Die Kritiker: «Der Ballermann – Ein Bulle auf Mallorca»

Auf dem Ballermann ballert ein Ballermann, Mann! Der Pilotfilm zur neuen RTL-Serienidee der «Alarm für Cobra 11»-Schmiede ist ebenso unoriginell wie witzlos.

Inhalt
Drogenfahnder Tom Hammer erlebt keinen feierlichen Geburtstag: Erst versaut ihm eine Bekannte einen wichtigen Einsatz in einer Skihütte, dann wird er von seinem Chef zusammengestaucht und zu allem Überfluss wird dann auch noch sein bester Freund brutal erschossen. Da für den Polizisten „zimperlich“ ein Fremdwort ist, verfolgt er ohne Genehmigung die Spur der Killer, was ihn nach Mallorca führt, wo in der High Society allerhand dunkle Machenschaften getrieben werden. Die Strippenzieherin hinter diesen zwielichtigen Geschäften ist eine weltgewandte Frau, die von allen nur „Boss“ genannt wird. Während Tom versucht, die reiche Dame auszuspionieren, begegnet er auch seiner Ex Steffi, die sich gegen den Willen des „Ballermanns“ unter den deutschen Polizisten in seine Ermittlungen einmischt ...

Darsteller
Tobias Licht («Die Draufgänger») als Tom Hammer
Nina-Friederike Gnädig («SOKO Stuttgart») als Steffi
Sonja Kirchberger («Neues vom Wixxer») als Boss
Özgür Karadeniz («Hannah Mangold & Lucy Palm») als Cruz
Philipp Danne («Die LottoKönige») als Fernando
Markus Boysen («Tornado – Der Zorn des Himmels») als Torres
Francisco Medina («Alles was zählt») als Santiago
Birte Glang («Agent Ranjid rettet die Welt») als Victoria

Kritik
Frühmorgens, der Radiowecker spielt „I Got You Babe“ von Sonny & Cher. Kennen Sie das? Natürlich kennen Sie das, und zwar aus «Und täglich grüßt das Murmeltier», der berührenden Kultkomödie mit Bill Murray. Täglich grüßt auch bei der Fiction auf RTL das Murmeltier – oder sollte man sagen „und täglich schmerzt die Murmel hier“? Wenn Ihnen bei diesem grausigen Wortspielchen der Schädel brummte – herzlich willkommen in der Welt von «Der Ballermann», dem jüngsten, doch keinesfalls einfallsreichsten, RTL-Fernsehfilm. Konzipiert wurde er mit der Hoffnung, eine Actionserie zu etablieren, die den Erfolg von «Alarm für Cobra 11» kopieren kann. Mit action concept steht die Autobahnpolizei-Produktionsschmiede auch hinter der Crimeserie auf Deutschlands liebster Urlaubsinsel. Zum Feiern ist das Ergebnis aber nicht, denn was den Zuschauern dort an Sprüchen geboten wird, wäre selbst manchen Ballermann-Partyschlagersängern zu dumm.

Kleine Auswahl gefällig? Raubein Tom Hammer, man stelle sich Henning Baums «Der letzte Bulle»-Helden ohne ironischen Witz und anachronistischen 80er-Charme vor, kennt nur eine Vorgehensweise: „Manchmal muss man eben mit dem Hammer ran!“ Diese Methodik brachte ihm auch den Spitznamen „Ballermann“ ein – was für ein geistreicher Schicksalsstreich, dass es ihn ausgerechnet an den Ballermann verschlägt! Wenn es schlecht für ihn läuft, merkt er in hölzernem Tonfall an, dass er sich zwar keine Vorstellungen von seinem Geburtstag gemacht habe, dass er so vergeht, habe er sich aber auch nicht ausgemalt. Und „das Glück ist mit den Tüchtigen – manchmal aber auch das Pech!“

Drehbuchautor Marc Hillefeld und Regisseur Heinz Dietz haben ganz offensichtlich schon einmal Krimis mit kernigen Helden gesehen. Hammer erfüllt einige der Pflichtkriterien für herbe Ermittlerfiguren – er legt sich mit seinem Chef an, hatte mal eine glücklich-romantische Beziehung, lebt nun aber als feister Junggeselle, er gibt zu, nicht sehr belesen zu sein, ist aber bauernschlau und selbst wenn er das Lehrbuch für Vorzeigepolizisten biegt und bricht, so bleibt er ein unbestechlich guter Mensch. Alles schon hundertfach gesehen, und dass es funktioniert, wurde ebenfalls unzählige Male bewiesen. Verstanden haben die «Ballermann»-Macher den Erfolg ihrer Vorbilder derweil nicht, denn Hammer fehlt das Herausstellungsmerkmal – sei es die Fehlbarkeit eines verschwitzten John McClane oder der selbstironische Witz des besagten letzten Sat.1-Bullen. Hammer ist keine Figur, die einen 90-minütigen Fernsehfilm tragen kann, geschweige denn eine ganze Fernsehserie, sondern bloß das Grundgerüst für solch einen TV-Helden. Das hat er mit den «Alarm für Cobra 11»-Protagonisten gemein, doch ihnen werden zumindest süffisante, teilweise sogar sich der Flachheit ihres Formats bewusste, Sprüche in den Mund gelegt, während spektakulär eine Karre nach der anderen in die Luft fliegt. Der Wortwitz von «Der Ballermann» unterdessen ist flacher als ein durchgesiffter Bierdeckel, die Actionsequenzen wiederum sind starrer als die Stielaugen, die volltrunkene Mallorca-Touristen machen, wenn eine Bikinischönheit an ihnen vorbeitänzelt.

So viel Urlaubslaune die Kulisse dieses drögen Pilotfilms auch erzeugen mag, die Verfolgungsjagden und Schießereien, die vor ihnen stattfinden, weisen keinerlei Schwung auf und sind ohne jegliches Rhythmusgefühl geschnitten. Die lahmen Standardkameraeinstellungen, die keine Atmosphäre versprühen, erinnern eher an die elendigen Party-Dokusoaps, die das deutsche Privatfernsehen verstopfen, als an eine aufwändige action-concept-Produktion – auch wenn das Bild selbstredend gestochen scharf ist. Gewissermaßen erfindet «Der Ballermann» somit die untersten Maßstäbe an oberflächliche Fernsehunterhaltung neu, denn sogar die oberflächlichen Qualitäten gehen nur auf der Oberfläche auf. Das Bild ist kristallklar, aber die Aufnahmen lahm und keinesfalls auf feinstem „Hirn aus, Action an!“-Niveau. Die Musikauswahl besteht aus Hits und Partymucke, doch wird so uninspiriert in die Handlung gehebelt, dass sie wie ein Fremdkörper wirkt. Und Hammer labert aus dem Off wie ein harter Actionheld, aber seine Sprüche lassen wahre Film-noir-Betrüblichkeit oder pointierte Ironie missen.

Wenn «CSI: Miami» Edelpopcorn ist und «Alarm für Cobra 11» das TV-Pendant einer Tüte Kirmes-Popcorn, dann ist der seelenlos gespielte sowie ideenarm inszenierte RTL-Pilotfilm «Der Ballermann» ein Spritzer Popcornaroma. Man wittert nährwertarmen, fluffigen Spaß und bekommt ehrlichen Appetit auf diese sündige Form der Unterhaltung – aber gestillt wird der Hunger nicht.

RTL zeigt «Der Ballermann» am Donnerstag, 27. Dezember 2012 zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr.
27.12.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/61169