Die Kino-Kritiker: «Gut zu Vögeln»

So frivol der Titel auch klingen mag, «Gut zu Vögeln» ist mehr Nachdichtung denn Romantic Comedy und schafft den Spagat überraschend unfallfrei. Trotzdem bleibt der Film weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Filmfacts: «Gut zu Vögeln»

  • Kinostart: 14. Januar 2016
  • Genre: Komödie
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 91 Min.
  • Kamera: Stephan Burchardt
  • Musik: Riad Abdel-Nabi
  • Buch: Mira Thiel, Judith Bonesky, Friederich Oetker
  • Regie: Mira Thiel
  • Darsteller: Anja Knauer, Max von Thun, Max Giermann, Katharina Schlothauer, Samy Challah, Ulrich Gebauer, Kai Wiesinger
  • OT: Gut zu Vögeln (D 2016)
Regisseurin Mira Thiel begeht Neuland – und zwar vollkommen entgegengesetzt zu vielen ihrer Kollegen. Nach ihrem Spielfilmdrama «Der letzte Bissen», TV-Arbeiten für Formate wie «Galileo Mystery», «Terra X» oder «Damals in der DDR» folgt mit «Gut zu Vögeln» nun eine waschechte RomCom, mit der viele deutsche Regisseure ihre Karriere als Filmemacher überhaupt erst beginnen. So frivol der Titel auch klingen mag, so brav und abgeklärt kommt schlussendlich der Film daher, der sich auf den ersten Blick nur einmal mehr der typischen Thematik bedient, dass Mann und Frau aufeinandertreffen, vollkommen unterschiedlich sind und schließlich trotz aller emotionalen Widerstände doch zueinander finden. Auf den zweiten Blick lässt sich in «Gut zu Vögeln» allerdings auch erkennen, dass die Regisseurin sich weitaus mehr vorgenommen hat, denn nicht nur die exorbitant hohe Anzahl an Cameos und Gastauftritten diverser deutscher Komödienstars und Comedians erinnert sichtbar an die frühen Werke von Michael „Bully“ Herbig und seiner «Bullyparade»-Crew, auch der untergrabende Umgang mit den typischen RomCom-Charakteristika lässt den Schluss zu, dass es der Regisseurin und Drehbuchautorin Mira Thiel nicht um einen klassischen Vertreter seiner Gattung ging, sondern dass sie sich an einer Parodie, vielleicht sogar an einer Satire versucht. Und als solche funktioniert «Gut zu Vögeln» immer dann, wenn die Komödie auf herkömmlicher Ebene zu versagen droht.

Was tun, wenn der vermeintliche Traumprinz seine Prinzessin kurz vor der geplanten Hochzeit abserviert? Die Society-Reporterin Merlin (Anja Knauer) findet nach dieser Katastrophe Unterschlupf in der Männer-WG, aus der ihr Bruder Simon (Max Giermann) gerade wegen Frau und Baby ausgezogen ist. Barkeeper Jacob (Max von Thun), der es mit keiner Frau länger als eine Nacht aushält, geht das Selbstmitleid der ewig heulenden Mitbewohnerin auf die Nerven. Er will Merlin einen One-Night-Stand organisieren, der sie auf andere Gedanken bringen soll. Der Plan geht auf. Doch dadurch setzt Jacob ein Beziehungskarussell in Gang, bei dem vor allem er selbst ziemlich schnell die Kontrolle verliert. Da hilft auch der Männer-Trip zum Ballermann nicht weiter, zu dem sich Merlin auch noch selbst einlädt…

Das Genre ist erstmal sekundär. Entscheidend sind das Drehbuch und die eigene Rolle. Warum sollte man keine RomCom drehen, wenn man dabei ein gutes Gefühl hat. Dass viele Komödien vielleicht nicht so lustig sind, liegt wahrscheinlich auch an den unterschiedlichen Geschmäckern. Wie in jedem Genre gibt's da gute und schlechte Beispiele.
Max von Thun über den Ruf der RomCom
Schaut man sich die den heutigen Zeitgeist durch und durch berücksichtigende Inszenierung von «Gut zu Vögeln» an, so bekommt man den Eindruck, das freche Wortspiel im Filmtitel spiele vielmehr auf das Twitter-Logo des kleinen blauen Vögelchens an, anstatt auf den zwischenmenschlichen Matratzensport. SMS, Chatrooms, soziale Netzwerke: Das alles findet seine Verwendung in der Romantic Comedy, was den Zuschauer bisweilen erschlägt, wenngleich es die Realität nicht mal mehr überspitzt, sondern vielmehr realistisch abbildet. Im exklusiven Quotenmeter-Interview bestätigte Hauptdarsteller Max von Thun («Traumfrauen») diesen Eindruck und zeigte sich wenig angetan davon, dass die Technik das Flirten und Kennenlernen stark verändert: „Ich bin da eher noch altmodisch. Lieber in einer Bar ins Gespräch kommen und so jemand kennenlernen, als per Knopfdruck in einer App. Das Spiel der Eroberung scheint junge Menschen nicht mehr so zu kicken.“ So richtig erobern möchte in «Gut zu Vögeln» dann allerdings auch keiner den Anderen. Wenngleich die Chemie zwischen Von Thun und der smarten Mimin Anja Knauer («Die letzte Lüge») zu jedem Zeitpunkt herzlich und absolut authentisch ist, interagieren die beiden während des Films erstaunlich selten direkt miteinander. «Gut zu Vögeln» erweckt stattdessen vielmehr den Eindruck einer Nummernrevue, bei der das Techtelmechtel zwischen Merlin und Jacob allenfalls als chronologischer Überbau, nicht aber als Eyecatcher funktioniert.

Im Klartext bedeutet das, dass die Liebesgeschichte zwischen den Protagonisten austauschbar ist, «Gut zu Vögeln» auf Gag-Ebene allerdings so brachial daherkommt, dass dieser Schwachpunkt gar nicht so sehr ins Gewicht fällt. Der eingangs erwähnte Bezug auf jene Filme von Michael „Bully“ Herbig kommt da nicht von ungefähr: Erinnern wir uns «Der Schuh des Manitu» oder «(T)Raumschiff Suprise», so bleiben uns dort auch vorzugsweise die charmant-persiflierenden Gags und weniger die kreative Geschichte im Kopf. Ähnlich verhält es sich bei «Gut zu Vögeln». Nicht nur, dass sich die Pointen zum Großteil nicht bloß nicht in die Story integrieren, sondern mit Absicht grobmotorisch in die Handlung eingebettet wirken, sie sind vor allem dazu da, um den funktionierenden Kern einer RomCom offenzulegen. Figuren sind Karikaturen, Dialoge beinhalten die Erklärung für jeweilige Szenen, die Cameo-Auftritte werden zum Gag an sich und die Musikuntermalung kommentiert das Geschehen mehr als einmal provokativ. Wie sehr all das gewollt ist, darüber kann man schlussendlich nur spekulieren. Max von Thun erklärt seinen Eindruck wie folgt: „Ich würde ihn als eine Komödie aus dem Leben bezeichnen, in der viele bekannte Situationen aus dem Leben überspitzt dargestellt sind. Und, was ich besonders mag, es ist genug Platz für leise Zwischentöne.“

Um die Leisen Zwischentöne zu finden, bedarf es in «Gut zu Vögeln» allerdings ein genaues Auge. Unter all den lauten Späßen verstecken sich diese gut, finden sich aber vor allem in der Charakterzeichnung der Hauptdarsteller wieder. Wenn Max von Thuns Jacob in der Badewanne mit seinem Playmobil-Piratenschiff spielt, vermengt Regisseurin Mira Thiel den melancholischen Wunsch, nie alt werden zu müssen mit der Absurdität der Prämisse; die Figur der Merlin wiederum konterkariert auf tragische Weise das eigentlich voller Glanz und Gloria ausgestattete Bild einer erfolgreichen Society-Reporterin.

Wenn sie nett schreiben interessiert es mich. Schlechte Kritiken sollte man an sich abprallen lassen. Das ist schließlich Teil des Jobs, dass irgendwer da immer seinen Senf dazugibt. Wer das ist, darauf hat man keinen Einfluss...
Max von Thun über sein Verhältnis zu Kritikern
Wenn sie von ihrer neuen Chefin ihren zukünftigen Arbeitsplatz gezeigt bekommt und sich ihr das traurige Bild einer nerdigen Social-Media-Abteilung bietet, sind derlei Szenen reinstes Comedy-Gold. Es ist schade, dass die Regisseurin ihr Vertrauen nicht vollständig in die Idee gesteckt zu haben scheint, aus ihrer RomCom eine RomCom-Nachdichtung zu machen. So wird der Zuschauer Zeuge eines zweigeteilten Films, von dem jeder Part für sich stehend gut funktioniert, allerdings nur selten jene Balance findet, mit der Bully und Co. einst so grandios auftrumpfen konnten. Trotzdem ist allein schon der Mut zur Selbstdemaskierung einen Blick wert: «Gut zu Vögeln» ist weitaus komplexer, als es der Titel auf den ersten Blick ankündigt.

Fazit: In den stärksten Momenten erinnert «Gut zu Vögeln» an die Sketche und Filme von Michael „Bully“ Herbig. In den schwächeren, und davon gibt es leider eine ganze Menge, ist die Komödie von Mira Thiel einfach nur eine genrekonforme RomCom, die nicht alles aus ihrer eigentlich spannenden Prämisse herauszuholen weiß und so vorzugsweise über die Interaktion der Darsteller lebt, die allesamt einen absolut souveränen Job machen und das Publikum auf ihre Seite ziehen.

«Gut zu Vögeln» ist ab dem 14. Januar bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
14.01.2016 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/83126