Die Kritiker: «Götter wie wir»

Deutschland hat ein neues TV-Highlight. Am Sonntag nach «Roche & Böhmermann». Also dranbleiben!

Inhalt
Inge und Renate, zwei Frauen mittleren Alters mit in Form gesprayten Haaren und biederer Sekretärinnenkleidung, sind Gott und erzählen der Menschheit auf einem Sofa im Himmel sitzend die Geschichte der Schöpfung.

Folge 1 – Adam, Eva und Klaus
Bei der Schöpfung der ersten Menschen verabreden Inge und Renate eine strikte Arbeitsteilung. Doch nach Beendigung des Schöpfungsaktes müssen sie feststellen, dass eine genauere Absprache hilfreich gewesen wäre. Denn nun heißen die beiden ersten Menschen Adam und Klaus, und schnell wird klar: Ein Frau fehlt, will man die Spezies Mensch nicht bereits in einem recht frühen Stadium zum Aussterben verurteilen. Da die Knete jedoch alle ist, wird Eva schnell aus einer Rippe geschöpft. Nun sind die Erstbesiedler zu dritt: Klaus fühlt sich wie das dritte Rad am Wagen, und Eva wäre auch gerne mal mit Adam alleine.

Folge 2 – Ein Bild von einem Gott
Zwar sollen wir uns kein Bildnis von ihm machen, doch wie kommt es, dass man bei Gott immer an einen alten Mann mit Bart denkt? Die Antwort: Bei dem weltberühmten Senior handelt es sich um Günther, Renates vergreisten Vater. Dieser musste herhalten, da Inge und Renate die Menschheit noch nicht mit der Wahrheit konfrontieren wollten. Doch Günther als Gott auftreten zu lassen, stellt sich nicht gerade als ihre beste Idee heraus. Denn Günther handelt eigenmächtig und verspricht Moses das Blaue vom Himmel. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen Inge und Renate für Günters Wort gerade stehen. Doch so eine Meeresteilung macht sich auch nicht mal eben von allein.

Folge 3 – Die Hölle streikt
In der Hölle ist der Teufel los. Sie platzt aus allen Nähten, und nach den Energiesparmaßnahmen ist es jetzt auch noch kalt. Doch Inge und Renate reagieren nicht auf den Protest aus der Hölle. Aufgrund des desolaten Zustandes der Menschheit sehen sich die beiden wirklich nicht in der Lage, die geforderte Quotenregelung für den Himmel einzuführen. Völlig verzweifelt geht man in der Hölle nun auch auf dubiose Vorschläge der Insassen ein. Ob mafiöse Druckmittel stark genug sind, um die Göttinnen zum Einlenken zu bewegen?

Folge 4 – Das 3-Königs-Casting
Wenn Inges und Renates Sohn auf die Erde kommt, nutzt es nichts, wenn keiner davon weiß. Prominenz muss her, um die Geburt zu bezeugen. Ein Marketing-Profi soll die Idee in die Tat umsetzen. Casting-Tapes werden gesichtet, und bald hat man drei adlige Kandidaten gefunden. Sogar an das internationale Publikum wurde gedacht: Multi-Kulti ist Trumpf bei der Besetzung. Doch ganz so einfach ist es mit der Umsetzung ihres Konzeptes dann doch nicht. Die Heiligen Drei Könige erweisen sich als völlig orientierungslos, und den Auftritt im Stall hatten Inge und Renate sich auch etwas glanzvoller vorgestellt.

Folge 5 – Die Wetterkrise
Das Wetter macht, was es will – und das hat seinen Grund. Da Inge und Renate glauben, sie seien noch nicht auf Sendung, hört man diesmal die ungeschminkte Wahrheit. Man erfährt, warum die beiden nicht mehr persönlich das Wetter machen, wie es zum Ozonloch kam und was es mit der Sintflut wirklich auf sich hatte. Denn das günstige Klima-Plus-Paket war wohl nicht die beste Wahl.

Folge 6 – Jesus reloaded
Inge und Renate müssen handeln, da die Schar ihrer Anhänger täglich schrumpft. Die Leute benötigen wieder einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort. Inge und Renate beschließen, Renates Sohn Jesus noch einmal auf die Erde zu schicken. Doch der ist bockig, schließlich ist bei seinem ersten Besuch auf Erden nicht alles glatt gelaufen. Die beiden Göttinnen bieten Judas die vakante Stelle an und damit die Chance auf einen Imagewechsel. Ob Jesus das zulässt? Schließlich war das Übers-Wasser-Laufen auch nicht so schlecht.

Darsteller
Rainer Ewerrien («Achtung Arzt») als Renate
Carsten Strauch («Achtung Arzt») als Inge
Christoph Maria Herbst («Stromberg») als Pharao
Natalie Avelon («Das wilde Leben») als Eva
Oliver Welke («Heute Show») als Wetterdienstleister
Michael Kessler («Switch Reloaded») als PR-Berater
Dieter Moor («Titel Thesen Temperamente») als Kardinal

Kritik
Die Bibel gibt einiges für Satire her. Von postmodernen Schriftstellern wie Robert Coover über Monty Pythons Comedy-Gang bis hin zu Stand-Up-Comedians wie Ricky Gervais ackern sich Intellektuelle und Parodisten schon lange durch das Buch der Bücher und legen all die bizarren Geschichten brach.
Rainer Ewerrien und Carsten Strauch, die in der neuen ZDF.kultur-Serie auch als Inge und Renate auftreten, und ihre Co-Autorin Nina Werth gehen wunderbar anarchisch an das Thema ran. In «Götter wie wir» gibt es keine Tabus, wird keine Bibelfigur von Noah bis Jesus von Gags und Punchlines verschont. Absurd, aber immer feingeistig. Anarchisch, aber immer mit Niveau.

Bei einem derartigen Sujet ist mehr als alles Andere natürlich der Ideenreichtum gefragt, damit das Ergebnis trotz einer zündenden Prämisse nicht abgedroschen wirkt und sich im gesetzten dramaturgischen Rahmen genug Stoff für sechs Folgen ergibt. Hier können die Autoren vollkommen überzeugen und liegen auf einer Linie mit Bobby Henderson, der sich die Bibel des fliegenden Spaghettimonsters ausgedacht hat und ebenfalls eine Vielzahl herrlich absurder Einfälle hatte.

In «Götter wie wir» ist der alttestamentarische brennende Dornbusch auf die Raucherleidenschaft von Günther, dem senilen Vater der Götterhälfte Renate, zurückzuführen, der sich für seine Zigarre auf die Erde zurückziehen musste, da im Himmel Rauchverbot herrscht. Moses ist indes der ambitionierte Schriftsteller, der dem fränkelnden Günther dann gleich ein paar Ideen für seine Anthologie pitcht. Und die Frage, ob man nach dem „Abtreten“ im Himmel oder in der Hölle landet, lässt sich erst nach einem ewigen Bürokratiegeschacher beantworten. Außer für Männer natürlich: Die landen sowieso in der Hölle. Vielleicht machen Renate und Inge aber bald für Schwule eine Ausnahme, sagen sie.

«Götter wie wir» ist innovatives Fernsehen, das anecken wird – vor allem in der Spießbürgerschicht natürlich. Also bei den Leuten, die satirisch überspitzt in dieser Serie Gott sind. Und so schließt sich der Ironiekreis. Die Heiligsprechung kann bei einem derart tollen Format nur eine Frage der Zeit sein.

ZDFkultur zeigt die 15 Minuten langen Folgen von «Götter wie wir» ab Sonntag, 7.Oktober 2012, immer um 23.00 Uhr, also nach «Roche & Böhmermann».
06.10.2012 09:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/59543