«Mein bester Feind»: Show ohne Grenzen

Mit großem Aufwand, viel Action und der gewohnten Portion Witz überzeugten Joko und Klaas in ihrer neuesten Show-Kreation. Schier grenzenlos war allerdings auch die Sendezeit - zum Leidwesen des Neustarts.

Laufzeiten der Samstags-Shows

  • «Duell um die Welt»: zwischen 23:35 Uhr und 23:45 Uhr (3 Folgen)
  • «Schlag den Raab»: je nach Mitternacht (2 Folgen)
  • «BuViSoCo», «Stock Car» & «Turmspringen»: je nach Mitternacht
  • «Promiboxen»: 23:45 Uhr
  • «Himmel oder Hölle»: 23:15 Uhr
Sendungsende aller seit September 2014 ausgestrahlten Show-Formate am Samstagabend.
Wer sich in dieser TV-Saison am Samstagabend für ProSieben entscheidet, trifft eine wahrhaft abendfüllende Wahl: Kein einziges Show-Format des Senders endete in den vergangenen drei Monaten vor 23:15 Uhr, nicht selten musste man gar bis weit nach Mitternacht warten, um das Finale noch mitzuerleben (siehe Infobox). Was bei «Schlag den Raab» häufig zu ganz besonderen Dynamiken führt, die in dieser Form im deutschen Fernsehen einmalig sind, verkam bei «Himmel oder Hölle» und «Promiboxen» zum reinen Selbstzweck und einer beinahe unerträglichen Langeweile - die konsequenterweise auch vom Publikum böse abgestraft wurde. «Mein bester Feind» positioniert sich irgendwo dazwischen: Das Team um Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf stellte einmal mehr eine hervorragend konzipierte Sendung mit viel Liebe zum Detail auf die Beine, schaffte es allerdings nicht, damit die völlig überzogene Ausstrahlungszeit von über vier Stunden komplett zu tragen.

Bekannt ist das Spielprinzip durch eine bei «Circus HalliGalli» bereits mehrfach gezeigte Rubrik: Eine Person meldet ihren besten Freund an, der wiederum für sie eine Mutprobe zu bestehen hat. Gelingt es dem Freund, diese Mutprobe zu bestehen, gewinnt er einen Fernseher sowie einen ebenso kreativen wie nutzlosen Spaßpreis - allerdings nicht für sich selbst, sondern für die Person, die ihn angemeldet hat. In der XXL-Samstagabend-Edition läuft das in der Regel dann so ab, dass beide Kandidaten ins Studio eingeladen werden und mit den allzeit amüsierten Moderatoren über ihre Motivationen und Erfahrungen sprechen, die eigentliche Mutprobe allerdings in bereits zuvor aufgezeichneten Einspielern zu sehen ist. Damit das schöne Studio aber nicht zur reinen Plausch-Ecke verkommt, in der Joko und Klaas von einem Gast zum nächsten Einspieler überleiten, gibt es noch eine Challenge-Möglichkeit: Der tatenlose Gewinner kann seinen Freund auf einen Studio-Parcours schicken, setzt damit seinen Fernseher aufs Spiel, hat allerdings auch die Möglichkeit, stattdessen den Hauptpreis zu gewinnen: Einen nagelneuen Oldtimer. Den gewinnt er aber nur, wenn sein Freund schneller ist als alle seine Konkurrenten.

Das mag alles etwas kompliziert klingen, ist in der realen Umsetzung allerdings recht schnell greifbar für das Publikum - zumal es ja wahrhaft genug Zeit hat, mit dem Spielprinzip vertraut zu werden. Die beiden großen Show-Segmente Einspieler und Studio-Parcours funktionieren auf völlig unterschiedlichen Ebenen, sind aber für sich genommen gleichermaßen unterhaltsam und mit beachtlichem Aufwand inszeniert. Die vorproduzierten Clips sind mal visuell beeindruckend, wenn der Zuschauer in einer tollen Bergkulisse aus diversen Kameraeinstellungen einen Menschen in mehreren hundert Metern Höhe auf einer Schaukel sitzend sieht, häufig aber auch einfach amüsant bis fremdschämig, wenn jemand unbeholfen bei einem Kollegah-Konzert versucht, mit vulgärem Gangster-Rap zu punkten. Der Parcours wiederum bietet vor allem Action und Spannung, ist aber visuell nicht minder eindrucksvoll in Szene gesetzt. Das Highlight ist hier sicher Scooter-Frontmann H. P. Baxxter, der in gewohnter Manier Zahlen in den Raum brüllt, um den Kandidaten bei dem Versuch zu verwirren, eine Rechenaufgabe zu lösen.

Das alles kennt man zwar schon irgendwie aus den bekannten Joko-und-Klaas-Formaten wie «Duell um die Welt», «Circus HalliGalli» oder «17 Meter», ist allerdings durch zahlreiche neue Variationen und eine sehr stimmige Verknüpfung der unterschiedlichen Elemente trotzdem abermals sehenswert. Klaas macht eine überraschend gute Figur als Kommentator, während Joko die Kandidaten ebenso wortreich wie tatkräftig auf ihrem Weg zum Sieger-Thron begleitet. Die Teilnehmer verfügen auf der einen Seite über eine gewisse Telegenität, sind dabei allerdings authentisch und "unbeholfen" genug, dass man ihnen abnimmt, wahrlich normale Menschen ohne weitreichende Medien-Erfahrung zu sein. Dieses Gefühl, mit den Personen auch sympathisieren und mitfiebern zu können, fehlte zuletzt in diversen Show-Angeboten - und wirkte sich stets negativ auf die Dramaturgie aus.

Doch was im ersten Anlauf noch großartig und irre kurzweilig ist, begeistert im zweiten Versuch schon nicht mehr ganz so sehr. Beim dritten Mal sehnt man sich allmählich das Finale herbei - und muss erschrocken feststellen, dass gerade einmal gut die Hälfte der Gesamt-Sendezeit vorbei ist. Irgendwann kennt man den Parcours dann auswendig, wodurch dieser merklich an Reiz und Originalität einbüßt. Und auch die Einspiel-Clips sind zwar originell, humorig und liebevoll zusammengeschnitten, aber eben auch sehr lang - und im Laufe des Abends werden sie gefühlt immer und immer länger. Als dann nach Mitternacht endlich der letzte Kandidat den Weg zum Buzzer gefunden und das begehrte Fahrzeug gewonnen hat, atmet der Zuschauer triumphierend auf, die vier Stunden durchgehalten zu haben - zumindest dürfte das die Hoffnung der Programmverantwortlichen sein. Die weniger schöne Alternative wäre, dass ein Großteil des Publikums längst abgeschaltet und sich schlimmstenfalls bei der Konkurrenz umgesehen hat.

Dabei versucht man wirklich viel, um die Zuschauer an die Sendung zu binden: Die ersten 70 Minuten kommen ohne längere Werbeunterbrechung aus, auch danach ist der Werbeumfang vor allem für ProSiebenSat.1-Verhältnisse erfreulich moderat. Ein Umstand, der sich im Erfolgsfall allerdings rasch ändern dürfte. Bei einem Teil des Studio-Kurses liegt zudem die Vermutung nahe, dass die Verantwortlichen ein kleines Medien-Skandälchen provozieren wollen: Kurz vor der Ziellinie muss sich der Kandidat ein Tattoo stechen lassen, um das Spiel fortzusetzen. Dabei darf er zwischen einer winzigen Rosine (man könnte es auch Punkt nennen) und drei weitaus größeren und peinlicheren Motiven wählen, die dafür einen Zeitbonus einbringen. Wer nicht bereit ist, sich zumindest die Rosine stechen zu lassen, scheidet aber aus. Die Moderatoren sind sich offenkundig darüber im klaren, wie fragwürdig dieser Part aus moralischer Sicht ist, weisen den jeweiligen Kandidaten allerdings zumindest auf die Folgen seines Handelns hin und fragen mehrfach nach, ob er sich derer bewusst ist. Wer allerdings noch Stoff für ausschweifende Online-Monologe über die Verrohung der Medienlandschaft benötigt, kann sich hier eine kleine Randnotiz machen - mehr gibt diese Sequenz nicht her.

Wie gefiel Ihnen der Auftakt von «Mein bester Feind»?
Sehr gut, ich bleibe auf jeden Fall dran.
56,8%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
24,8%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
8,4%
Habe es (noch) nicht gesehen.
10,0%


Insgesamt ist der Auftakt von «Mein bester Feind» geglückt und überzeugt prinzipiell auf fast allen Ebenen, die eine gute Show im 21. Jahrhundert ausmacht. Doch so gekonnt sie auch die Möglichkeiten des modernen Fernsehens zu nutzen weiß, so sehr leidet sie unter dessen quantitativen Erwartungen. Letztlich verabschiedet sich das Publikum letztlich eher erschöpft denn begeistert, eher erleichtert denn nach weiterem Stoff gierend von vier Stunden Joko-und-Klaas-Bombast, von dem letztlich deutlich zu viel "meine Güte, hat sich das gezogen" und deutlich zu wenig "Wahnsinn, wie viel Herzblut und Spannung da drin steckt" hängen bleibt. Dem inhaltlichen Gesamteindruck schadet das sehr - und mittelfristig womöglich auch den Einschaltquoten.

Die zweite Folge von «Mein bester Feind» soll am Samstag, den 3. Januar folgen. Mehr Kurzweil ist allerdings nicht zu erwarten: ProSieben gibt erneut eine vier Stunden umfassende Sendezeit von 20:15 Uhr bis 0:15 Uhr an.
07.12.2014 02:22 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/74937