Der Fernsehfriedhof: „Your Favorite Superstar“

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 233: Der Vorläufer von «Popstars» und die erste, längst vergessene Castingband des deutschen Fernsehens.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer der ersten Castingbands, die das deutsche Fernsehen hervorbrachte.

«Deine Band» wurde am 07. Oktober 2000 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als das Land Dank «Big Brother», «Geld für Dein Leben» und «Der Maulwurf» von Realityprogrammen überflutet wurde. Gleichzeitig erhielten Pseudopromis wie Zlatko, Regina Zindler oder Ö La Palöma Boys immer mehr (gewollte oder ungewollte) Aufmerksamkeit und Plattenverträge. Angesichts dieses aufkommenden Realitybooms und der voranschreitenden Verzahnung von Fernsehbranche und Musikindustrie war Deutschland nun für die erste (offizielle) Castingshow bereit. Der Kanal RTL II stand mit seinem neuseeländischen Import «Popstars» bereits in den Startlöchern und hatte im Sommer dafür rund 2.500 Mädchen vorsingen lassen. Doch rund einen Monat vor der Premiere, kam ihnen der Schwesternsender RTL mit einem auffallend ähnlichen Format zuvor.

Wie bei den späteren «Popstars» wurde auch in «Deine Band» die Zusammensetzung einer bisher nicht existierenden Musikgruppe sowie deren Werdegang bis zur ersten Singleveröffentlichung gezeigt. Dabei sollte es sich laut der Produzenten bewusst nicht um eine Boygroup handeln, sondern um Musiker, die zwar nicht tanzen, aber dafür ihre Instrumente selbst spielen würden. Als Ergebnis erhoffte man sich eine Mischung aus Robbie Williams und Reamonn. Damit den Fernsehkameras auf dem Weg nach oben kein wichtiges Detail entging, zogen die vermeintlichen Rockstars (ähnlich des späteren «Popstars»-Bandhauses) in eine Villa in der Nähe von Köln – das sogenannte Schloss. Anders als bei «Big Brother» erhielten sie jedoch getrennte Zimmer und wurden nicht rund um die Uhr überwacht.

Es gab aber zu den «Popstars» einen entscheidenden Unterschied, denn über die maßgeblichen Schritte auf der Karriereleiter entschied nicht eine Expertenjury, sondern darüber stimmten die Zuschauer ab. Pro Ausgabe wurden daher für einen wichtigen Baustein drei Vorschläge von der Redaktion gemacht, unter denen gewählt wurde. So legte das Publikum den Bandnamen, den Titel der Single, das zugehörige Cover-Layout sowie den Look des ersten Videoclips fest. In der Auftaktepisode galt es zudem die Zusammensetzung der Band zu finden. Für die Instrumente Schlagzeug, Gitarre, Bass, Keyboard sowie für die Lead Vocals standen dafür ebenfalls drei Kandidaten zur Auswahl. Am Ende eroberten Nicki, Hilton (was für ein Zufall!), Stefan, Ingo und Dirk die meisten Stimmen.

Weil aber eine rein männliche Gruppe offenbar zu unspektakulär war und man sich offenbar auch etwas Sex und Eifersucht im Schloss erhoffte, kamen die beiden Background-Sängerinnen Bervin und Josephine ebenfalls dazu. Zusammen bildeten die sieben Figuren die letztendliche Band, die den vielsagenden Namen „Public Animals“ erhielt. In deren erster Single hieß es dann passenderweise „Now You Can See, We Came From Everywhere And Now We On TV... Here We Are, Your Favorite Superstar“.

Was die Band auf ihrem Weg zur Plattenveröffentlichung erlebte, gab es wöchentlich in einer 45minütigen Zusammenfassung zu sehen, in der auch die Ergebnisse der Votings sowie die neuen Auswahlmöglichkeiten vorgestellt wurden. Deren Präsentation direkt aus dem Schloss übernahm die Moderatorin Miriam Pielhau, die zuvor in der interaktiven Computershow «NBC Giga» auffiel. Als Außenreporterin trat konsequenterweise Andrea Singh in Erscheinung, die im Juni 2000 in der ersten «Big Brother»-Staffel mitmachte und als drittplatzierte den Container verließ.

Obwohl das Projekt rückwirkend als wegweisend bezeichnet werden kann, schienen die Verantwortlichen beim Sender RTL davon nicht überzeugt zu sein, denn sie programmierten es lediglich im samstäglichen Nachmittagsprogramm um 16.30 Uhr. Dort bildete es zwar mit der Musikshow «Top Of The Pops» eine gute Einheit, fand aber dennoch außerhalb des Hauptprogramms statt. Falsch schien die Entscheidung nicht gewesen zu sein, denn die Zuschauer zeigten sich gegenüber dem Format skeptisch. In den einschlägigen Foren wurde damals immer wieder die Kommerzialisierung des Musikbusiness sowie eine allgemeine Übersättigung des Programms mit ähnlichen Realitykonzepten kritisiert. Diese Ablehnung schlug sich auch in den Marktanteilen nieder, denn in der werberelevanten Zielgruppe lagen diese meist nur bei fünf Prozent, was einem Totalausfall glich. Nach vier Ausgaben folgte daher eine Neuausrichtung der Reihe sowie der Ausstieg von Moderatorin Miriam Pielhau, die sie offiziell aus Zeitmangel verließ. Zusätzlich wurde ein täglicher Live-Stream von den Proben via Internet sowie ein Chat mit den Bandmitgliedern eingeführt. Doch auch diese Rettungsaktionen konnten den Trend nicht mehr umkehren, sodass die Sendeleitung zwei Ausgaben vor dem eigentlich geplanten Finale, das Vorhaben vorzeitig beendete.

«Deine Band» wurde am 25. November 2000 beerdigt und erreichte ein Alter von acht Folgen. Die Show hinterließ die Moderatorin Miriam Pielhau, die zunächst die Magazine «Weck Up» und «taff» moderierte, bevor sie ab 2008 folgerichtig durch die neunte Staffel von «Big Brother» führte. Die Band „Public Animals“ veröffentlichte lediglich die Single „Here We Are“ und löste sich dann auf. Ihre meisten Mitglieder wurden später getrennt voneinander von bekannten Künstlern für Auftritte und Tourneen gebucht. Als RTL II nur einen Monat nach dem Start der Reihe in «Popstars» nach unbedarften Sängerinnen, die keine Instrumente beherrschten, suchte und auf die Mitbestimmung der Zuschauer verzichtete, wurden sowohl Show als auch Band zu einem großen Erfolg. Was für eine Aussage!

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem Programmablauf vom ersten Sendetag des ZDF.

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28.03.2013 11:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/62902