Der Doctor und seine Antikriegsrede

In der vergangenen Staffel lieferten die Autoren Peter Harness und Steven Moffat die besten Zeilen gegen den internationalen Terror.

Steckbrief

Fabian Riedner arbeitete bei TVmatrix, drehte mit taff, gründete mehrere Websites, verkaufte Sevengames an ProSieben und ist seit 2002 Chef von Quotenmeter. Er investiert regelmäßig in Start-Ups und spricht fließend Finnisch. Eine Sache war glatt gelogen.
Die britische Fernsehserie «Doctor Who» füllt viele Foren aus, die Fans diskutieren über die Darsteller, verschiedene Geschichten und eigenen Interpretationen. In der 53-jährigen Geschichte des Formates wurden viele Storys erzählt, die in fernen Galaxien spielen. Auch der Anteil der Greenbox-Szenen hat sich in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Hauptdarsteller Peter Capaldi schilderte die Arbeit im exklusiven Quotenmeter-Interview: "Wir machen dreizehn pro Jahr, einschließlich unseres Weihnachtsspecials, und damit haben wir von Januar bis September zu tun, und am Ende sind wir jedes Mal ziemlich erledigt."

Im vergangenen Jahr schrieben der ausführende Produzent Steven Moffat («Sherlock») und Peter Harness («Kommissar Wallander») eine sehr beachtenswerte Episode. Das Vereinigte Königreich respektive die Erde wurden von Aliens angegriffen, die einen Krieg auslösen wollten. Auf der Erde leben inzwischen 20 Million diese Aliens in menschlicher Gestalt, wobei die meisten Außerirdischen nur einem geregelten Alltag nachgehen wollen.

Ist es Zufall, dass diese Episode in diesen Zeiten gedreht und veröffentlicht wurde? Mit Sicherheit nicht, denn die Episode beschäftigt sich mit den aktuell laufenden Kriegen in der Welt. Die aufständigen Aliens könnten genauso Kämpfer des Islamisches Staates und von Boko Haram sein. Im vergangenen Herbst strahlte die BBC die Episode "Die Inversion der Zygonen" aus, die sich von vielen anderen Geschichten deutlich unterschied. Der Doctor versuchte die Welt nicht mit irgendwelchen Tricks und klugen Schachzügen zu retten, sondern hält eine bewegende Antikriegsrede.

Und wenn dieser Krieg zu Ende ist, wenn ihr ein Heimatland habt, frei von Menschen, was glaubst du, wie wird es sein? Habt ihr mal darüber nachgedacht? Habt ihr irgendwelche Überlegungen angestellt, denn euer Wunsch wird sich wohl bald erfüllen. (...) Wenn die Bösen alle umgebracht worden sind und alles total perfekt ist und gerecht und echt fair. Wenn alles haargenau ist, wie ihr es haben wollt, was macht ihr dann mit so sperrigen Leuten wie dir? Mit Unruhestiftern? Ja, wie beschützt ihr eure glorreiche Revolution vor der nächsten?
Der Doctor
In dieser Rede versucht der Doctor einen Krieg zu unterbinden, indem er mit den zwei verfeindenden Parteien redet. Respekt hat er weder vor den Menschen, noch vor den Aliens, denn er verurteilt ihre Ambitionen die gegnerische Rasse zu töten. Er möchte nicht, dass sich die zwei Rassen auf der Erde bekriegen und fordert: "Wisst ihr, was nachdenken ist? Das ist ein schickes Wort für 'Ich überlege es mir anders."

Diese Episode wird Folgen haben: «Doctor Who» wird unter anderem im kommunistischen China ausgestrahlt, wobei nicht sicher ist, ob diese Episode dort so gezeigt wurde. Die Episode ist eine Rede für die Demokratie und verurteilt Autokraten und Co. Zwar erreichte die Episode nur 6,03 Millionen Fernsehzuschauer im Vereinigten Königreich, aber bei den Kritikern kam die Folge sehr gut an. Die Website RottenTomates.com gab eine Weiterempfehlungsquote von 94 Prozent an, die User wählten acht von zehn möglichen Punkten.

Was möchten die BBC und die Produzenten von «Doctor Who» uns mit dieser Episode sagen? In der heutigen Zeit werden Kriege ausgerufen und internationaler Terror verbreitet. Doch was bringt das dem einzelnen Krieger? Kinder des Zweiten Weltkriegs hatten und haben die schrecklichen Taten im Kopf: Die Konzentrationslager der Deutschen, die Atombomben der Amerikaner auf Japan und die Bombardierung der deutschen Städte durch die Alliierten. In unzähligen Überlieferungen schildern Soldaten, wie anstrengend und psychisch belastend der Krieg im Schlachtgraben war. Wer das gesehen hat, hat kaum Interesse an einem neuen Krieg, sondern sucht die diplomatische Lösung. Reden ist manchmal die beste Entscheidung, denn jeder Krieg tötet schließlich.

Im Vergleich dazu ist der Krieg des Islamisches Staates gegen die westliche Bevölkerung eine kleine, aber keine leichtzunehmende Bedrohung. Die Worte des Übersetzers einen Krieg eine kleine "Lachnummer" zu nennen, sind angesichts der vielen toten Menschen suboptimal gewählt. Dennoch macht "Die Inversion der Zygonen" darauf aufmerksam, dass die Welt ständig im Fluss ist. Keine Revolution ist von Dauer, die Grenzen und politischen Strömungen verändern sich ständig.

«Doctor Who» hat mit "Die Inversion gegen die Zygonen" ein wirkliches Highlight der Fernsehgeschichte geschaffen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Szene im englischen Original sehr oft bei YouTube.com auffindbar ist und hohe Klickraten hat. Es wäre von Vorteil, wenn Autokraten (Erdogan) und Systeme (unter anderem China) sich diese Folge anschauen würden und ihr politisches Handeln danach ausrichten würden.



«Doctor Who» ist derzeit beim FOX Channel, bei einsfestival, bei Netflix und Amazon verfügbar.

Auf der nächsten Seite könnt ihr das gesamte Gespräch zwischen dem Doctor, den Aufständigen und den militärischen Funktionären der Erde nachlesen!

Doctor: Der Moment, auf den wir alle gewartet haben. Der "bilden Sie sich eine Meinung"-Moment. Der eine Knopf, wird die Zygonen töten, er setzt das Gas dieses Schwachmaten frei. Der andere zündet den Atomsprengstoff unter dem schwarzen Archiv. Er wird alle in London töten. Bonnie! Bonnie, mein Schatz! Einer dieser Knöpfe wird alle Zygonen auf der Welt demaskieren - der andere entzieht ihnen die Begabung zur Gestaltwandlung. Sie werden immer zu Menschen. Es gibt Schutzmaßnahmen für die Schutzmaßnahmen. Das war wirklich ein wichtiger Tag für mich. Und der Waffenstillstand wird halten.

Bonnie: Das ist ungerecht

Doctor: Nein, ist es nicht.

Bonnie: Du bist für all die Gewalt verantwortlich - für unser ganzes Leiden.

Doctor: Nein, bin ich nicht.

Bonnie: Doch.

Doctor: Nein

Bonnie: Doch. Du hast das alles zurechtgebogen, Doctor. Das ist allein deine Schuld.

Doctor: Nein, nein, das ist deine Schuld.

Bonnie: Ich musste tun, was ich tat.

Doctor: Tja, ich auch.

Bonnie: Wir wurden wie Vieh gehalten.

Doctor: Naja, na und?

Bonnie: Man hat uns einfach uns selbst überlassen.

Doctor: Das geht doch jeden so.

Bonnie: Das ist unfair.

Doctor: Ohhh, das ist unfair! Ohhhh, mir ist nicht in den Sinn gekommen, das es unfair ist. Soll ich dir was sagen? Meine Tardis funktioniert nicht richtig und ich habe keinen persönlichen Schneider!

Bonnie: Das kann man doch nicht vergleichen!

Doctor: Ja, so sind die Dinge aber, Zygella! So sieht's nun mal aus! Du willst Grausamkeit auf die Grausamkeit folgt! Ihr seid nicht besser als die Leute, die grausam zu euch waren. Ihr seid nur ungehobelter Haufen neuer grausamer Leute. Und euer Haufen neuer grausamer Leute ist grausam zu anderen Leuten, die am Ende wieder grausam zu euch sind. Es gibt nur eine Möglichkeit, in Frieden leben: In dem man bereit ist zu verzeihen. Fangt doch so an: Durchbrecht den Kreislauf.

Bonnie: Warum sollten wir?

Doctor: Also raus damit, was wollt ihr?

Bonnie: (Nach einer längeren Stille) Krieg!

Doctor: Ahhhhh! Ah! Ok! Und wenn dieser Krieg zu Ende ist, wenn ihr ein Heimatland habt, frei von Menschen, was glaubst du, wie wird es sein? Habt ihr mal darüber nachgedacht? Habt ihr irgendwelche Überlegungen angestellt, denn euer Wunsch wird sich wohl bald erfüllen. Wie wird es da sein? Gib mir eine Vorstellung davon. Wollt ihr in Häusern leben? Sollen die Leute zur Arbeit geben? Gibt es bei euch Feiertage? Oh! Gibt es bei euch Musik? Darf man bei euch Geige spielen, Violine? Wer baut bei euch die Geigen? Nun? Oh, das weißt du gar nicht? Denn wie jedes andere furchtsame Kind der Geschichte, das mal ausrastet, Bonnie, weißt du eigentlich nicht, was du willst. Also dann lass mich dich etwas fragen, zu dieser wunderbaren, schönen neuen Welt, die vor dir liegt: Wenn die Bösen alle umgebracht worden sind und alles total perfekt ist und gerecht und echt fair. Wenn alles haargenau ist, wie ihr es haben wollt, was macht ihr dann mit so sperrigen Leuten wie dir? Mit Unruhestiftern? Ja, wie beschützt ihr eure glorreiche Revolution vor der nächsten?

Bonnie: Wir gewinnen.

Doctor: Oh, wirklich? Na, vielleicht!?! Vielleicht werden ihr gewinnen. Aber niemand gewinnt für lange Zeit. Das Rad dreht sich einfach weiter. Also los, durchbrecht den Kreislauf.

Bonnie: Warum redest du noch?

Doctor: Weil ich möchte, dass du es einsiehst und bist fast soweit.

Bonnie: Weißt du, was ich sehe, Doctor? Ich habe eine Kiste, eine Kiste mit allen, was ich jetzt brauche. Eine fünfzigprozentige Chance.

Kate-Stewart: Die haben wir auch.

Doctor: Und los geht's! Die Hände auf die Buzzer! Glauben Sie an Ihr Glück! Seien Sie bereit zu spielen! Ja, wer wird die Schnellste sein? Wer hat das meiste Glück?

Kate-Stewart: Wir spielen hier doch nicht!

Doctor: Nein, sicher nicht, Schätzchen! Und das meine ich völlig Aufrichtig!

Bonnie: Wieso tust du das?

Kate-Stewart: Ja, das würde ich jetzt auch gerne mal wissen. Sie haben das arrangiert. Warum?

Doctor: Kate? Hier geht's doch nicht ums Spielen! Das ist ein maßstabgetreuer Krieg. Jeder Krieg, der je ausgefochten wurde, liegt da direkt vor Ihnen. Denn es ist immer dasselbe. Wenn Sie den ersten Schuss abfeuern, egal wie sehr sie sich im Recht fühlen, sie wissen nie, wen sie damit in den Tod schicken. Sie können gar nicht wissen, wessen Kinder schreien werden und verbrennen! Oder wie viel Herzen daran zerbrechen - wie viele Leben Sie zerstören - wie viel Blut vergossen wird, bis alle das tun, was sie besser gleich von Anfang an getan hätten: Hinsetzen und sich aussprechen! Ah. Hör mir zu!! Hör mir zu, man! Ich möchte doch nur, dass ihr nachdenkt. Wisst ihr, was nachdenken ist? Das ist ein schickes Wort für "Ich überlege es mir anders".

Bonnie: Ich werde es mir nicht anders überlegen.

Doctor: Dann wirst du dumm sterben! Dabei könntest du alternativ von der Kiste weg gehen. Du kannst ungehindert zur Tür hinaus gehen und dann sagst du deine Revolution einfach ab.

Bonnie: Nein! Ich sage sie nicht ab. Ich habe angefangen und bringe es zu Ende. Glaubst du, die lassen mich gehen, nach allem, was ich getan habe?

Doctor: Ihr seid alle gleich, ihr schreienden Kinder. Wisst ihr das? Sieh mich an, ich bin der Unverzeihende und hier das Unvorhersehbare: Ich verzeihe dir! Nach allem, was du getan hast. Ich verzeihe dir!

Bonnie: Du verstehst es einfach nicht. Du wirst es niemals verstehen.

Doctor: Ach, ich verstehe es nicht? Ich? Das ist doch ein Witz! Natürlich verstehe ich es! Ich meine: Nennst du das einen Krieg? Diese kleine Lachnummer? Das ist doch kein Krieg! Ich war in einem so großen Krieg, so einen großen wirst du niemals sehen, ich habe sehr viel schlimmere Dinge getan, als du dir 'träumen kannst. Wenn ich die Augen schließe, dann höre ich so viele Schreie, die kann niemand, wirklich niemand, kann die zählen. Und was macht man mit all dem Schmerz? Soll ich dir sagen, was man damit macht? Man hält ihn fest! Es verbrennt dir die Hand und dann sagst du dir das: Niemand sonst soll je wieder auf dieser Art leben müssen, niemand soll diesen Schmerz erleiden müssen - nicht, wenn ich wache halte!
24.04.2016 14:00 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/85120