Tiere im deutschen Fernsehen - ein verlässliches Erfolgsrezept?

Sie sind die besten Freunde des Menschen, wecken vor allem in ihren ersten Lebenswochen verlässlich die menschlichen Beschützerinstinkte und sind auch immer wieder für Lacher gut: Vierbeiner. Doch stimmt eigentlich die etwas abgestandene Fernsehregel noch, dass sie obligatorische Quoten-Garanten sind?

Tiere im deutschen Fernsehen. Ob Sie dabei nun zunächst an die gute, alte Zeit denken, in der es noch große Samstagabend-Shows für die ganze Nation gab, an die diversen Dokusoaps, die noch heute oft und gerne ausgestrahlt werden oder reflexartig in den Empörungs-Modus umschalten und den ethischen Umgang mit Lebewesen aller Art anmahnen: So gut wie jedem dürfte ziemlich schnell eine ziemlich konkrete Assoziation kommen, denn die TV-Geschichte der Vierbeiner ist ebenso umfangreich wie bewegend. Doch wie steht es eigentlich um die Präsenz der Tiere im deutschen Fernsehen anderthalb Jahrzehnte nach dem Millennium? Sind Tiere wirklich noch verlässliche Garanten für hohe Einschaltquoten beim Massenpublikum?

Ein Wandel ist beim Umgang mit den besten Freunden des Menschen in jedem Fall einmal festzustellen: War es über viele Jahre hinweg selbstverständlich, vierbeinige Serienhelden zu platzieren, hat das große Engagement der Tierschützer zumindest in diesem Genre nachhaltige Auswirkungen gehabt: Die Lassies, Furys und Flippers haben längst ihren wohlverdienten Ruhestand angetreten, auch «Kommissar Rex» ist - von einer wenig erfolgreichen und entsprechend kurzlebigen Neuauflage mal abgesehen - seit über einem Jahrzehnt schon nicht mehr zu sehen und auch der ZDF-Vorabend-Dauerbrenner «Unser Charly» ist seit dreieinhalb Jahren Geschichte.

Nun lässt sich diesbezüglich gewiss darauf verweisen, dass das Mediengeschäft generell schnelllebig ist und es schlicht sein könnte, dass Serienstoffe dieser Couleur derzeit schlichtweg kaum angesagt sind. Die konsequente Skandalisierung von für Serienzwecke genutzen - oder böser formuliert: missbrauchten - Tieren hat allerdings auch in den Köpfen der Programmverantwortlichen ebenso etwas bewirkt wie bei den Zuschauern: Hier möchte man negative Schlagzeilen bereits im Vorfeld vermeiden, dort wirkt der possierliche Hund oder der launige Affe längst nicht mehr so putzig und amüsant, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass dem Agieren vor der Kamera eine sicherlich häufig weniger launige Dressur des großen Stars hinter der Kamera vorausgegangen ist.

Es sind eher andere Unterhaltungsformen, in denen Tiere heutzutage noch stattfinden: Die für Tierfreunde gewiss schmerzlichste Form dürfte beim Dschungelcamp zelebriert werden, wo zum Teil noch lebende Insekten und Spinnen als ungeliebte C-Promi-Speise enden, in anderen Prüfungen als Hindernisse dienen, die partiell zertrampelt oder aufgescheucht werden. Dem Quoten-Erfolg des Formats schadet dies keineswegs, die zehnte Staffel verfolgten zuletzt rund sieben Millionen Bundesbürger. Diesen Erfolg allerdings auf die "Nutzung" von Tieren zurückzuführen, wäre kritisch: Kaum jemand würde diese Bestandteile der Sendung als Hauptgrund für den Konsum nennen, in den letzten Jahren mehrten sich gar Stimmen, laut derer die legendären Essensprüfungen längst abgenutzt seien. Interessant ist im Kontext Dschungelcamp eher die Frage, ob es noch genauso konzipiert worden wäre, ginge es erst heute an den Start. Eine neue Sendung, die das Töten und Quälen von Tieren als Mutprobe propagiert: Aufschrei, ick hör dir trapsen.

Weitgehend skandalfrei werden dagegen Dokusoaps rezipiert, in denen es mehr oder minder direkt um Tiere geht. Hier ist vornehmlich das Vorabendprogramm von VOX zu nennen, das mit «Pferdeprofis», «3 Engel für Tiere» und ähnlich gelagerten Help-Sendungen aufwartet. Vorreiter in diesem Genre ist Martin Rütter, der mittlerweile nicht nur Promis bei ihrem Umgang mit Hunden schult, sondern ganze Hallen mit seiner Mixtur aus nützlichen Alltagstipps und witzigen Hunde-Anekdoten füllt. Mit diesen Sendungen fährt der Privatsender ebenso gut wie mit seinem Dauerbrenner «hundkatzemaus», das seit fast 15 Jahren erfolgreiches Dokutainment anbietet.

In eine ähnliche Richtung tendier(t)en auch die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren Tierpark-Dokusoaps, die 2003 mit «Elefant, Tiger und Co.» ihren Ausgangspunkt hatten und zeitweise grandiose Einschaltquoten im Nachmittagsprogramm generierten. Insgesamt neun Ableger produzierte die ARD für ihr Hauptprogramm seither, das ZDF kam mit ähnlichen Konzepten auf immerhin sieben Sendungen dieser Couleur - mittlerweile sind allerdings sämtliche ZDF-Sendungen abgesetzt, während sich im Ersten zumindest noch ein paar wenige davon auf dem 16:10-Uhr-Slot halten. Die großen Zeiten sind allerdings schon lange vorbei, oftmals verzeichneten die Sendungen zuletzt nicht einmal mehr zweistellige Marktanteile.

Im Umgang mit den Tieren unterscheiden sich diese Trends der jüngeren Vergangenheit aber elementar von jenen der tierischen Serienhelden: Sie stellen die animalischen Geschöpfe zwar zur Schau und werben auch explizit damit, versuchen allerdings nicht, sie zu menschenähnlichen Protagonisten zu stilisieren, die entgegen ihrer wahren Natur agieren sollen und durch jahrelange Dressur künstlich dazu getrieben wurden, vor der Kamera "zu funktionieren". Auszuschließen ist gewiss nicht, dass es auch bei der einen oder anderen Zoodoku oder Dokusoap zu Inszenierungen zwecks narrativer Dramaturgie gekommen ist, doch im Großen und Ganzen haben sich die Sendungen weitgehend schadlos und fernab großer öffentlicher Kritik halten können.

Wie schnell es zu PR-Desastern in Folge großer Skandalisierungen mit (im näheren oder weiteren Sinne) Tierformaten kommen kann, hatte ProSieben im November schmerzlich erfahren müssen: Die Survival-Show «Wild Island» sah sich massiven Vorwürfen von PETA und Co. sowie einem großen Twitter-Aufschrei ausgesetzt (wir berichteten), der bemerkenswerterweise schon im Vorfeld der TV-Ausstrahlung stattfand. Letztlich scheiterte die Sendung aber wohl eher an ihrem für deutsche Sehgewohnheiten zu dokumentarischen und damit auch relativ spannungsarmen Inhalt: Die Auftaktwerte waren mit 10,0 Prozent des Gesamtpublikums sowie 17,9 Prozent der Zielgruppe noch richtig stark - möglich, dass die Tierschützer-Proteste insofern gar kontraproduktiv waren und das Interesse an der Sendung erhöhten -, danach rutschten allerdings vier von sechs Folgen auf einstellige Zielgruppen-Zahlen ab.

Ein kleiner Trend der jüngeren Vergangenheit ist die Idee, relativ kalkuliert und offensichtlich auf den Niedlichkeitseffekt von Tierbabys zu setzen. Wieder einmal war VOX hier Vorreiter, nach beachtlichen Quoten-Erfolgen von «Tierbabys - Süß und wild!» am Samstagvorabend zog Sat.1 im Sommer vergangenen Jahres mit «Die wunderbare Welt der Tierbabys» am Sonntag nach. Andrea Kaiser präsentierte ganz viele kleine niedliche Jungtiere, das kollektive Hochschießen der Muttermilch blieb beim Publikum jedoch weitgehend aus - die Werte lagen bestenfalls auf Höhe des Senderschnitts. Doch so plump die Masche auch sein mag, ein TV-Format auf den menschlichen "och, wie süüüüüß"-Reflex beim Anblick von Welpen, Kitten und Co. auszurichten: So wirklich böse kann man dem dann eben doch nicht sein. Und die Idee, das bei YouTube schon seit Jahren höchst erfolgreiche Phänomen Tierbabys auf die große TV-Bühne zu lassen, lag nahe. Und ganz neu war das Konzept auch nicht.

Es ließen sich gewiss noch weitere Trends ausmachen, beispielsweise das auf Tiere projizierte Phänomen Ranking-Shows, doch die grundsätzliche Tendenz bleibt: Ja, Tiere sind noch immer beliebte Eyecatcher für Fernseh-Produzenten, doch ihre Rolle hat sich im Vergleich zu früheren Dekaden doch deutlich verändert. Das massive Engagement der Tierliebhaber hat vor allem dazu geführt, dass es kaum noch dressierte Serientiere gibt, die eben gerade nicht ihre Natur ausleben durften, sondern das repräsentierten sollten, was Produzenten in ihnen sahen und was das Drehbuch hergab. Heutzutage finden unsere Vierbeiner eher in zumeist recht harmlosen Dokusoaps und Helpformaten statt, die zwar ebenso auf ihren generellen Niedlichkeits-Effekt setzen, zumindest in der Regel aber nicht mehr großartig auf Telegenität getrimmt werden.

Auch im Show-Bereich sind Tiere zumindest gefühlt seltener zu sehen in der Vergangenheit, was allerdings auch darauf zurückzuführen ist, dass es schlicht kaum mehr große Show-Formate gibt. Eine generelle Scheu davor, sie auf die große Show-Bühne zu lassen, ist nicht auszumachen - was aus Sicht der Fernsehleute auch nur allzu verständlich ist, dient doch jeder durchs Studio schlurfende Hund verlässlich als Blickfang der Masse. Unterm Strich kann also festgehalten werden: Ja, Tiere sind auch heute noch oft und gerne gesehen, werden aber bei weitem nicht mehr so extrem für Unterhaltungszwecke instrumentalisiert und sind auch nicht per se Garanten für Quotenhits selbst der konzpetionell ödesten Formate unseres Landes.
28.02.2016 10:12 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/84028