Die Kritiker: «Club der roten Bänder»

VOX' erster eigenproduzierten Serie ist gelungen, was sonst keiner deutschen Serie gelingt: Sie ist besser als ihr amerikanisches Pendant. Unsere Vorab-Kritik:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Tim Oliver Schultz als Leo
Damian Hardung als Jonas
Ivo Kortlang als Toni
Timur Bartels als Alex
Nick Julius Schuck als Hugo
Luise Befort als Emma

Hinter der Kamera:
Produktion: Bantry Bay Productions
Drehbuch: Arne Nolting und Jan Martin Scharf
Regie: Sabine Bernardi, Andreas Menck, Richard Huber und Felix Binder
Kamera: Robert Berghoff, Ergun Cankaya, Thomas Vollmar und Markus Hausen
Produzenten: Jan Kromschröder und Gerda Müller
Krankenhäuser sind ein beliebtes Setting für Fernsehserien. Die Gründe sind naheliegend: Die Fallhöhen sind riesig, die Sympathien für die Figuren schnell erarbeitet.

Anders als das Überangebot an trivialen Formaten, die von Intrigen, Liebeleien und familiären wie beruflichen Problemen des Ärzte- und Pflegepersonals erzählen, handelt die katalanische Serie «Polseres Vermelles» hauptsächlich von den Patienten auf der Kinder- und Jugendstation. Und anders als die in der letzten Season bei FOX gefloppte amerikanische Adaption «Red Band Society», die auch größere Handlungsbögen um die Ärzte und Schwestern einflocht, bleibt die deutsche Version «Club der roten Bänder» ihrem katalanischen Original in diesem Punkt treu: Das Augenmerk liegt auf den Kindern und Jugendlichen, die ihr Leben in stationärer Behandlung verbringen.

Leo ist schon länger dabei und hat ein halbes Dutzend OPs hinter sich. Ihm musste wegen einer seltenen Krebsart das Bein amputiert werden. Sein Kopf ist noch kahl von der letzten Chemotherapie. Vor nichts graut ihm so sehr wie vor einer Wiederholung dieser entsetzlichen Prozedur, sollte in seinem Körper ein neuer Tumor gefunden werden. Und trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) ist er ein lebensfroher junger Mann.

Jonas, der Neuzugang mit derselben Diagnose wie sein Zimmergenosse Leo, steht noch am Anfang seiner Reise. Ihm steht die Amputation erst bevor. Doch schnell entsteht zwischen den beiden eine Verbundenheit, die ihn sein Schicksal zumindest ein wenig leichter ertragen lässt.

Während Leo und Jonas zwei nette, sympathische Jungs sind, ist der gleichaltrige Alex das Arschloch des Schulhofs. Als er einen übergewichtigen Mitschüler drangsaliert, bricht er mit Schmerzen in der Brust zusammen. Die Ärzte vermuten eine ernste Erkrankung und behalten ihn erst einmal in der Klinik. Alex versucht zunächst, auch dort allen auf die Klöten zu gehen, gerät aber bei routinierten Pflegern und netten, ihm an Krankenhaus- und Krankheitserfahrung weit überlegenen Mitpatienten schnell an seine Grenzen. Dass sein Vater ihn auch in seiner schweren Situation weitgehend allein lässt und ein ähnlich herrisches Auftreten an den Tag legt, könnte erklären, warum Alex so ist, wie er ist.

Alex‘ Zimmergenosse Hugo ist etwas jünger als die anderen Patienten, die in «Club der roten Bänder» auftreten. Hugo liegt seit zwei Jahren im Koma, nachdem er sich bei einer dummen Mutprobe schwer verletzt hatte. Seine Mutter macht sich bis heute schwere Vorwürfe. Sie hat vor einiger Zeit angefangen, im Krankenhaus als Clown zu arbeiten, um ihrem Kind nahe zu sein.

Emma ist derweil eine alte Bekannte von Leo, die auch Jonas schnell in sein Herz schließt. Sie leidet an einer Essstörung, die so schwer geworden ist, dass sie eine stationäre Behandlung erfordert.

Toni taucht erst in der zweiten Folge auf: Er hat eine leichte Form des Asperger-Syndroms und ist deswegen immer ein Außenseiter gewesen. Er landet in der Klinik, weil er sich bei einem Unfall mit dem Moped seines Großvaters beide Beine gebrochen hat. Die Behörden hat das hellhörig gemacht. Sie fordern jetzt ein Gutachten, das erörtern soll, ob Toni in der Obhut seines Großvaters noch gut aufgehoben ist. Wer gesehen hat, wie liebevoll sich der alte Mann um seinen Enkel kümmert, kann das nur bejahen.

Die Figuren sind denen der katalanischen Original-Serie und der bekannten amerikanischen Adaption sehr ähnlich. Die Herausforderung besteht nicht darin, die Serie auf spezifisch deutsche Gegebenheiten anzupassen, sondern vielmehr den sehr warmherzigen, rührenden Duktus des Originals beizubehalten, ohne ihn zu überdrehen und ins Rührselige degenerieren zu lassen.

Dieser Spagat ist den Machern vollumfänglich gelungen. Und VOX‘ erste eigene Serie ist ein Volltreffer.

«Der Club der roten Bänder» lebt hauptsächlich von der tollen Dynamik, die zwischen den Figuren herrscht. Und obwohl sie sich selbst mit „der Anführer“, „der Schlaue“, „der Hübsche“, etc. charakterisieren, sind sie doch weit entfernt davon, Klischeehaufen oder die weltfremden Vorstellungen älterer Fernsehredakteure von Jugendlichen zu sein. Im Zentrum der Dramaturgie stehen die Ängste, Wünsche, Sorgen, die Glücksmomente und die Schicksalsschläge ihrer jungen Protagonisten, die als Personen und Charaktere ernst genommen werden.

Dabei erzählt die Serie manchmal tottraurig, aber immer mit einer sehr lebensbejahenden, ja freudvollen Baseline, die stets authentisch und ehrlich berührend wirkt, und nie konstruiert-rührselig oder süßlich-verkitscht. Die Geschichten sind manchmal beklemmend – vielleicht wird am Schluss auch nicht für alle Figuren alles gut. Und trotzdem umgibt den «Club der roten Bänder» eine Aura des Positiven.

Besonders freut man sich über die Entdeckung der sechs jungen Schauspieler, die nicht nur jeder für sich überzeugen können, sondern denen man gerade auch als Ensemble sehr gerne zusieht. Ganz vortrefflich transportieren sie den in den Büchern vorgesehenen Facettenreichtum ihrer Charaktere und machen sie für den Zuschauer auch emotional erlebbar.

In vielen Punkten ist «Der Club der roten Bänder» noch rührender, noch mitreißender als die ohnehin schon gelungene amerikanische Version. VOX‘ erste eigenproduzierte Serie hätte kaum besser gelingen können.

VOX zeigt «Der Club der roten Bänder» montags ab dem 9. November um 20.15 Uhr, jeweils in Doppelfolgen.
06.11.2015 12:20 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/81824