Pappe und Plastik: Wie Serien die Zuschauer vergraulen

Neue Serien wie «Flash», «Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.», «The Shannara Chronicles» oder «The Man in the High Castle» sollen den Zuschauer mit viel Action und außergewöhnlichen Settings an den Fernseher fesseln. Doch für eine vernünftige Geschichte muss nicht nur das Drehbuch stimmen, es muss auch Geld in die Hand genommen werden

Serien mit Buchvorlagen sind schwer im Kommen. Schuld daran dürfte der riesige Erfolg von «Game of Thrones» sein, welcher auf George R.R. Martins „Das Lied von Eis und Feuer“ basiert. Mit «The Shannara Chronicles» und «The Man in the High Castle» werden nun weitere Romane beziehungsweise Romanserien für den Massenmarkt verwurstet. Während «The Man in the High Castle» auf dem Roman „Das Orakel vom Berge“ des Altmeisters Philip K. Dick basiert, der für die Vorlagen solcher Welterfolge wie «Blade Runner» und «Minority Report» verantwortlich ist, greift MTV mit «The Shannara Chronicles» von Terry Brooks auf einen wahren Fundus von Romanen zurück. Satte 18 Bücher gibt es im deutschsprachigen Raum zu diesem Thema (im englischen Original sind es nur sieben). Es gibt also viel zu erzählen. «The Flash» und «Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.» sind da ein wenig anders. Immerhin handelt es sich bei ihnen um Comicverfilmungen und bei «The Flash» sogar um ein Reboot der Serie «Flash – Der rote Blitz» von 1991.

Das Problem mit den Kosten


Auch die ausgefeilteste Geschichte kann den Zuschauer nur dann vor dem Fernseher halten, wenn die Optik stimmt, denn wie der Name schon sagt, ist Fernsehen ein visuelles Medium. Schaut man sich «The Flash» oder «Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.» an, kann einen schon manchmal das nackte Grauen packen. Billige Kunststoff-Kulissen und schlecht verarbeitete Kostüme sorgen höchstens für Frust statt Lust. Dabei stemmten Disney und ABC mit der Pilotfolge von «Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.» sogar die Rekordsumme von 13 Millionen Dollar. Schuld daran waren die vielen CGI-Effekte. Was nützen allerdings die besten Effekte, wenn am anderen Ende gespart wird? Die Kulissen wirken so unecht wie das Toupet von Donald Trump.

Natürlich ist klar, dass diese 13 Millionen Dollar nicht auf die Dauer von 22 Episoden gehalten werden konnten - was dazu führte, dass die Serie nach der ersten Folge immer billiger aussah. Am Ende hätten Kostüme und Kulissen nicht einmal für den Kölner Karneval gereicht. Ebenso verhält es sich mit «The Man in the High Castle». Abseits der beeindruckenden Totale bleibt nicht viel übrig. Pappmaschee-Häuser und Plastikpflanzen verleihen dem Ganzen den Eindruck einer Billig-Serie. Immerhin kostete hier eine Folge „nur“ eine Millionen Dollar.

Es fühlt sich nicht echt an


Unter den schlechten Settings leiden die Serien gewaltig. «Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.» hatte zuletzt mit einem massiven Zuschauerrückgang zu kämpfen. Das dürfte sicherlich auch am Aussehen gelegen haben. «The Man in the High Castle» und «The Shannara Chronicles» ereilte dieses Schicksal noch nicht. Allerdings haben diese Serien noch den Vorteil einer guten Vorlage. Es bleibt abzuwarten, wie lange die interessante Geschichte die Zuschauer halten kann. «The Shannara Chronicles» macht wenigstens eine Sache besser als die hier genannte Konkurrenz: Es wird sehr viel an realen Orten gedreht. Das wertet die Serie auf. Kostüme und Beleuchtung wiederum lassen den Zuschauer frösteln. Gummi-Schulterpolster, Plastikharnische und Kunstharzhelme beleidigen das Auge.

Hier sei der Vergleich zum thematisch naheliegenden Konkurrenten «Game of Thrones» erlaubt. Denn beim Primus ist nicht nur die Story fesselnd. Auch Kostüme und Ausstattung sehen nahezu realistisch aus. An das Budget der High Class Serie kommt «The Shannara Chronicles» zwar nicht ran, liegt mit 3,5 bis vier Millionen Dollar pro Folge aber auch nicht allzu weit entfernt. Da sei die Frage erlaubt, ob man nicht besser in heimischen Wäldern gedreht und mehr Geld in die Kostüme gesteckt hätte, anstatt Crew und Ausrüstung nach Neuseeland zu schleppen. So oder so haben alle Serien durch die mindere Ausstattung eines gemeinsam: Sie fühlen sich nicht authentisch an, sondern wirken eher wie ein Theaterstück der Klasse 7b der städtischen Gesamtschule.

Weniger neue, aber mehr gute Serien


Was lässt sich dagegen tun? Nun, schaut man sich die letzten großen Erfolgsserien an, kommt es neben einer spannenden Geschichte und interessanten Charakteren eben auch auf eine realistische Welt an. «Breaking Bad», «True Detective» und «The Walking Dead» sind dafür nur drei Beispiele. Alle drei Serien wurden an realen Orten gedreht, mit realistischen Lichteffekten und greifbaren Kulissen. Die Motoren hinter diesen Serien sind AMC und HBO. Beide Sender sind bekannt für ihre gewissenhafte Arbeit. Nun sind gewissenhafte Sender ein zweischneidiges Schwert. Einerseits haben es Drehbuchautoren extrem schwer ihre Ideen bei diesen Sendern an den Mann zu bringen. Andererseits stehen HBO und AMC aber auch auf Gedeih und Verderb hinter den Ideen, sollten sie sich dafür entschieden haben. Kosten spielen dann eher eine untergeordnete Rolle (ein Negativbeispiel ist die Serie «The Wire», welche im Fernsehen floppte, allerdings heute von vielen Kritikern als beste Serie aller Zeiten bezeichnet wird. HBO fuhr damals riesige Verluste ein).

Vergleicht man die Neustarts der Sender alleine im zweiten Halbjahr 2015 fällt der Unterschied auf. Alleine ABC (u.a. «Mavel’s Agents of S.H.I.E.L.D.») startete zehn neue Serien. Ebenso FOX. NBC launchte sogar 14 neue Serien seit Juni 2015. Zum Vergleich: Sowohl HBO als auch AMC starteten in der gleichen Zeit gerade einmal eine Serie (HBO: «Ballers», AMC: «Into the Badlands»). Immerhin halten sich Amazon, Netflix und The CW («The Flash») mit jeweils vier neuen Serien noch zurück. Alle drei Sender beziehungsweise VOD-Anbieter sind allerdings recht neu im Geschäft und versuchen sich mit eigenproduzierten Serien auf dem hart umkämpften Markt durchzusetzen. Natürlich schaffen es nicht alle Serien nach Deutschland und alleine der Weg über den Atlantik dürfte ein gewisses Qualitätssiegel sein. Trotzdem bleibt die Auswahl der neuen Serien schier unüberschaubar. Oftmals versenkt der Zuschauer kostbare Stunden in eine Sendung, bevor er aufgibt und erkennt, dass es sich hier um eine Serie minderer Qualität handelt. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass die Sender weniger, aber dafür hochqualitative Serien produzieren. Dem Auge wäre damit schon sehr geholfen.
29.03.2016 20:31 Uhr  •  Alexander Scherb Kurz-URL: qmde.de/84617