Sender in Sorge: Interesse an Formel 1 schwindet drastisch

Leise Motoren, Mercedes-Dominanz: Vor allem im Free-TV befinden sich die Zuschauerzahlen der Königsklasse des Motorsports im Sinkflug. Was Sender und Fans sagen.

Sebastian Vettel wird in dieser Saison wohl kaum noch Chancen haben, seinen Weltmeistertitel in der Formel 1 zu verteidigen. Stattdessen erleben die Formel 1-Fans in diesem Jahr eine ungewöhnliche Dominanz der Silberpfeile von Mercedes – und die Fernsehmacher dramatisch sinkende Zuschauerzahlen. Acht Rennen wurden bisher gefahren, fünf davon wurden nachmittags oder abends deutscher Zeit gestartet. Betrachtet man nun nur diese fünf Rennen, so kam RTL kein einziges Mal auf mehr als fünf Millionen Zuschauer. 2013 noch erreichten alle Rennen, die nachmittags oder abends zu sehen waren, mehr als fünf Millionen.

Im Schnitt kommt die Formel 1 auf 4,52 Millionen Zuschauer und etwas mehr als 27 Prozent Marktanteil bei allen. 2013 lag man bis zum achten Rennen, das Ende Juni stieg, bei noch etwas mehr als sechs Millionen Zusehern und 32,4 Prozent Marktanteil. Die Rückgänge sind also dramatisch. Der Sender selbst beobachtet diese ganz genau, wollte sich auf Anfrage von Quotenmeter.de aber nur sehr knapp zu dieser Thematik äußern. RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer teilte mit: „Die TV-Quoten in der Formel 1 sind zuletzt nicht nur Deutschland, sondern weltweit tendenziell gesunken. Wir analysieren diese Entwicklung sehr genau, sind aber von dem außergewöhnlichen Potenzial dieser Sportart weiterhin fest überzeugt.“ Bezahlsender Sky teilt die Einschätzung sinkender Zuschauerzahlen in Bezug auf sein Programm derweil nicht.

Dort verweist man nämlich auf etwas stabilere Quoten. Im Schnitt hätten die Rennübertragungen bei Sky im bisherigen Saisonverlauf 0,32 Millionen Zuschauer erreicht, im Vorjahr waren es 0,38 Millionen. Beim Bezahlsender sieht man den leichten Rückgang auch in den warmen Temperaturen - beispielsweise am Wochenende des Monaco-Rennens - begründet. Vielleicht aber steckt doch mehr dahinter? Nachdem Sky zuletzt in Sachen Formel1-Zuschauerzahlen deutliche Zugewinne verzeichnete, ist dieser Trend zumindest gestoppt. Nicht nur in Deutschland wird geklagt, auch in den wichtigen Märkten England, Italien und Spanien fallen die Zuschauerzahlen seit Jahren. In England und Italien ist das Produkt Formel 1 teilweise exklusiv im Pay-TV angekommen; die freiempfangbaren Sender zeigen nur noch einen Teil der Rennen live.

Florian Hellmuth, Blogger und glühender Formel 1-Fan, sieht zwei Gründe für den rasanten Rückgang der Zuschauerzahlen: „Die Spannung an der Spitze ist kaum noch vorhanden“, erzählt er mit Blick auf die Dominanz der Führenden. „In den vergangenen Jahren war es Sebastian Vettel, der im Grunde alles dominiert hat. Man wusste in den meisten Fällen, wer am Ende das Rennen gewinnen würde. Es gab kaum Überraschungen und daher fehlte vielen am Ende auch ein Grund, die Rennen zu verfolgen.“ Zweikämpfe, von denen der Sport einst lebte, seien kaum noch vorhanden, beklagt er. „Bei Michael Schumacher damals war es zwar ähnlich, Schumacher hatte aber schlichtweg eine größere Strahlkraft als Vettel heute“, so der Blogger.

Als zweiten Grund führt er das geänderte Reglement an. Durch das mehr an Technik sei einiges an Formel 1-Flair verloren gegangen, sagt Hellmuth. „Die Rennen sind extrem abhängig von der Technik, was aber fehlt ist die Möglichkeit für die Fahrer, sich auszuzeichnen. Damals war nicht nur das Auto wichtig, sondern vor allem das fahrerische Können. Das ist heute limitiert. Kein Tanken mehr, keine freie Reifenwahl – Zu viele Regeln, zu schwierig für die Zuschauer,“ bilanziert er.

Seiner Meinung zufolge wollen die Zuschauer ehrlichen Rennsport und nicht das, was die Formel 1 ihnen bisher anbietet. Weitere Regeländerungen im Zuge der Reichweitentendenz sind durchaus wahrscheinlich – allzu viel Hoffnung hegt Hellmuth aber nicht: „Ich habe das Gefühl, immer wenn die FOM irgendwas ändert, ist es eine Verschlimmbesserung. Passend dazu gibt’s ja nun die Regel mit der doppelten Punktzahl bei einigen Rennen, um die WM-Entscheidung spannender zu machen. Das könnte es zwar, macht aber einige Rennen wichtiger, als andere. Die Fans haben ja bereits laut kommuniziert, was sie davon halten. Nicht viel. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man zu alten Wurzeln zurückkehren wird. Eher probiert man neue Dinge, die dann am Ende aber nicht angenommen werden oder die Quote weiter verringern.“
Was ist Ihrer Meinung nach der Hauptgrund für die zurückgehenden Zahlen?
Der seit diesem Jahr veränderte Sound der Autos.
13,0%
Vettel weit abgeschlagen.
13,3%
Das neue Reglement und die Konsequenzen auf die Renntaktik
73,7%

Sowohl RTL als auch Sky werden sich diese Entwicklung ganz genau anschauen. RTLs Vertrag mit der FOM, die die Rechte vergibt, läuft Ende 2015 aus – genau wie der von Sky. Einige spekulieren dann, dass auch in Deutschland das Modell kommen könnte, das schon in England und Italien mit den Sky-Sendern ausgehandelt wurde: Ein Teil der Rennen würde dann exklusiv im Pay-TV laufen. Das macht für den Bezahlsender aber natürlich nur Sinn, wenn die Formel 1 nicht noch unattraktiver wird. Und auch RTL wird sich im kommenden Jahr genau überlegen, wie viel Geld man für die Rechte angesichts der Zuschauerentwicklung auf den Tisch legen möchte.
30.06.2014 11:01 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/71569