Die Kino-Kritiker: «Fantastic Four»

Der Superheldenfilm «Fantastic Four» dürfte in die Geschichte eingehen. Und zwar als ebenso öder wie katastrophaler Fehlschlag.

Filmfacts «Fantastic Four»

  • Regie: Josh Trank
  • Produktion: Simon Kinberg, Matthew Vaughn, Hutch Parker, Robert Kulzar, Gregory Goodman
  • Drehbuch: Jeremy Slater, Simon Kinberg, Josh Trank
  • Darsteller: Miles Teller, Michael B. Jordan, Kate Mara, Jamie Bell, Toby Kebbell, Reg E. Cathey, Tim Blake Nelson
  • Musik: Marco Beltrami, Philip Glass
  • Kamera: Matthew Jensen
  • Schnitt: Elliot Greenberg, Stephen E. Rivkin
  • Laufzeit: 100 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Die Fantastic Four sind der ausbrennende Stern im Marvel-Comickosmos. In ihren ersten Jahren stellte die von Stan Lee und Jack Kirby erschaffene Truppe nicht nur den größten Verkaufsschlager des Verlags dar: Einige Comichistoriker rechnen den Fantastic Four sogar an, Marvel überhaupt erst zu einer ernstzunehmenden Erfolgsmarke gemacht zu haben. Mit der Zeit wurden die wissenschaftsbasierten und oftmals im Weltall spielenden Abenteuer der Forschergruppe jedoch durch Spider-Man, die X-Men und die Avengers überschattet. Und die Kinohistorie der fantastischen Vier dürfte den kometenhaften Absturz dieser Gruppe nur beschleunigt haben. Die 2005 und 2007 in die Lichtspielhäuser entlassenen Regiearbeiten von Tim Story erinnerten zu einer Zeit, in der das Superheldengenre langsam zu sich selber gefunden hat, an die kindisch-lächerlichen Adaptionsversuche früherer Jahrzehnte – und gerieten verdienterweise schnell in Vergessenheit.

Mit den schalen Actionkomödien, in denen unter anderem «Captain America»-Star Chris Evans sowie «Sin City»-Unschuld Jessica Alba zu sehen sind, hat dieses Reboot jedoch herzlich wenig gemeinsam. Auch deshalb, weil die oft verlachten Produktionen in ihrer Naivität und Simplizität zwischenzeitlich so etwas wie unbedarften Charme zu versprühen vermochten. Der neuste Aufguss der Geschichten rund um die menschliche Fackel, die unsichtbare Frau, das Steinungetüm Ding sowie den ungeheuerlich dehnbaren Anführer des Viererteams erinnert eher an ein gewisses 1994 produziertes Unglück: Um die Filmrechte an den Fantastic Four nicht zu verlieren, ließ der deutsche Filmmogul Bernd Eichinger ein schäbiges Abenteuer drehen, das sich bei aller Inkompetenz auch noch ziemlich ernst genommen hat. Offiziell erblickte das filmische Missgeschick nie das Licht der Kinowelt, manche Gerüchte besagen, dass Marvel die Veröffentlichung stoppte.

Selbst wenn Josh Tranks erste Regiearbeit seit seinem Debüt «Chronicle» nicht ganz so amateurhaft aussieht wie Eichingers berühmt-berüchtigtes Produkt, haben beide Werke eins gemeinsam: Sie sind seelenlose, staubtrockene Schachzüge, um die Fantastic Four für einige Jahre zusätzlich davon abzuhalten, zurück in die Hände Marvels zu gelangen. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Katastrophen: Während die Inkompetenz der Auflage von 1994 mit einem Blick auf das Budget zu erklären ist und in die Kategorie „ab und zu kann man darüber schmunzeln“ fällt, hat die 2015er Variante keine solche Ausrede zur Hand. Ebenso, wie es ihr nahezu durchweg an Unterhaltungsfaktor mangelt – sei er gewollt oder unfreiwillig.

Wir befinden uns im Jahr 2007, das abgesehen von der Existenz des Nintendo 64 verdächtig nach den 80ern aussieht, wie Steven Spielberg sie einst in seinen Familienfilmen darstellte: Der geniale Schüler Reed Richards (als Heranwachsender: Miles Teller) träumt davon, eine Teleportationsmaschine zu erbauen. Obwohl er die dazu nötigen Theorien in- und auswendig kennt, wird er für seine Zukunftsvorstellungen selbst von seinem Lehrer verlacht. Allein der grantig dreinblickende, doch gutherzige Ben Grimm (als Halbstarker: Jamie Bell) steht ihm zur Seite, als er mit einem ersten Prototypen experimentiert. Sieben Jahre später führt das Duo ein verbessertes Modell der Gerätschaft im Rahmen eines Schulwettbewerbs auf. Trotz kleinerer Macken funktioniert der Mini-Teleporter, wodurch Dr. Franklin Storm (völlig lustlos: Reg E. Cathey) und dessen Tochter Sue Storm (Kate Mara) auf die Nachwuchswissenschaftler aufmerksam werden. Reed erhält einen Stipendiumsplatz, um Storm sowie dessen talentiertesten sowie geistig instabilsten Schüler Victor von Doom (Toby Kebbell) dabei zu helfen, interdimensionale Reisen zu ermöglichen. Und auch Storms rebellischer Sohn Johnny (Michael B. Jordan) beteiligt sich am Projekt. Als der frisch zusammengestellten Wissenschaftlergruppe der Durchbruch gelingt, kommt es aber zu einem furchtbaren Vorfall …

Dass Trailer zuweilen zu viel verraten, ist keine neue Erkenntnis. Und gerade bei der filmischen Neuauflage einer jahrzehntealten Comicreihe gibt es tendenziell eh nur wenig Raum für Überraschungen. Dessen ungeachtet spricht es Bände, wenn ein Trailer von weniger als zwei Minuten Laufzeit es vollbringt, einen kompletten Film zusammenzufassen. Und im Fall von «Fantastic Four» wäre es lachhaft, dem Marketing-Team daher die Ohren lang zu ziehen. Denn dieses Mal geht der der Trailer nicht zu weit. Der Film erzählt dagegen viel zu wenig. In den rund 100 Minuten Laufzeit (inklusive Abspann), passiert kaum etwas erinnerungswürdiges, das nicht auch in den Trailern zu sehen ist: Das Team rund um Reed Richards baut eine Teleportationsmaschine, landet auf einem Planeten in einer anderen Dimension, erhält dank eines Unfalls neue Superkräfte, das Helden-Quartett prügelt sich mit Victor von Doom. Abspann.

Zwar könnte die Struktur „Während des Baus eines Teleporters wächst das Team zusammen / das Team erhält Superkräfte und muss sich neu arrangieren / Endkampf“ bei einer einigermaßen ansprechenden Umsetzung durchaus einen mittelprächtigen Superheldenfilm tragen. Allerdings hapert es bei der Fox-Produktion genau daran: An der Umsetzung. Die Geschichte, an der neben Regisseur Trank auch Produzent Simon Kinberg sowie Jeremy Slater tüftelten, ruht sich auf ihren drei zentralen Punkten aus. Davon abgesehen geschieht nichts von Wert. Die schleppend erzählten Sequenzen im Storm-Labor versäumen es, den Figuren Kontur zu verleihen oder glaubwürdig zu vermitteln, dass aus Fremden Freunde werden. Der Reise auf einen mysteriösen Planeten mangelt es dank bestenfalls mittelprächtiger, schlimmstenfalls unsagbarer Effekte an jeglichem Reiz und die Neueinführung der Protagonisten als Superhelden gerät so dröge, dass es einer Beleidigung des Superheldengenres gleichkommt.

Der wirkliche Schlag ins Gesicht des Publikums folgt aber erst in den letzten Filmminuten, wenn ein hastiges und inkohärent geschnittenes Actionfinale hereinbricht. Die mickrigen Setbauten sind dank unfähiger Beleuchtungsarbeit als eben solche zu erkennen, und die hinzugefügten digitalen Hintergründe scheinen einer Sparproduktion entliehen, die sich für eine Ausstrahlung bei den «SchleFaZ» von Tele 5 empfiehlt. Unkoordinierte Kampfchoreographien (inklusive weiterer CG-Effekte, die sich eine Goldene Ehren-Himbeere verdienen) und eine uninspirierte Instrumentalmusik lassen das Niveau letztlich so tief sinken, dass «Fantastic Four» nicht etwa in den Keller gehört. Sondern unter dem Keller begraben.

«Fantastic Four»: Eine turbulente Produktion

Hinter den Kulissen von «Fantastic Four» kam es zu allerhand Auseinandersetzungen. Diverse Hollywood-Insider sprechen davon, dass Regisseur Josh Trank am Set regelmäßig extrem launisch war, zuweilen auch nicht ganz bei Sinnen und häufig auch unmotiviert. Sein Verhalten sei Grund, weshalb er seinen «Star Wars»-Gig abgeben musste. Trank wiederum wirft dem Produktionsstudio Fox vor, ihn bei zahlreichen Entscheidungen übervorteilt zu haben. So seien drei Actionsequenzen übereilig gestrichen worden, dafür sei das Finale aus dem Mist des Studios gewachsen.
Unter den völlig verschenkten Schauspielern, die sich zu weiten, weiten Teilen des Films ohne Esprit durch die Dialogzeilen gähnen, bewahren einzig Miles Teller und Jamie Bell ansatzweise ihre Würde: In den wenigen Minuten, in denen die zwei Mimen als Normalsterbliche miteinander agieren dürfen, strahlen sie solch ein ansteckendes Gefühl unverdorbener Schulfreundschaft aus, dass man Teller und Bell möglichst bald in einer Buddy-Komödie sehen möchte. Da aber Reed und Ben die meiste Zeit über getrennte Wege gehen, und weder die Ersatz-Freundschaft zwischen Reed und Johnny zündet, noch der schüchterne Flirt zwischen Reed und Sue, liegt «Fantastic Four» hinsichtlich der Charakterdynamik nahezu brach.

Das allein ist schon ein K.O.-Kriterium für einen Film über ein Superheldenteam – man denke nur an Joss Whedons «Avengers»-Epen, in denen der neckische Umgang innerhalb der Heroentruppe für unzählige Spitzenszenen sorgt. Da es aber obendrein kaum Actionszenen gibt (und diese derbe enttäuschen) und weitere Subplots wie „Vertraue niemals einer militärischen US-Organisation!“ oder „Wenn dein Vater gemein ist, lach dir einen Ersatzvater an!“ innerhalb von dreieinhalb hölzernen Nebensätzen abgewickelt werden, kann «Fantastic Four» auf nicht einen einzigen inhaltlichen Pluspunkt zählen. Das gähnend langweilige Produktionsdesign und die farblose Kameraarbeit von Matthew Jensen («Chronicle») verhindern obendrein, dass dieser Totalflop wenigstens visuelle Reize entwickelt.

Wenn sich «Fantastic Four» in seinen letzten Atemzügen selbst zu zelebrieren versucht, indem er eine halbseidene Spielvariante des Meta-Schlussgag aus «Avengers: Age of Ulton» bemüht, wird die Diskrepanz zwischen erhoffter und erzielter Wirkung schmerzlich klar: Dieser Auftakt zu einem neuen Kino-Franchise ist in Wahrheit dessen verfrühter Schwanengesang.

Fazit: Fantastisch ist an «Fantastic Four» höchstens das, was die Gerüchteküche über die Dreharbeiten vermeldet. Aber im Vergleich zum Film selbst ist sogar eine Partie 'Vier gewinnt' gegen einen unsichtbaren Freund aufregender.

«Fantastic Four» ist ab dem 13. August in vielen deutschen Kinos zu sehen.
11.08.2015 14:48 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/80038