Der Sitcomfriedhof: Ein «Cheers» für Arme

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 210: Die deutsche Version der US-Sitcom «Cheers».

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines Projekts, das im Grunde von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

«Bistro, Bistro» wurde am 08. Januar 1993 im ZDF geboren und entstand zu einer Zeit, als deutsche Fernsehmacher zunehmend auf den Erfolg der amerikanischen Sitcoms aufmerksam wurden und daher mit aller Gewalt versuchten, das in den USA beliebte Format zu importieren. Allerdings fehlte den meisten damaligen Programmverantwortlichen die Erfahrung, wie man eine gute Sitcom entwickelte. Was lag daher näher, als einfach eine etablierte Reihe ins Deutsche zu übernehmen? Immerhin gelang dies bereits in den 1970er Jahren mit der Adaption von «Till Death Us Do Part» als «Ein Herz und eine Seele» äußerst erfolgreich.

Wolfgang Neumann, dem damaligen Unterhaltungschef des ZDF, war vor allem die US-Serie «Cheers» aufgefallen, die in ihrem Heimatland regelmäßig rund 20 Millionen Zuschauer begeisterte und es auf etwa 270 Episoden und 27 Emmy-Auszeichnungen brachte. Die Entscheidung, ausgerechnet diese Serie adaptieren zu wollen, war trotz ihres Erfolgs allerdings recht überraschend, enttäuschte doch ihre erste deutsche Ausstrahlung im Winter des Jahres 1985 im Vorabendprogramm des ZDF. Dies mag aber vor allem daran gelegen haben, dass sie damals noch unter dem eigenwilligen Titel «Prost, Helmut» lief und bei der Synchronisation stark vom Ausgangsmaterial abgewichen wurde (u.a. wurden die Hauptfiguren umbenannt).

Von diesem Rückschlag unbeeindruckt ließ das ZDF dennoch eine eigene Version der Serie herstellen, in der ebenfalls die witzigen Erlebnisse der Mitarbeiter und Gäste eines gemütlichen Lokals portraitiert wurden. Die deutsche Variante wollte jedoch den Spagat meistern und sowohl dem Original entsprechen, sich aber auch gleichzeitig von diesem abheben. Daher wurden anders als bei späteren Serien wie «Hilfe, meine Familie spinnt» und «Ein Job fürs Leben» die Originaldrehbücher nicht einfach übernommen, sondern eigene Geschichten entwickelt. Für deren Ausarbeitung konnten die bewährten Autoren Karl Heinz Willschrei, Eva und Volker Zahn sowie Peter Bradatsch gewonnen werden.

Zusätzlich nahmen diese auch Veränderungen an der Figurenkonstellation und dem Grundkonzept vor. Spielte die US-Version noch in einer gemütlichen Kellerbar, wandelte sich der Schauplatz im ZDF nun in ein Bistro. Zudem fielen die Figuren des älteren Barkeepers Coach sowie des einfältigen Woodys weg. Unter den Gästen waren nun auch kein Postbote, kein Psychologe und kein Arbeitsloser mehr, sondern stattdessen ein miesgelaunter Taxifahrer, eine homosexueller Florist, eine eifrige Boulevardreporterin, ein Endlossstudent und ein dümmlicher Polizist aus Sachsen. Kurz, vor allem die Gäste verkamen in der Kopie zu reinen Stereotypen und dummen Klischees.

Die Hauptrollen übernahmen in der deutschen Variante Uwe Fellensiek (als Wirt Giorgio), Stephanie Philipp (als junge Kellnerin), Louise Martini (als ältere Kellnerin), Klaus Guth (als schwuler Blumenverkäufer), Tilo Prückner (als Dauerstudent), Ute Willing (als Reporterin) und Christian Ebel (als Polizist), die allesamt bereits kleinere und größere Auftritte in erfolgreichen Serien wie «Ein Fall für zwei», «Forsthaus Falkenau», «Derrick» und «Detektivbüro Roth» hatten. Mit Ralf Richter kam als Taxifahrer zudem ein echter Filmstar zum Ensemble hinzu, der zuvor in den Erfolgen «Das Boot», «Abwärts» und «Rote Erde» mitspielte.

Der damals leitende Redakteur des ZDF in der Abteilung Show, Horst Christian Tadey, gab später jedoch in einem Interview mit der Autorin Daniela Holzer zu, dass in der prominenten Besetzung ein großes Problem für die Serie bestand: „Wir hatten lauter Stars, die alle ihre eigenen Geschichten haben wollten. Als logische Konsequenz ergab sich daraus, dass die Geschichten in zu viele verschiedene Richtungen drifteten, was dem Stoff selbst nicht zum Vorteil gereichte.“

Versuchte sich das Produktionsteam thematisch von der Vorlage durch das Verfassen von eigenen Büchern abzuheben, orientierte es sich bei der handwerklichen Umsetzung hingegen stark an der Vorlage und reiste in die amerikanischen Paramount Studios, um bei der dortigen Herstellung zu hospitieren. Insbesondere übernahm man aus den USA das Verfahren, die Folgen vor einem Live-Publikum aufzuzeichnen, was in Deutschland zu jener Zeit und auch heute noch bei fiktionalen Produktionen eher unüblich ist. Die inhaltlichen Schwächen konnten damit allerdings nicht überdeckt werden, sodass die deutsche Version in der Presse keine positive Besprechung erfuhr.

Zum mäßigen Interesse der Vorlage und der mangelhaften Umsetzung kam dann noch ein unglücklicher Sendeplatz hinzu, denn die halbstündige Comedyserie wurde freitags um 22.15 Uhr und damit direkt nach dem Kulturmagazin «Aspekte» programmiert. Letztlich durfte es zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr überrascht haben, dass die ZDF-Serie kein großes Publikum finden konnte und nach der Ausstrahlung der ersten vorproduzierten Staffel keinen Auftrag zur Fortsetzung erhielt.

«Bistro, Bistro» wurde am 02. April 1993 beerdigt und erreichte ein Alter von 13 Folgen. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller Uwe Fellensiek, der später mit seinen Engagements in den Krimiserien «Im Namen des Gesetzes», «SK Kölsch» und «Notruf Hafenkante» noch bekannter wurde. Ralf Richter hatte nach dem Ende der Sitcom unzählige Auftritte in nahezu allen deutschen Serienproduktionen und übernahm in der ProSieben-Comedy «Was nicht passt, wird passend gemacht» sogar die Hauptrolle. Im Jahr 2002 unterlag er zudem Joey Kelly beim «RTL Promi Boxen». Tilo Prückner erlangte ab 1993 seine größte Popularität durch die Darstellung des Schuberts in der launigen ARD-Reihe «Adelheid und ihre Mörder». Das Original «Cheers» setzte sich übrigens ab dem Jahr 1995 auch in Deutschland etwas mehr durch, als der Sender RTL es in einer neuen Synchronisation unter dem Originaltitel zuerst im täglichen Nachtprogramm und später auch am Vormittag zeigte. Zu diesem Zeitpunkt war aber ihre deutsche Kopie längst in Vergessenheit geraten.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Sitcomfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer RTL-Sitcom, die ihre Premiere beim ZDF erlebte.

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18.10.2012 09:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/59817