'Es gibt bei Disney keine Zensur-Hürde'

Quotenmeter.de hat die «Zoomania»-Regisseure Byron Howard und Rich Moore sowie den Disney-Produzenten Clark Spencer zum Roundtable-Interview getroffen. Es entstand ein Gespräch über Risiken, Inspiration und den schwindenden Unterschied zwischen Disney und Pixar.

Über Byron Howard, Rich Moore und Clark Spencer

Byron Howard war bei Disney viele Jahre lang als Zeichentrick- und Computertrick-Animator tätig. 2008 inszenierte er mit Chris Williams «Bolt – Ein Hund für alle Fälle», danach führte er mit Nathan Greno Regie bei «Rapunzel – Neu verföhnt». Rich Moore gehörte zu den frühen Regisseuren bei den «Simpsons» und wechselte später zu «Futurama». Mit «Ralph reicht's» feierte er sein Debüt bei Disney. Clark Spencer war früher Geschäftsmann und leitet eine Zeit lang die finanziellen Geschicke der Walt Disney Animation Studios. Mit «Lilo & Stitch» wechselte Spencer ins Metier der Filmproduktion.
Die Faultierszene ist einer der ganz großen Kracher in «Zoomania». Der Trailer, der Ausschnitte aus ihr zeigt, bringt immer den ganzen Saal zum Lachen. War die Konzeption dieser Szene ein schwieriger Prozess, wurde sie etwa im Laufe der Produktion kürzer, um den Film nicht zu sehr auszubremsen?
Rich Moore (großes Foto, untere Reihe, links): Nein, im Gegenteil. Wir haben sie immer länger gemacht. Die Entstehung dieser Szene war im Grunde wie der Große Knall im Rahmen der Filmproduktion. Es ging sehr schnell und plötzlich war was Großes da. (lacht) Ich glaube, am Konzept der Szene saßen wir nur einen Tag. Wir haben sie dann John Lasseter gezeigt, der die Idee von Faultieren, die bei der Zulassungbehörde arbeiten, urkomisch fand. Dann haben wir die einzelnen Pointen innerhalb der Szene gemeinsam mit John ausgetüftelt. Ab dann begann dieser mühselige Prozess, den ich immer mit der Arbeit eines Schäfers vergleiche: Du hast deine Herde an Ideen, und musst sie durch jede einzelne Phase der Produktion geleiten, ohne dass eine verloren geht. Du hoffst, dass die Elemente deines Konzepts immer besser werden, und nicht etwa ein kreativer Funke zurückbleibt. Und bei der Faultierszene war es so, dass ich bei jeder Etappe die Befürchtung hatte, dass nun das Timing nicht mehr funktionieren würde. Im Animationsprozess haben wir dann festgestellt, dass die Pausen, die wir im Storyboard gelassen haben, nicht lang genug sind. Also wurde die Szene länger und länger, bis wir dachten: „Oh nein, jetzt ist sie zu lang!“ Doch dann haben wir sie unserer Crew vorgeführt und kurz darauf auf dem Annecy International Animation Film Festival. Da haben wir festgestellt, dass sie einschlägt wie eine Bombe! Die Leute sind durchgedreht vor lachen! Byron und ich, wir haben uns da nur verdutzt angeblickt: „Oh nein, was haben wir da nur erschaffen?!“ (lacht)

Um mit einer Detailfrage weiterzumachen: Es gibt in «Zoomania» einen sehr schönen Gag, wenn der Fuchs Nick Wilde das Fell auf dem Kopf eines Schafs berühren möchte. Wie kam der zustande?
Rich Moore: Ich erinnere mich nur noch, wie bei dem Gag jemand meinte: „Das können wir nicht machen! Das ist zu brisant!“ Einige Leute mögen es einfach nicht, wenn ihr Haar angetatscht wird … (lacht)

Byron Howard (untere Reihe, Mitte): Es ist manchmal wirklich schwer, zu rekonstruieren, wo eine Idee herkommt. Denn vieles entsteht, während eine Gruppe von Künstlern zusammensitzt und Vorschläge in den Raum wirft. Oft sagt jemand etwas, und löst damit eine Lawine an Reaktionen und Ideen aus, die darauf basieren. Und die meisten Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, gehören nicht zu dem Menschenschlag, der Ideen für sich beansprucht.

Rich Moore: Genau. Es kommt sehr, sehr selten vor, dass jemand darauf pocht, dass es ja seine Idee war.

Byron Howard: Es gibt dieses allgemeine Verständnis, dass alle Ideen sofort dem ganzen Filmteam gehören.

Clark Spencer (untere Reihe, rechts): Und hinzu kommt, dass wir viel testen. Wir nehmen unsere Filme und zeigen sie vorab einem Publikum, um festzustellen, welche Ideen aufgehen, und was die Zuschauer als organisch zur im Film entworfenen Welt verstehen – oder was sie eben nicht akzeptieren. Das ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit, dass wir aus unseren Büros rausgehen und mit Leuten von außen sprechen: Sind wir zu weit gegangen, ist es genau richtig, können wir uns noch etwas weiter aus dem Fenster lehnen ..?

Ich glaube, wir haben alle dieses gemeinsame Verständnis, dass wir zwar den erwachsenen Kinogängern sehr viel Spaß bereiten wollen und auch für uns selbst gewisse Dinge einstreuen, letzten Endes aber einen Film machen möchten, der jedem gefällt. Und das bedeutet, dass unsere Filme auch für Kinder geeignet sind. Ich denke, wir haben einfach nicht diesen Drang dazu, richtig unerhörte Dinge zu machen, weil wir so schon sehr viel Spaß mit der von uns erschaffenen Welt haben. Ich mag den Gedanken, dass der Film intelligent und kernig ist, und dass in ihm Referenzen sind, die nur Erwachsene verstehen, ohne dass es Kinder gleich verprellt.
«Zoomania»-Regisseur Byron Howard
Gab es Szenen, Figuren oder Gags, bei denen es Ihnen schwer fiel, diese der Disney-Geschäftsführung schmackhaft zu machen?
Byron Howard: Interessanterweise gibt es bei Disney keine Zensur-Hürde, die wir als Filmemacher nehmen müssten. Wir überwachen uns gewissermaßen selber, indem wir kritisch unsere eigenen Filme begutachten. Und ich glaube, wir haben alle dieses gemeinsame Verständnis, dass wir zwar den erwachsenen Kinogängern sehr viel Spaß bereiten wollen und auch für uns selbst gewisse Dinge einstreuen, letzten Endes aber einen Film machen möchten, der jedem gefällt. Und das bedeutet, dass unsere Filme auch für Kinder geeignet sind. Ich denke, wir haben einfach nicht diesen Drang dazu, richtig unerhörte Dinge zu machen, weil wir so schon sehr viel Spaß mit der von uns erschaffenen Welt haben. Ich mag den Gedanken, dass der Film intelligent und kernig ist, und dass in ihm Referenzen sind, die nur Erwachsene verstehen, ohne dass es Kinder gleich verprellt. Die «Breaking Bad»-Anspielungen zählen dazu, und auch die Hommage an «Der Pate». Es ist faszinierend, sich «Zoomania» mit einem großen Publikum anzuschauen und darauf zu achten, wann welche Altersklasse wie stark lacht. Bei der «Pate»-Sache etwa haben bei der Premiere alle über 30 herzlich gelacht, während die Kleinen wohl nur dachten: „Ach, guck mal. Eine kleine Spitzmaus.“

Rich Moore: Oft kommen Leute wegen der Nudisten-Club-Szene auf uns zu und fragen: „Wie habt ihr das nur durchgekriegt, so viel Nacktheit darzustellen? Habt ihr nicht Riesenärger mit Bob Iger oder Alan Horn bekommen?“ Dabei hat sich nie irgendjemand über die Szene beschwert. Es haben immer alle gelacht, weil sie verstanden haben, welchen psychologischen Trick wir mit der Szene vollführen: Wir packen sprechende Disney-Tiere in Kleidung, und wenn wir sie wieder wegnehmen, ist es auf einmal gewagt. Und darauf lenken wir die Aufmerksamkeit der Zuschauer: Würden wir diese Figuren aus dem Nudisten-Club in jedem anderen Animationsfilm über sprechende Tiere zeigen, wäre es jedem vollkommen egal. Aber weil sie in diesem Film auftauchen, wo alle anderen Tiere bekleidet sind, und wir betonen, dass Nacktsein in der Welt von «Zoomania» was Besonderes ist, tun alle geschockt: „Wie könnt ihr nur?“ (lacht)

Gab es während des «Zoomania»-Recherchetrips nach Kenia besonders einschneidende Momente, die den Film beeinflusst haben?
Byron Howard: Als ich aus dem Flugzeug ausgestiegen bin, hatte ich noch überhaupt keine Ahnung, was mich in Afrika erwartet. Aber mir wurde sofort klar, dass dort eine ungewöhnliche Friedfertigkeit in der Luft lag. Wir waren in einem Gebiet, meilenweit entfernt vom menschlichen Einfluss, und wir haben uns Tiere angesehen, die noch immer so leben, wie sie vor Tausenden von Jahren gelebt haben. Und wir haben unser Lager wenige Meter neben einem Wasserloch aufgeschlagen, wo wir sehr interessante Bilder zu sehen bekommen haben: Es kam immer wieder vor, dass etwa ein Zebra ans Wasserloch kam, und sich dann kurze Zeit später ein paar Meter daneben ein Löwe dazugesellt hat. Und wir dachten: „Äh? Muss der Löwe das Zebra denn jetzt nicht anfallen?“ Und dann haben die sich gelangweilt angeguckt und sind getrennter Wege gegangen! (lacht)

Rich Moore: Du dummer Löwe, dir wurde dein Essen auf dem Silbertablett serviert!

Byron Howard: Wir haben da die Beobachtung gemacht, dass Wasserlöcher viel von Städten haben. Städte sind Orte, wo völlig unterschiedliche Leute zusammenkommen, ihr Tagwerk verrichten und irgendwie miteinander klarkommen müssen. Und dabei gibt es einen gewissen Grundrespekt, den man einander zollt. Also dachten wir uns: Beutetiere und Jagdtiere kommen sicher nicht immer miteinander klar, sie haben sicher einander Vorurteile, doch es wird wohl soziale Regeln geben, die ihnen dabei helfen, trotzdem nebeneinander und miteinander zu leben. Darauf haben wir den Film aufgebaut.

Rich Moore: Und am Ende kam raus: Der Löwe war einfach satt! (lacht)

Clark Spencer: Das Tolle am Trip war, dass er nicht nur das Storyteam vorangebracht hat, sondern auch die Animatoren. Die haben zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Monaten recherchiert, aber nun hatten sie die Gelegenheit, zwei Wochen lang von Tieren umgeben zu verbringen. Diese Erfahrung hat ihnen klar gemacht, dass sie sich noch nicht genug angestrengt hatten, dafür zu sorgen, dass die Tiere auch wie Tiere wirken. John Lasseter hat immer gesagt: „Ich will nicht, dass es nur Menschen in Tierkostümen sind. Sie müssen individuelle Eigenschaften haben, die sie als Tiere ausmachen.“ Ein Beispiel dafür ist der Elefanten-Eisverkäufer in «Zoomania»: Da die Tiere in unserem Film auf zwei Beinen laufen, könnte der Elefant rein theoretisch seine beiden anderen Beine als Arme benutzen. Wir wollten aber, dass unsere Tiere viel von dem haben, was sie in der Wildnis ausmacht, und echte Elefanten nutzen ihren Rüssel als Arm. Also haben unsere Animatoren beschlossen, den Elefanten-Eisverkäufer mit seinem Rüssel die Eiskugeln machen zu lassen. Das scheint zwar offensichtlich, aber erst dieser zweiwöchige Trip hat klar gemacht, dass es nicht anders geht! Das ist eine Lektion, die uns John Lasseter gelehrt hat: Man kann sich immer einreden, etwas zu wissen, man kann immer etwas im Netz nachschlagen oder einen Experten ins Studio einladen, der uns Sachen erklärt. Und das machen wir auch, aber es ist unerlässlich, sich tief in die Materie zu begeben – etwa durch einen Recherchetrip.

Der Film ist ja sehr detailverliebt. Wie viele Disney-Easter-Eggs haben sich in «Zoomania» versteckt?
Rich Moore: Genau eines! (lacht)

Byron Howard: Ich glaube, in dem Film sind Easter Eggs, von denen wir selber teilweise noch nicht wissen.

Rich Moore: Es ist selbst für uns unmöglich, alles zu sehen, was im Film drinsteckt. Und wir haben schon viel in ihm entdeckt!

Byron Howard: Aber die Sache ist, dass Leute gerne was im Film verstecken. Seien es Animatoren oder Mitglieder des Layout-Teams … Wir versuchen natürlich, das zu koordinieren.

Rich Moore: „Keine «Der König der Löwen»- Sperenzchen! Wehe, irgendjemand schreibt mit Blättern irgendwelche komischen Dinge in den Himmel! Und ich will auch keine fragwürdigen Schlosstürme haben, die nach bestimmten Teilen der männlichen Anatomie aussehen!“

Byron Howard: Sowas haben wir hinter uns gelassen! (lacht)

Rich Moore: Naja, die Leute sehen eh, was sie sehen wollen … (lacht)

Byron Howard: Aber wenn wir zum Beispiel Nick in einer Pfadfinder-Uniform zeigen: Die Zahlen auf seiner Uniform sind das Geburtsdatum unseres Character-Designers.

Rich Moore: Ich garantiere: Alle Zahlen und Initialen bedeuten was.

Byron Howard:: Außerdem versteckt sich ein Stoff-Micky im Film.

Rich Moore: Und Unmengen von diesen Hidden-Micky-Silhouetten …

Byron Howard: Sogar auf Clawhauser, dem pummeligen Geparden am Polizeiempfang, ist solch ein Hidden-Micky.

Rich Moore: Und mehr spaßige Referenzen auf frühere Disney-Filme als je zuvor.

Byron Howard: Es ist sicher der Disney-Animationsfilm mit den meisten Meta-Gags und den meisten selbstreferenziellen Momenten.

Rich Moore: Ich denke, das Genre schreit auch danach. Filme mit sprechenden Tieren sind per se ein Spiegelbild unserer Welt, und je zeitgemäßer diese Welt auf humoriger Ebene gestaltet ist, desto glaubwürdiger und besser wird die Geschichte.

Byron Howard: Ich glaube, Duke Weaselton schießt aber den Vogel ab.

Rich Moore: Zur Erklärung: In der englischen Fassung spricht Alan Tudyk, der auch in den drei vorherigen Disney-Animationsfilmen eine Rolle hatte, ein Wiesel, das ein Dieb ist. Und jemand aus dem Storyteam meinte, wir sollten diese Figur Duke nennen, als Anspielung auf den Duke of Weselton aus «Die Eiskönigin». Daraus wurde die Entscheidung, die Figur Duke Weaselton zu nennen, und ihn einmal aus Versehen als Weselton anzusprechen. So eine Meta-Spielerei können wir nur in solch einem Film wie «Zoomania» machen.

Auf der nächsten Seite spricht das «Zoomania»-Team über den steinigen Produktionsprozess. Außerdem verrät Byron Howard, weshalb er so gern seine Regiepartner wechselt.

Manchmal muss ich mich selber daran erinnern, dass alles, woran ich zu Beginn einer Produktion arbeite, höchstwahrscheinlich nicht im fertigen Film landen wird. Aber das sind alles unerlässliche Schritte, die einen zur nächsthöheren Ebene führen, wo der eigentliche Film wartet.
«Zoomania»-Regisseur Rich Moore
«Zoomania» hat sich im Laufe der Produktion ja sehr gewandelt …
Byron Howard: Genau. Als ich den Film dem Storytrust erstmals vorgeschlagen habe, war es noch ein Agentenfilm mit sprechenden Tieren. Und die anderen Regisseure im Storytrust haben mir wegen der Agentensache keine Ruhe gelassen. Sie mochten das einfach nicht und meinten: „Die Agentensache funktioniert nicht, aber dein erster Akt, in dem du zeigst, wie die verschiedenen Tiere zusammenleben, der ist interessant! Das hat es in der Form noch nicht gegeben, wieso ist nicht der ganze Film so?!“ Und somit habe ich das Agentenelement rausgeworfen. Der frühe Produktionsprozess handelt bei Disney generell von zwei Dingen: Erstens, herauszufinden, was deine Kreativität zum Sprühen bringt. Und zweitens, herauszufinden, was alle Anderen aus deiner Idee herauslesen. Wenn ich jetzt auf «Zoomania» blicke, so hat er gar nichts mit dem gemeinsam, was ich mir damals beim Pitch ausgemalt habe. Der fertige Film ist das, was entsteht, wenn jeder zu diesem kleinen Ideen-Saatkorn einen Beitrag leistet. Und daher ist er so reichhaltig, detailliert und vielschichtig. Er ist so, weil ihn so viele Leute bereichert haben.

Rich Moore: Das ist das Verrückte an unserem Prozess. Und manchmal muss ich mich selber daran erinnern, dass alles, woran ich zu Beginn einer Produktion arbeite, höchstwahrscheinlich nicht im fertigen Film landen wird. Aber das sind alles unerlässliche Schritte, die einen zur nächsthöheren Ebene führen, wo der eigentliche Film wartet.

Clark Spencer: Wir sagen immer: Hier, an diesem Punkt ist die eigentliche Story. Wir starten aber hier, ganz weit davon entfernt, und begeben uns auf eine total verrückte Reise, um den Weg zur Story zu finden. Um dann rückblickend zu sagen: Das hätte auch einfacher gehen können. Aber es wäre nicht einfacher gegangen! Das ist ja die Herausforderung beim Geschichtenerzählen.

Rich Moore: Und so geht das schon seit «Schneewittchen und die sieben Zwerge» …

An Stelle des Agentenfilms ist ja ein Buddy-Cop-Element getreten. Haben Sie sich irgendwelche Ermittler-Duos zur Vorbereitung noch einmal genauer angeschaut?
Byron Howard: Vor allem «Der dünne Mann» war eine große Inspiration …

Rich Moore: Ja, Nick und Nora Charles. Deren Filme sind große Klassiker. Und dann gab es in den 80ern eine Serie mit sehr ähnlich tickenden Figuren: «Das Model und der Schnüffler» mit Bruce Willis und Cybill Shepherd, die uns ebenfalls inspiriert hat.

Byron Howard: Dann natürlich «Nur 48 Stunden» und «Lethal Weapon» … Eigentlich alle tollen 80er-Cop-Filme …

Rich Moore: «Beverly Hills Cop» würde ich noch nennen. Das ist zwar nicht wirklich ein Buddy-Cop-Movie, weil Axel Foley auf eigene Faust ermittelt, aber er hat dieses Feeling … Wir lieben diese Filme einfach.

Byron Howard: Und die Filme von Frank Capra waren ein wichtiger Einfluss. Wenn man sich Judy anschaut: Sie ist eine typische Capra-Heldin, mit einem sehr reinen Kern. Und der Film handelt davon, dass immer mehr auf Judys Reinheit eindrischt, so dass sich die Frage stellt, ob diese Unverdorbenheit in der zynischen Welt bestehen kann. Das ist eine Sache, die Frank Capra meisterlich verstand, weshalb seine Filme so gut sind: Sie handeln von einer reinen Figur, und auch wenn sie teils sehr naiv ist, so hofft man, dass sie sich ihre Reinheit wenigstens zum Teil bewahren kann. Das wollten wir rekreieren.

Mr. Howard, wie unterscheidet sich die Arbeit mit Rich Moore als Regiepartner von der mit Nathan Greno?
Die Kollegialität gehört zu den Sachen, die sich seit John Lasseter und Ed Catmull das Studio leiten, sehr stark verbessert haben. Ich glaube, das liegt daran, dass sie von Pixar die Idee des Braintrusts rübergebracht haben. [...] Ich kann nicht in Worte fassen, wie erfüllend es ist, an einem Arbeitsplatz tätig zu sein, wo man so kollaborativ ist. Ich weiß, das klingt nach Werbegerede, doch das ist wirklich so.
«Zoomania»-Produzent Clark Spencer
Byron Howard: Oh, man, es ist soooo, so viel besser mit Rich! (lacht)

Rich Moore: Dieser doofe Nathan aber auch ... Du hast so viel über ihn geklagt! (lacht)

Byron Howard: Ja, ich hasse ihn! (lacht)

Rich Moore: Jetzt habe ich Angst davor, was du über mich sagen wirst, wenn du bei deinem nächsten Film gefragt wirst, wie es war, mit mir zusammenzuarbeiten … (zieht ein gespielt trauriges Gesicht)

Byron Howard: Aber jetzt mal im Ernst: Ich habe nun bei drei Filmen Regie geführt, und das stets mit einem anderen Partner. Wir Regisseure sehen uns und den Produzenten – in diesem Fall Clark – während der Produktion öfter als unsere Familien, und lernen uns daher sehr gut kennen. Und daher finde ich es großartig, dass ich mit verschiedenen Kollegen so eng zusammenarbeiten durfte. Rich und ich, wir kannten uns vor «Zoomania» nur oberflächlich. Wir waren uns sympathisch und haben einander immer im Flur gegrüßt, aber diese Filme verlangen, dass man sich besser kennt als seinen eigenen Lebenspartner und zu einer Familie wird. Ich musste lernen, was Rich glücklich macht …

Rich Moore: Tja … nichts! (lacht)

Byron Howard: … und was Rich kreativen Antrieb gibt …

Rich Moore: Wieder nichts! (lacht)

Byron Howard: Und ich musste lernen, was Clark gern hat, und die Beiden mussten auch mich besser kennenlernen. Ich denke, dass dieser Prozess dafür sorgt, dass wir als Filmemacher über uns hinauswachsen. Rich bringt seine Erfahrungen und Perspektive ein, die etwa wegen seiner Vergangenheit bei den «Simpsons» ganz anders ist als meine. Und Clark hat bei Disney Filme produziert, bei denen ich gar nicht beteiligt war, und ich bringe meine eigenen Erfahrungen mit, als jemand, der sehr lange selber animiert hat. Wenn man das zusammenwirft, gibt es der Unterschiede zum Trotz auch Dinge, die sich überschneiden, und die lassen einen zusammenwachsen. Was enorm wichtig ist, denn eine Filmproduktion kann eine Mordsarbeit darstellen, und es ist schön, wenn man am Ende sagen kann: „Das war zwar hart, aber wir haben es gemeinsam durchgehalten!“ Auch unsere Europa-Tour, bei der wir nun den Film in verschiedenen Ländern vorführen, ist sehr bereichernd für uns, weil es uns hilft, gemeinsam über die Erfahrung und den Film zu reflektieren.

Rich Moore: Es gibt Schreckensgeschichten über Film- oder Regie-Teams, die sich auf den Tod nicht ausstehen konnten. Und ich kann mich nicht in diese grausame Situation hineinversetzen! Ich habe nur ein begrenztes Maß an Verstand und Energie (lacht), und die stecke ich in den Film. Die Vorstellung, dann noch Feindseligkeiten mit dem Regiepartner und/oder dem Produzenten durchstehen zu müssen … Keine Ahnung, ich glaube, die Leute, die das können, sind Übermenschen! (lacht)

Clark Spencer: Die Kollegialität gehört zu den Sachen, die sich seit John Lasseter und Ed Catmull das Studio leiten, sehr stark verbessert haben. Ich glaube, das liegt daran, dass sie von Pixar die Idee des Braintrusts rübergebracht haben. Das führte dazu, dass sich Rich und Byron schon kannten. Obwohl sie noch nie an einem Film zusammengearbeitet haben, haben sie sich schon öfter getroffen und Rückmeldung zu ihren jeweils eigenen Filmen gegeben, Ideen ausgetauscht und zusammen Problemlösungen ausgeknobelt. Ich kann nicht in Worte fassen, wie erfüllend es ist, an einem Arbeitsplatz tätig zu sein, wo man so kollaborativ ist. Ich weiß, das klingt nach Werbegerede, doch das ist wirklich so.

Byron Howard: Es ist auch immer wieder schön, alte Regie-Partner auf dem Flur zu treffen. Neulich bin ich Nathan Greno begegnet, und wir haben uns länger über seinen nächsten Film unterhalten und ich darf nichts davon wiedergeben! (lacht) Und als Chris Williams für «Baymax – Riesiges Robowabohu» den Oscar gewonnen hat, habe ich mich enorm für ihn gefreut. Das Studio ist schon ein sehr heimeliger Ort.

Auf der nächsten Seite: Die «Zoomania»-Macher über die Auswahl, welche Tiere im Film vorkommen, und über den Komponisten Michael Giacchino.

Wir Menschen tendieren dazu, wann immer wir einen Affen sehen, zu sagen: „Das Tier ist mir am ähnlichsten, also ist das am intelligentesten!“ Wir wollten aber eine Welt erschaffen, wo es keine solchen Abstufungen an Intelligenz unter den Tieren gibt, darum mussten die Affen aus «Zoomania» weichen
«Zoomania»-Regisseur Byron Howard
Weshalb gibt es in «Zoomania» keine Vögel, Fische, Hunde oder Katzen?
Rich Moore: Wir mussten uns Grenzen setzen, und eine davon war: Weil es keine Menschen gibt, gibt es auch keine domestizierten Tiere. Also keine Hunde und Katzen, dafür aber Wölfe und Raubkatzen. Und weil sich die Story um die Beziehung zwischen Raubtier und Beutetier dreht, haben wir zudem beschlossen, alle Tiere zu ignorieren, die nicht ganz klar in eine dieser Kategorien eingeordnet werden können. Darum haben wir uns auf Säugetiere beschränkt, weil da die Kontraste größer sind als etwa bei Vögeln oder Fischen.

Byron Howard: Außerdem haben wir auf Affen verzichtet. Denn wir Menschen tendieren dazu, wann immer wir einen Affen sehen, zu sagen: „Das Tier ist mir am ähnlichsten, also ist das am intelligentesten!“ Wir wollten aber eine Welt erschaffen, wo es keine solchen Abstufungen an Intelligenz unter den Tieren gibt, darum mussten die Affen aus «Zoomania» weichen. Darüber hinaus haben wir Waschbären rausgenommen, weil sie zwar tendenziell Raubtiere sind, manchmal aber doch gejagt werden … Und dennoch sind wir auf 64 Tierarten gekommen!

Wie war die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Michael Giacchino, der ja bereits sehr viel Musik für Ihre Kollegen von Pixar geschrieben hat?
Rich Moore: Michael hat einen richtig schelmischen Sinn für Humor. Als wir so weit waren, uns der Filmmusik zu widmen, haben wir bereits einen sehr langen, schlauchenden Produktionsprozesss durchlaufen. Und mit Michael zusammenzuarbeiten, der so freundlich ist und dessen Arbeit ich so sehr verehre, war für mich extrem aufregend! Als wir uns das erste Mal mit ihm getroffen haben, waren wir völlig erschöpft, so, als hätten wir gerade einen Marathon gelaufen. Aber es war so erfrischend, sich mit ihn zu treffen. Er hat uns zu sich nach Hause eingeladen, und er war so zuvorkommend und lustig. Er ist einer von uns, er ist ein totaler Geek! Er hat alle möglichen Sammelstücke zu «Planet der Affen» und «Star Wars», auch Sachen aus seiner Kindheit, weil seine Mutter alles aufgehoben hat. Durch sein Haus zu gehen, war, als wäre man wieder Kind und besucht staunend einen Freund, der viel mehr Spielzeug hat! Ich wurde so neidisch und dachte die ganze Zeit: „Das hatte ich auch mal. Dann hat meine Mutter es weggeworfen! Ich glaube, meine Mama hat mich nicht lieb!“ (lacht) Es hat mit Michael einfach gepasst: Als wir uns kennengelernt haben, war es auf Anhieb so, als wären wir seit Jahrzehnten Freunde. Und er geht so passioniert an die Arbeit, er kann richtig gute Witze machen …

Byron Howard: … er hat ein fantastisches Gespür fürs Geschichtenerzählen …

Rich Moore: … und er ist ein großartiger Teamplayer. Welches Bild auch immer Sie von ihm als Künstler haben: Er ist noch besser.

Clark Spencer: Das Besondere an Michael Giacchino, und das verehre ich sehr: Er nimmt ein Projekt nur an, wenn er eine Bindung zum Film verspürt. Als wir zu Tom MacDougall, dem Head of Music bei Disney, gegangen sind und ihm unseren Wunsch äußerten, Michael für «Zoomania» anzuheuern, hat er uns erklärt: „Michael arbeitet so: Er kommt her, und ihr erklärt ihm den Film. Er liebt Disney, er liebt John Lasseter, und gerade das kann bedeuten, dass er absagt. Das ist nichts gegen euch persönlich, aber das bedeutet, dass es in der Story oder bei den Figuren Elemente gibt, die dazu führen, dass er nicht über dazu passende Musik nachdenken kann. Und das bedeutet, dass er absagt.“ Entsprechend nervös sind wir ins Meeting gegangen, aber auch mit diesem Silberstreifen an Hoffnung am Horizont …

Rich Moore: „Bitte, bitte, mag mich!“

Clark Spencer: Und es hat auf Anhieb gefunkt! Er hat daraufhin eine 8-minütige Suite geschrieben, ohne dazugehöriges Bildmaterial. Sie sollte nur ausdrücken, wie er sich nach dem Pitch fühlt: „Wenn ich an Judy denke, fühle ich folgendes, wenn ich an Nick denke, spüre ich dieses, und wenn ich an beide zusammen denke, kommt das hier bei raus …“ Als er das vorgespielt hat, wurden wir schon emotional, und dachten, dass es eine richtig tolle Zusammenarbeit wird. Aber dann ist Michael noch einen Schritt weitergegangen. Er ging zu Bernie Dresel, einem großartigen Drummer, der in mehreren Filmen schon das Schlagzeug eingespielt hat, und meinte zu ihm: „Ich weiß zwar nicht, wie du das machst, aber es muss sich tierisch anhören. Wann immer du das Schlagzeug spielst, will ich an Tiere denken!“ Michael hat nur das zu ihm gesagt und gemeint, dass er ihm vertrauen würde. Das nächste Mal haben sie sich im Tonstudio getroffen, und Bernie hat jede Trommel mit einem Tiersymbol versehen. Außerdem hat er das Schlagzeug umgebaut: Die Kick Drum war ein großer, metallener Waschzuber, und er hat neben sich ein Ölfass aufgebaut, das mit einer bestimmten Menge Öl gefüllt war, um ein besonderes Geräusch zu erzeugen. Alle Schlagzeug-Elemente im Film wurden mit diesem Gerät gespielt. Es ist brillant und andersartig, und das haben wir Michael zu verdanken, weil er Bernie sein volles Vertrauen geschenkt hat.

Rich Moore: Ja, Michael ist ein Genie. Und er hat auch seine Hausaufgaben gemacht: Irgendwann meinte er, er habe Pete Docter und Brad Bird über uns ausgefragt, ob wir denn cool seien und Ahnung hätten. (lacht) Michael arbeitet nur mit Leuten, die er schon kennt, oder für die Leute, die er mag, bürgen. Daher war es eine umso größere Ehre, dass er uns akzeptiert hat.

Mir wurde gesagt, dass es tatsächlich einen Zeitpunkt gab, kurz nachdem Disney Pixar gekauft hat, an dem jemand auf Konzernseite den Vorschlag gebracht hat: „Disney macht ab sofort nur noch Musical-Märchenfilme und Pixar macht zeitgemäße Geschichten, die aus dem Rahmen fallen!“ [...] Es will mir gar nicht in den Kopf, dass jemand das ernsthaft durchsetzen wollte. Wie schlimm wäre das? „So, Leute, ihr macht jetzt noch einen Märchenfilm! Ihr braucht eine Prinzessin! Und ihr, Leute, ihr macht einen Film, in dem vermeintlich leblose Gegenstände ein geheimes Leben führen, sobald keiner mehr im Raum ist!“ Das wäre eine grausame Welt …
«Zoomania»-Regisseur Rich Moore
Mit Giacchinos erstem Disney-Animationsfilm hat sich die Grenze zwischen den Walt Disney Animation Studios und Pixar noch ein Stück geschmälert. Und immer mehr Kinogänger, mit denen ich spreche, haben Probleme, die beiden Marken auseinanderzuhalten …
Byron Howard: Ich finde es großartig, dass wir nun in einem Arbeitsklima tätig sind, in dem Vielfalt gefördert wird. Und obwohl es Unterschiede in der Studioidentität gibt, allein schon aufgrund der Leute, die für das jeweilige Studio arbeiten, trifft das auf Disney und Pixar gleichermaßen zu. Ich begrüße das sehr, weil es bedeutet, dass Disney nicht weiter unter der Erwartung agieren muss, Filme zu produzieren, die genau in eine Formel passen. Disney kann jetzt Filme wie «Ralph reicht’s», «Baymax – Riesiges Robowabohu» oder «Rapunzel – Neu verföhnt» machen, die allesamt unterschiedlich sind. In meinen Augen hält uns das am Leben, denn wir arbeiten ja sehr lange an einem einzelnen Film. Und wenn wir immer und immer und immer wieder denselben Typ Film machen würden, hätten wir keinen Spaß mehr dran, und das würde sich auf das Publikum übertragen. Der Umstand, dass wir eine satirische Polizistenkomödie ohne Musicaleinlagen machen können, und dann drehen wir uns um, und es wird an einem klassischen, magischen Trickfilmmusical gearbeitet, spricht für ein gesundes Studio. Wenn Sie sagen, dass unsere Filme mit denen von Pixar verwechselt werden, sehe ich das als Kompliment an, immerhin hat das Publikum Pixar lange Zeit wie ein Gütesiegel aufgefasst!

Rich Moore: Clark, Byron, korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Denn das war vor meiner Zeit. Aber mir wurde gesagt, dass es tatsächlich einen Zeitpunkt gab, kurz nachdem Disney Pixar gekauft hat, an dem jemand auf Konzernseite den Vorschlag gebracht hat: „Disney macht ab sofort nur noch Musical-Märchenfilme und Pixar macht zeitgemäße Geschichten, die aus dem Rahmen fallen!“ Es ist großartig, dass diese Idee sehr schnell in sich zusammengebrochen ist. Es will mir gar nicht in den Kopf, dass jemand das ernsthaft durchsetzen wollte. Wie schlimm wäre das? „So, Leute, ihr macht jetzt noch einen Märchenfilm! Ihr braucht eine Prinzessin! Und ihr, Leute, ihr macht einen Film, in dem vermeintlich leblose Gegenstände ein geheimes Leben führen, sobald keiner mehr im Raum ist!“ Das wäre eine grausame Welt …

Clark Spender: John Lasseter sagt immer, dass das Entscheidende ist, dass die Regisseure mit Feuer und Flamme an einer Idee arbeiten. Denn wenn die Regisseure im Laufe der vielen Jahre Produktionszeit die Begeisterung für eine Idee verlieren, wird der Film nicht gut. Eine Story wird nur dann großartig, und Figuren werden nur dann großartig, wenn alle Beteiligten vier Jahre lang voll dahinterstehen. Und darum fragt John unsere Regisseure immer, was sie unbedingt machen wollen. Er sagt, seine Aufgabe es bloß sei, ihnen dabei zu helfen, diese Idee bestmöglich umzusetzen.

Vielen herzlichen Dank für das spannende Gespräch.
«Zoomania» ist ab Donnerstag, dem 3. März 2016, in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
27.02.2016 20:45 Uhr  •  Sidney Schering und Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/84046