen nicht einmal ansatzweise erklären, wie winzig klein die Puzzleteile sind, die es bei solchen Projekten zusammenzusetzen gilt! Ich liebe es, mit Schauspielern zusammenzuarbeiten, sie vor Landschaften in Szene zu setzen und sie zusammenzubringen. Und ich liebe es, ihnen bei ihrer Arbeit zuzuschauen, mit ihnen zu interagieren, um ein Verständnis für ihre Rollen zu entwickeln. Ich liebe es, mit dem Kameramann auszutüfteln, wie wir diese großartige Leistungen am Besen einfangen. Aber die Vorstellung, das vollbringen zu müssen, was Joss Whedon und die Russos geschafft haben … Ich erinnere mich noch bildhaft an diese Szene: Die Russos erklären mir detailliert, dass ich in einem Kampf bin, auf dem Boden knie, spüre, dass jemand auf mich zufliegt, meinen Kopf drehe und … (kniet sich hin, dreht den Kopf und blickt dezent aggressiv). Und ich mache das (wiederholt den Vorgang) und sie rufen: „Cut!“ (blickt erstaunt) Woher wussten die Russos, dass sie genau das brauchten?! Woher wissen sie, wie ich in der Szene zu stehen habe und wo ich hingucken muss, damit es im fertigen Film Sinn ergibt?! Das sind so winzig kleine Aspekte, die es zu beachten gibt, und davon gibt es unzählige … Ich bin absolut ratlos, wie sie das hingekriegt haben …

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Auf der nächsten Seite: Regisseur Anthony Russo über das Besetzen neuer Figuren, Zank hinter den Kulissen und die Herausforderung, mit einem großen Cast zu drehen.

Zur Person: Anthony Russo

  • 1973 in den USA geboren
  • Arbeitet regelmäßig mit seinem Bruder Joe zusammen
  • Er und Joe wurden von Steven Soderbergh («Lügen, Sex und Video», «Ocean's»-Trilogie]]) als vielversprechende Regisseure entdeckt
  • Die Russos inszenierten unter anderem diverse Folgen von «Arrested Development» und «Community» sowie den Kinofilm «Ich, Du und der Andere»
  • Sie wurden für ihr Marvel-Debüt «The Return of the First Avenger» als Action-Neuentdeckungen gefeiert
Sie und ihr Bruder Joe führen in «The First Avenger: Civil War» eine neue Version von Spider-Man ein – die erste, die Teil des 'Marvel Cinematic Universe' ist. Dem gingen zähe Verhandlungen mit Sony Pictures voraus, und das Studio wird nun zusammen mit Marvel eine neue Reihe an Filmen über diese Figur verwirklichen … Gab es daher Einflussnahme darauf, wie Sie Spider-Man einsetzen?
Nein, wir haben darüber bestimmt. Wir haben entschieden, wie wir Spider-Man anlegen und wir waren es auch, die ihn gecastet haben. Denn es stand von Anfang an fest, dass der neue Spider-Man in unserem Film eingeführt wird, während sein Solofilm lange nur als vage Idee existierte. Es gab noch keine Story, geschweige denn ein Drehbuch … Als wir vorgeschlagen haben, Spider-Man in den Film einzubauen, hatten wir ein exaktes Bild vor Augen, und genau diese Interpretation der Figur haben wir besetzt und verwirklicht. Wir wollten einen sehr jungen Spider-Man, denn wir fanden immer, dass es das Jugendliche an ihm ist, das ihn in der Welt der Superhelden herausstechen lässt. Deshalb haben wir auch genau danach gesucht. Wir wollten ihn auch behutsam modernisieren, so wie wir es mit Captain America gemacht haben.

Unsere sehr spezifische Idee hinter «The Return of the First Avenger» und «The First Avenger: Civil War» ist, dass wir Cap in einen modernen Kontext sowie in ein etwas realistischeres Setting versetzen möchten. Denn was Captain America wiederum für uns besonders macht, ist, dass er weder fliegen kann, noch zu einem Riesen wird, wie der Hulk, oder aus einer anderen Welt kommt, wie etwa Thor. Er ist eigentlich nur ein Mann – bloß einer, der bis an die Grenzen des Möglichen gelangt. Daher wollten wir die ihm gebührende Filmsprache von «The Return of the First Avenger» an sehr geerdet halten und so sehr ans Cinéma vérité anlehnen, wie es im Superheldenkino möglich ist. Und wenn wir Spider-Man in einem «Captain America»-Film einführen, so müssen wir versuchen, diese Ästhetik bestmöglich auch auf ihn anzuwenden. Wir wollten ihn modernisieren, statt ihn im New York der 50er existieren zu lassen, mit einer altmodischen Beziehung zu seiner Tante. Wir wollten, dass er wie ein Kind aus dem heutigen Queens wirkt, mit einem interessanten, zeitgemäßen Verhältnis zu seiner Tante. Das war der Kontext, in den das Casting eingebettet war. Die Leute von Marvel haben gewiss darüber hinausgedacht, und bereits überlegt, wie sie die Figur nach ihrem Auftritt in unserem Film gebrauchen können. Was aber meinen Bruder Joe und mich anbelangt, so hatten wir nur im Blick, jemanden zu finden, der perfekt zu dem passt, was wir für unseren Film wollten, und dass es jemand wird, den Marvel danach weiter gebrauchen kann.

Es war ein sehr aufwändiger Castingprozess, und wir haben mit einigen Kandidaten jeweils zwei Screentests gemacht – einen mit Robert Downey Junior und einen mit Chris Evans. Und dann mussten wir das auch noch streng geheim halten. Denn obwohl Marvel und Sony eine Einigung erzielt hatten, was die Nutzungsrechte dieser Figur angeht, so mussten während unseres Castings noch sehr viele Einzelheiten geklärt werden. Daher war das eine sehr sensible Angelegenheit und Sony hatte große Angst davor, dass Informationen nach außen dringen.

Marvel behandelt jeden Film einzeln, sie geben ihn allen ihren individuellen Raum, um zu atmen. Sie wollen, dass jeder Film so gut wird, wie er nur kann, und darum vermeiden sie es, dir zu viel aufzubürden.
Anthony Russo
Wie läuft der Arbeitsprozess zwischen Ihnen und Studiochef Kevin Feige ab – gibt er vorab eine Übersicht, was alles in Ihren Filmen geschehen muss, um das Filmuniversum in eine von ihm bestimmte Richtung zu lenken?
Die serielle Erzählweise des 'Marvel Cinematic Universe' ist einer der Aspekte, die an diesem Franchise so großen Spaß machen, weshalb es natürlich Verbindungen zwischen den einzelnen Filmen gibt. Aber was uns als Filmemachern ebenfalls so sehr an Marvel gefällt, ist etwas, das uns im ersten Moment bewusst wurde, in dem wir mit ihnen darüber gesprochen haben, dass wir die 'Winter Soldier'-Storyline als Grundlage für «The Return of the First Avenger» nehmen wollten. Marvel behandelt jeden Film einzeln, sie geben ihn allen ihren individuellen Raum, um zu atmen. Sie wollen, dass jeder Film so gut wird, wie er nur kann, und darum vermeiden sie es, dir zu viel aufzubürden. Bei «The Return of the First Avenger» etwa gab es nur einen Storyaspekt, den Studiochef Kevin Feige berücksichtigt sehen wollte: Er hatte die Idee, dass in diesem Film S.H.I.E.L.D. zu Grunde gehen sollte. Das Wie und Warum hat er den Autoren und uns Regisseuren überlassen. Er überlässt es stets den Filmemachern, zu entscheiden, welche Geschichte sie erzählen wollen.

Gab es auch bei «The First Avenger: Civil War» einen Wunsch seitens Kevin Feige?
Bei «The First Avenger: Civil War» gab es überhaupt keine Agenda seitens Marvel. Mein Bruder und ich haben uns monatelang mit den Autoren Christopher Markus und Stephen McFeely zusammengesetzt, um herauszufinden, welches Abenteuer wir als nächstes mit Captain America erleben wollen. Wir haben mit Kevin und dem weiteren Marvel-Team über die Möglichkeiten und unsere Ansätze gesprochen, und das war ein sehr organischer Prozess. Wichtig ist ihnen, dass man zurückblickt, und schaut, worauf man aufbaut und die bisherigen Filme achtet. Was aber die Richtung angeht, die man noch einschlagen wird – da möchte Marvel, dass man sie überrascht. Denn sie wissen, dass die Langlebigkeit ihres Franchises davon abhängt, das Vorhersehbare hinter sich zu lassen, um neue Tonfälle und Ideen anzusteuern. Das wissen sie zu schätzen, und daher lassen sie einem große Freiheit, wie du deinen Film gestaltest. Im Schnitt sind es ein oder zwei Ideen, von denen sie sich wünschen, dass du auf sie eingehst.

Wir haben Kevin erläutert, was uns mit «The First Avenger: Civil War» vorschwebt. Kevin mochte unseren Pitch. Doch es gab Widerrede von Ikes Seite des Unternehmens, die unserer Vorstellung des Filmes nicht zustimmen wollte. Und, ja, das führte zu einem Konflikt innerhalb Marvel, den schlussendlich Disney lösen musste.
Anthony Russo
In dieser Hinsicht ist es spannend, darauf einzugehen, was während der Planungsphase von «The First Avenger: Civil War» hinter den Kulissen geschehen ist: Es kam zu Spannungen zwischen der Gruppe rund um Marvel-Entertainment-CEO Ike Perlmutter und Marvel-Studios-Präsident Kevin Feige. Unter anderem über das Budget des Films und darüber, ob Tony Stark/Iron Man überhaupt im Film vorkommen soll. Die Branchenportale waren voll davon, letztlich hat Konzernmutter Disney entschieden, dass Marvel Studios nicht weiter direkt Perlmutter unterstellt sind. Manche Seiten beschrieben es so, dass Feige „Marvel Studios von Perlmutters Einfluss befreit hat“. Welchen Einfluss hatte diese ganze Situation auf Ihre Arbeit?
Das Ganze ist eine sehr spannende Hinter-den-Kulissen-Geschichte. Im Grunde lief es wie folgt ab: Wir haben Kevin erläutert, was uns mit «The First Avenger: Civil War» vorschwebt. Kevin mochte unseren Pitch. Doch es gab Widerrede von Ikes Seite des Unternehmens, die unserer Vorstellung des Filmes nicht zustimmen wollte. Und, ja, das führte zu einem Konflikt innerhalb Marvel, den schlussendlich Disney lösen musste. Daher war dieses Thema für uns durchaus eine Zeit lang ein Hindernis, weil es unseren Entwicklungsprozess erschwert hat. Aber Sie müssen wissen, dass Kevin das stets sehr gut zu handhaben wusste. Er war praktisch der Mittelsmann zwischen uns und der New Yorker Marvel-Crew rund um Ike. Deswegen musste er sich deutlich mehr mit dieser Sache herumschlagen, während wir nur selten damit zu tun hatten. Aber nun ist der Prozess wesentlich einfacher geworden, denn Kevin muss nicht weiter Ikes Segen einholen.

Joss Whedon war nach seinem zweiten «Avengers»-Film, freundlich gesagt, völlig erschöpft. Ihr habt nun bereits zwei «Captain America»-Filme inszeniert und dreht bald beide Teile von «Avengers: Infinity War». Wie stellt ihr sicher, dass ihr von dieser Maschinerie nicht niedergewalzt werdet?
Es ist sehr, sehr schwer, das stimmt. Aber das Gute ist: Es gibt ja zwei von uns. Außerdem haben wir eine riesige Passion für das Material. Wir fühlen uns als Geschichtenerzähler wohl, da wo wir sind. Die Arbeit für Marvel gehört zu den spaßigsten unserer Karriere. Es ist die Leidenschaft für das, was wir Kreieren können, die uns antreibt, und wir sind wahnsinnig glücklich, dass wir «The First Avenger: Civil War» drehen durften. Wir sind stolz auf den Film und wir wollen das mit «Avengers: Infinity War» fortsetzen. Wir wollen die Geschichte wieder in unerwartete Gefilde steuern, die das Publikum und uns selbst überraschen. Wir möchten austesten, was man mit diesen Filmen alles machen kann. Das ist unser erklärtes Ziel und wir haben Zuversicht, dass wir dazu in der richtigen Verfassung sind.

Bei diesen Filmen ist es so, dass du die gesamte Produktion um die Verfügbarkeit deiner Darsteller herumplanst. Das ist ein sehr vertrackter Prozess. Aber das ist der Deal, den du machst, um diese Filme zu verwirklichen zu können. Es ist nicht der ideale Weg, um Filme zu machen, aber man gewöhnt sich dran.
Anthony Russo
Stimmen die Berichte, dass beide Teile von «Avengers: Infinity War» in einem Rutsch gedreht werden?
Ja, es wird ein einzelner, langer Dreh. Wobei das etwas missverständlich ist, weil es suggeriert, dass es ein langer Film ist, den wir in zwei Hälften herausbringen. Dem ist nicht so. Es sind zwei unterschiedliche Filme, und der Grund dafür, dass wir diese beiden Filme am Stück drehen, ist, dass es sehr kompliziert ist, diesen Cast zu koordinieren. Bei diesen Filmen ist es so, dass du die gesamte Produktion um die Verfügbarkeit deiner Darsteller herumplanst. Das ist ein sehr vertrackter Prozess. Aber das ist der Deal, den du machst, um diese Filme zu verwirklichen zu können. Es ist nicht der ideale Weg, um Filme zu machen, aber man gewöhnt sich dran. Man muss etwas Extraarbeit leisten, doch das ist nur gerecht, denn dafür bekommst du diesen unglaublichen Cast. In «Infinity War» haben wir diesen Auflauf an Filmstars, und für Marvel ist es viel ökonomischer, wenn wir für beide Teile zusammen einen langen Drehtermin blocken, an dem die Darsteller zur Verfügung stehen sollten.

Vielen Dank für das Gespräch.
29.04.2016 14:29 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/85273