Die Kino-Kritiker: «Pompeii 3D»

Paul W. S. Anderson lässt Pompeji untergehen. Mit 3D-Effekten und eindimensionalen Leinwandhelden.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Paul W. S. Anderson
  • Produktion: Jeremy Bolt, Paul W. S. Anderson, Robert Kulzer, Don Carmody
  • Drehbuch: Janet Scott Batchler, Lee Batchler und Michael Robert Johnson
  • Musik: Clinton Shorter
  • Kamera: Glen MacPherson
  • Schnitt: Michelle Conroy
Es ist all zu naheliegend, wahllos auf Actionfilmer Paul W. S. Anderson draufzuhauen. Aber es wäre nicht falsch, dem Ehemann von Milla Jovovich auch ein gewisses Talent zuzugestehen. Seine Filme sind zwar seit vielen Jahren von jeglichem Anspruch oder Innovationsstreben befreit, dennoch stellt Anderson längst nicht den Stümper dar, zu dem ihn vor allem genervte «Resident Evil»-Fans stilisieren wollen. Anderson ist fähig, kinetische, stylische Action auf die Leinwand zu bringen und hat (anders als sein Kollege McG) trotz deutlicher Michael-Bay-Inspiration sogar eine eigene Handschrift. Es ist halt größtenteils eine Frage der Einstellung: «Die drei Musketiere 3D» etwa ist mit seinen unverschämt stolz zur Schau getragenen Übertreibungen ein Kleinod des sündigen Filmspaßes und das 3D-Effektspektakel «Resident Evil: Retribution» ist zwar eine Beleidigung der Game-Vorlage, doch verdrängt man, worauf der Film basiert, weiß er als sinnbefreit-mitreißender Sci-Fi-Actioner zu punkten.

Was aber passiert, wenn sich ein auf extrem seichte Actionvergnügen spezialisierender Regisseur einer antiken Begebenheit annimmt und versucht, daraus ein emotionales, dennoch Popcorn-kompatibles Kinoerlebnis zu formen? Dann findet sich das Publikum im lieblosen Kino-Kochstudio mit Paul W. S. Anderson wieder: Man nehme eine vom Unglück verfolgte, Standesgrenzen überschreitende Liebesbeziehung. Ähnlich wie in «Titanic» bloß eindimensionaler – also eher so wie aus einem der zahllosen cineastischen «Titanic»-Trittbrettfahrer. Dies verpacke man vor dem Hintergrund eines Vulkan-Katastrophenfilms und all dies garniere man mit blutleeren «Gladiator»-Anleihen – in zurückhaltendem 3D!

Genauer erläutert liest sich der Plot des Films wie folgt: «Pompeii 3D» spielt in den letzten Tagen des blühenden Pompeji vor dem Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 nach Christus. Der Sklave Milo (Kit Harington) wird in die malerische Hafenstadt verfrachtet, um dort als Gladiator zu kämpfen. Auf dem Weg dorthin lernt er die junge Cassia (Emily Browning) kennen und lieben, deren Vater über die Stadt regiert und sich gerade in schwierigen Verhandlungen mit dem launischen Senator Corvus (Kiefer Sutherland) befindet. Während Cassia, ihr Vater und Corvus in den Villen Pompejis Machtspiele treiben, schafft sich Milo während eines Trainingskampfes einen neuen Erzfeind: Den jahrelangen, erfolgsverwöhnten Gladiatorenkämpfer Atticus (Adewale Akinnuoye-Agbaje), den nur noch ein einziger Sieg von der Freilassung trennt ...

Die geheime Zutat, die einige von Andersons vergangenen Regiearbeiten im Gegensatz zu «Pompeii 3D» so vergnüglich macht, obwohl sie intellektuell ebenso tief stapeln, ist ihr Selbstverständnis. «Resident Evil: Retribution» verzichtete nahezu durchgehend auf jeglichen „Ballast“ in Form von Charakterisierungen und ausgearbeitete Handlungsbögen, um stattdessen zahlreiche, stilistisch völlig unterschiedliche Actionszenen in eine aufs Minimum reduzierte Story zu packen. Wo kein Inhalt ist, können keine Schwächen stören – weshalb allein cool choreographierte Action den Film trägt. «Die drei Musketiere 3D» wiederum hat sehr wohl so etwas wie eine Handlung und halbwegs definierte Figuren aufzuweisen, ist aber in seiner platten, überbordenden und keinerlei Subtilität kennenden Umsetzung dermaßen tolldreist, dass die eingangs gebotene Fremdscham nahtlos in Faszination an dieser unverblümten Spaßproduktion umschlägt.

«Pompeii 3D» kennt aber weder den kuriosen Verzicht auf Inhalt, der die wilderen «Resident Evil»-Filme ausmacht, noch den aufgedrehten, furios zelebrierten Stumpfsinn von «Die drei Musketiere 3D». Die Liebesgeschichte zwischen Cassia und Milo? Vollkommen unterentwickelt und anhand von flachen Dialoge vorangetrieben. Dennoch drücken die Autoren Janet Scott & Lee Batchler und Michael Robert Johnson in längeren, ruhigen Momenten schwerfällig auf die Tränendrüsen. Somit funktioniert der Romantiksubplot weder als seichter Kitsch, noch als unfreiwillig amüsantes „Guilty Pleasure“. Viel mehr ist er ein Bremsklotz, der dem mit 105 Minuten Laufzeit gar nicht einmal so langen Katastrophenfilm viel Dynamik raubt. Kiefer Sutherlands Darbietung als arroganter Senator? Dick aufgetragen, nicht aber mit so ansteckender Freude wie Orlando Blooms extravaganter Schurke in «Die drei Musketiere 3D». Adewale Akinnuoye-Agbaje in der Rolle des Ehrfurcht gebietenden Gladiatoren Atticus? Trocken, solide, von Andersons pathetischer Inszenierung untergraben, aber zu arm an heldenhaften Momenten, als dass die überdrehte Regieführung den heimlichen Helden dieses Films in eine kurzweilig-trashige Richtung schieben könnte.

Da die Charaktermomente weder nüchtern betrachtet unterhalten, noch ungewollt lustig ausfallen, bleiben allein die Actionsequenzen über, die «Pompeii 3D» sehenswert machen könnten. Angesichts dessen, dass Paul W. S. Anderson allerhand Erfahrung mit 3D-Effekten hat, wäre es auch nicht vermessen, von diesem Gladiatoren-Katastrophenfilm ein visuelles Spektakel zu erwarten. Aber weit gefehlt: Die Scharmützel der Gladiatoren sind weder beeindruckend rasant, noch stylisch, sondern überraschend behäbig sowie äußerst blutarm. Die dritte Dimension kommt in den eher zurückhaltend eingefangenen Kämpfen auch nicht zur Geltung, während der Qualm in den Zerstörungssequenzen dem Bild wenigstens eine ansehnliche Plastizität verleiht. Trotzdem gerät die vom Vesuv ausgelöste Zerstörungsorgie weder atmosphärisch (dafür wird die Bedrohung nicht plausibel genug geschildert), noch aufregend – da hätte es originellere Einfälle oder spektakulärere Effekte gebraucht.

Fazit: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Statt einen seichten, rasanten Thrillride abzuliefern, versucht sich Paul W. S. Anderson in «Pompeii 3D» an einer pathetischen Mischung aus Katastrophendrama und Gladiatorenabenteuer. Diese ist aber einerseits viel zu naiv und kitschig, um ernst genommen zu werden, andererseits viel zu dröge, um als sündhafter 3D-Spaß zu unterhalten.

«Pompeii 3D» ist ab dem 27. Februar 2014 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
27.02.2014 10:45 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/69238