Sonntagsfragen an Linus Foerster: 'Der Autor müsste selbstbewusster auftreten.'

Drehbuchautor Linus Foerster hat mit seinem Projekt "Screen Pitch" ein Online-Portal geschaffen, über das Drehbuchautoren ihre Stoffe direkt Produzenten pitchen können. Wir haben uns mit ihm über sein Projekt und die Situation des Drehbuchautors in Deutschland unterhalten.

Stellen Sie uns die Idee hinter „Screen Pitch“ bitte einmal kurz vor.
„Screen Pitch“ ist ein Online-Pitch-Portal für Drehbuchautoren, die dort ihre Filmideen in Form von Video-Pitches hochladen können und dann exklusiv, im Gegensatz zum Crowdfunding, gezielt Produzenten und andere kreative Filmpartner dazu einladen können, diese Pitches online anzuschauen. Hintergrund ist natürlich eine überregionale Vernetzung, das Finden des richtigen Partners im gesamten deutschsprachigen Raum inklusive Österreich und der Schweiz. Es geht darum, die vorhandene Leidenschaft zu potenzieren. Oft ist es ja so, dass man eine Idee hat, dann im Geiste die vier, fünf Produzenten durchgeht, zu denen man ein gutes, enges Verhältnis hat und überlegt: Die passt eigentlich zu niemandem so richtig. Und oft ist das dann auch schon wieder das Ende dieser Idee gewesen. Über „Screen Pitch“ soll es möglich sein, über Suchfunktionen Produzenten und kreative Partner zu finden, die exakt nach dem Genre und dem Format suchen, das man eben anbieten möchte, und so auch über den Tellerrand schauen kann – Deutschland ist ja über seine regionale Filmförderung und über seine Senderstandorte sehr dezentral und unübersichtlich organisiert – und oft weiß man gar nicht, was es denn noch für spannende Produzenten in Köln oder auch in der Schweiz gibt. Da soll „Screen Pitch“ helfen, dass sich die idealen Partner finden können.

Von einer eher seichten Romantic Comedy bis hin zur Berliner Schule können Autoren über Ihre Plattform in allen Genres Stoffe anbieten. Ist „Screen Pitch“ da nicht vielleicht sogar ein bisschen zu breit gefächert oder ist das gerade die Stärke des Projekts?
Ich finde, dass das gerade die Stärke ist. Autoren, die schon länger in der Branche sind, prallen ja oft an Mauern des Machbaren oder Nicht-Machbaren. Ich finde, „Screen Pitch“ ist auch eine Möglichkeit, sich wieder zu besinnen: Warum bin ich eigentlich Drehbuchautor? Was sind die Stoffe, die mich interessieren? Man bietet ja nicht nur einen Stoff an, sondern macht immer auch auf sich selbst aufmerksam, auf den Menschen dahinter. In unserer Branche ist es ja auch extrem wichtig, dass die Chemie stimmt. So kann es sein, dass man eben eine Romantic Comedy oder eine Berliner Schule anbietet, ein Produzent das sieht und sagt: 'Eine Romantic Comedy oder eine Berliner Schule passt gerade nicht unbedingt zu mir und zu unserem Profil. Aber den Menschen, den Autor finde ich spannend und der wohnt ja auch hier in der selben Stadt, den treffe ich mal auf einen Kaffee und vielleicht kann ich mit dem ein ganz anderes Projekt bei der Gelegenheit entwickeln.'

Worauf muss dann vor allem als vielleicht noch unerfahrener Autor beim Pitchen achten?
Da gibt es so einiges zu beachten. Bezüglich „unerfahren“ im Sinne von „kameraunerfahren“ gibt es sicherlich einige praktische Tipps und Hinweise. Wir haben dazu auch einen kleinen Leitfaden komponiert. Ansonsten gibt es vor allem drei Sachen, die man beim Pitch beherzigen muss: Authentisch zu sein, eben auch tatsächlich einen Einblick in die Persönlichkeit zuzulassen, was ich mit der Chemie vorhin auch meinte. Das kann ruhig sogar emotional werden. Viele Autoren haben beim Pitch ein bisschen Scheu davor, „loszuheulen“ oder dergleichen. Das ist aber im Grunde gar nicht schlecht, weil der Produzent dann merkt, dass der Autor tatsächlich emotional hinter seiner Geschichte steht. Das Zweite ist die Professionalität, das heißt, man sollte zwar schon einen Einblick in seine Persönlichkeit zulassen, aber trotzdem signalisieren: 'Ich bin auch in der Lage, dir in der vorgegebenen Zeit den vorgegebenen Text zu liefern.' Und was auch sehr wichtig ist, ist dass man tatsächlich ein aufrichtiges Interesse oder eine große Freude an der Geschichte hat, die man pitcht, weil sich das unterbewusst sofort mitteilt und von dem Produzenten oder anderen Stoffinteressenten sofort positiv wahrgenommen wird.

Wie ist die Resonanz von Produzenten und Produktionsunternehmen auf „Screen Pitch“ bisher ausgefallen? Hat man Sie mit offenen Armen willkommen geheißen oder gab es da auch skeptische Stimmen?
Wir haben bereits eine Testphase durchgeführt und ich habe für diese Testphase zuerst Produzenten angesprochen, um dann auch hochkarätige Autoren zu bekommen, weil es natürlich interessanter ist, wenn man schon weiß, dass da zehn spannende Produzenten sitzen, für die man sich gern einen schönen Pitch ausdenkt und sich auch bemüht, eine gute Performance im Video-Pitch abzuliefern. Da musste ich im Grunde nur als Mitglied des VDD (Anm. d. Red.: Verband Deutscher Drehbuchautoren) über die VDD-Party der Berlinale schlendern, Produzenten, die ich schon kannte, fragen, ob sie Lust hätten, daran teilzunehmen, und die hatten eigentlich alle Lust. In der Testphase waren Produzenten, um nur mal ein paar Firmen zu nennen, von der Bavaria dabei, von Studio Hamburg, von Wiedemann & Berg, von Wüste Film, von Rommel und Schiwago (sowie Cuckoo Clock und Lüthje Schneider Hörl), Redakteure vom NDR und vom Hessischen Rundfunk, von der österreichischen Dor Film und von der schweizerischen Zodiac Pictures, weil uns einfach von Anfang an auch wichtig war, tatsächlich die Grenzen, die das Internet ja immer ein bisschen sprengt, auch mit diesem Projekt zu überwinden.

Wie ist die Idee „Screen Pitch“ bei Ihnen entstanden?
Die Idee entstand aus einem Gefühl, das wohl jeder Autor kennt: Ich hatte eine Idee, hatte sie ausformuliert, hatte eine Produzentin, die ich sehr verehre, die ganz großartige Fernsehfilme in Deutschland gemacht hat, angesprochen. Wir hatten uns bei einer Veranstaltung kennen gelernt, hatten uns danach auch noch einmal getroffen. Und ich hatte sie gefragt, ob sie Lust hätte, etwas von mir zu lesen, und sie hatte Lust. Ich habe ihr das dann geschickt und ich habe gewartet und gewartet und gewartet und während ich so wartete, habe ich mich in einen Produzenten hineinversetzt und habe mich gefragt, warum das immer so lange dauert. Das ist ja kein Einzelfall. Man muss schon sehr oft auf Antwort warten, oft ist man sogar gezwungen, hinterherzulaufen und zu fragen: 'Hast du's schon gelesen? Wie findest du es denn?' Viele Autoren empfinden diese Passivität, in die sie da gedrängt werden, als frustrierend, und ich dachte: Eine Möglichkeit, aktiv und selbstbewusst in den Markt zu gehen, wäre doch, den Stoff zu pitchen und dem Produzenten die Möglichkeit zu geben, sich diesen Pitch anzusehen, wann immer und wo immer sie wollen. Da bietet sich natürlich das Internet an und so war dann die Idee des Video-Pitches geboren.

Da sind wir dann gleich bei der Situation von Drehbuchautoren in Deutschland. In den USA genießen Autoren ja einen ganz anderen Status. Sie haben Gewerkschaften mit festgelegten Mindestlöhnen, sie haben viel stärkere Kontrollmöglichkeiten darüber, was mit ihren Stoffen passiert. Davon können deutsche Autoren nur träumen. Ist „Screen Pitch“ da auch der Versuch, deutsche Autoren aus ihrem Kellerasseldasein zu holen?
Absolut. Es gibt da durchaus auch eine politische Dimension. Mir ist es ein Anliegen, dass Drehbuchautoren selbstbewusster werden. Deswegen ist eine der Voraussetzungen dieses Video-Pitches auch, dass man sich zeigen muss, dass man sein Gesicht zeigt, dass man dann eventuell auch bei Branchenevents und auf Empfängen erkannt wird. Ganz oft ist es ja so, dass man an einem Drehbuchautor vorbeigeht, dessen Filme man sogar bewundert, aber man weiß gar nicht, wie er aussieht. Das ist ein bewusster Nebeneffekt dieses Portals. Dann natürlich auch die Möglichkeit, von sich aus auf den Markt zu gehen und zu zeigen, wie der Stoff aussieht und wie man selbst ist. Das ist schon ein Aspekt, der für mich als Autor wichtig ist. Ich möchte auf jeden Fall ein Portal schaffen, der Launch ist ja für Ende September geplant, dem ich selbst gerne als Autor angehören würde.

Sie haben vorher von „frustrierend“ im Zusammenhang mit den langen Wartezeiten gesprochen, wenn man ein Exposé oder ein Treatment durch die Gegend geschickt hat. Oft werden von vielen Autoren auch die Prozesse, wenn es in die Gespräche mit Produzenten und Redakteuren geht, als frustrierend empfunden. Was müsste in der deutschen Film- und Fernsehbranche passieren, um dem Autor eine stärkere Position zu verschaffen?
Der Autor müsste selbstbewusster auftreten. Letztendlich hat er ja auch viel Kontrolle in der Hand. Er ist der kreative Partner, der Stoffe liefert oder eben nicht liefert. Natürlich ist das nicht immer einfach mit kreativen Partnern und Produzenten, natürlich ist das schwierig, wenn man mit den selben Leuten Honorare und Verträge verhandeln muss und dann noch inhaltlich mit ihnen zusammenarbeitet. Aber für soetwas gibt es ja auch Agenturen, die dann als Filter dazwischen sind. Entweder die Agenturen oder die Autoren müssen klar machen, dass es Grenzen gibt und diese möglichst auch benennen und dann, wenn diese Grenzen erreicht werden, zum Beispiel auch die Arbeit niederlegen. Das wäre dann der Streik im Kleinen.

Viele Autoren haben da, in Deutschland wahrscheinlich weit mehr als in Amerika, die Befürchtung, austauschbar zu sein. Das ist vielleicht auch ein Bild, das viele Redakteure und Produzenten haben: dass man den einen Autor rauswerfen kann und zehn weitere auf der Straße warten.
Der Markt ist sicherlich übersättigt. Das kann man, denke ich, schon sagen, weil ja die Ausbildung von Drehbuchautoren in den letzten Jahren an den Filmhochschulen in Deutschland auch exzellent ist. Man sollte nur einmal darauf achten, wie oft der internationale Stundentenoscar nach Deutschland geht. Man muss also sagen, dass jedes Jahr vielleicht zwanzig, dreißig gut ausgebildete Drehbuchautoren in den Markt drängen. Gleichzeitig gehen die Aufträge der Fernsehsender, was fiktionale Programme angeht, immer weiter zurück, die Budgets werden kleiner. Insofern ist die Konkurrenzsituation sicherlich angespannt. Ich glaube, was man noch mehr als vorher machen muss, ist es, sich als Autor auf seine Stärken zu besinnen und dann in diesem Bereich verstärkt Gas zu geben und Angebote zu machen und dafür zu sorgen, dass man nicht so leicht austauschbar ist, dass man eben in einer Nische ein sehr guter Ansprechpartner ist. Nicht jeder kann alles gleich gut.

Man hört seit Jahren in der Branche vor allem eines: Die deutsche Fiction soll sich, vor allem im TV-Markt, und dort insbesondere im Serienbereich, in der Krise befinden. Die Anzahl qualitativ hochwertiger Produktionen ist recht überschaubar, die wenigsten deutschen Formate können, gemessen an ihrer Qualität, mit Produktionen aus Übersee mithalten. Das liegt häufig nicht einmal an den niedrigeren Budgets, mit denen deutsche Formate auskommen müssen, sondern oftmals auch an einer schlechteren Qualität deutscher Drehbücher. Brauch man hier nicht schon längst einen Innovationsmotor?
Ich finde, das ist eine sehr spannende Diskussion. Die wird ja auch in den letzten Wochen und Monaten aktiv im Feuilleton geführt, auch unser Preisstifter für den Wettbewerb beim „Favourites Film Festival“, „Torrent“, wird das in der nächsten Ausgabe schwerpunktmäßig behandeln. Deswegen ist es schon ein Thema. Ich habe den Eindruck, dass das Hauptproblem erkannt worden ist: Was unsere deutschen Formate unterscheidet – nicht alle, und wahrscheinlich fallen die, die Sie auch als qualitativ hochwertig bezeichnen würden, teilweise nicht darunter – aber die meisten deutschen Serien haben kein kreatives Zentralgestirn, wie das in Amerika der Showrunner ist. Ich denke, das ist das Hauptproblem: Es reden einfach viel zu viele Leute mit und bestimmen, sodass ein Format einfach nicht so aus einem Guss sein kann, wie das in Amerika der Fall ist. Dort wird ja eher die Devise beherzigt: Follow the artist or fire him! Das heißt, dort sucht man sich denjenigen aus, der die Serie machen soll, und dem vertraut man dann, zumindest bis es dann tatsächlich einen Grund gibt, ihn rauszuschmeißen, und dann wird er ersetzt. So ist das in den Staaten und ich glaube, wenn wir uns auch darum kümmern würden, Showrunner in unsere Serien zu integrieren, was natürlich im Redaktionsfernsehen ein langer Prozess wäre, würden unsere Serien sicherlich viel besser werden.

Schwingt also in Deutschland auch ein bisschen Misstrauen mit, das Redakteure und Produzenten gegenüber Autoren haben?
Ich glaube nicht, dass da ein Misstrauen ist. Ich glaube, da ist die Lust, sich selbst einzubringen, einfach traditionell sehr viel größer als in den angelsächsischen Ländern. Ich glaube nicht, dass das grundsätzlich ein Misstrauen ist. Das ist eher eine gewachsene Arbeitsstruktur.

Sie haben gerade schon vom „Favourites Film Festival“ gesprochen, in dessen Rahmen „Screen Pitch“ am 31. August in Berlin zum weltweit ersten Video-Pitch-Wettbewerb lädt. Was wird die Autoren, die daran teilnehmen wollen, dort erwarten und was erhoffen Sie sich davon?
Was Autoren sich erhoffen können, hat natürlich auch mit dem Motto des Wettbewerbs zu tun. Wir geben Autoren die Möglichkeit, sich in die idealisierte Situation hineinzuversetzen, dass der Produzent ihrer Träume mit einem Blankoscheck darauf wartet, dass sie ihm eine Idee präsentieren. Wir wollen also sagen: 'Alles ist möglich! Schmeiß die Schere in deinem Kopf weg! Erinnere dich daran, warum du Drehbuchautor geworden bist.' Es ist also ein idealistischer Ansatz, durchaus auch ein etwas politischer Ansatz, den Autoren zu sagen, dass sie sich nicht hinter den Beschränkungen verstecken sollen, die es sicherlich teilweise im deutschen Film- und Fernsehmarkt gibt, sondern zu zeigen, was sie drauf haben, und wenn sie tatsächlich einen Stoff wählen, für den sie Leidenschaft empfinden, wird er auch als Video-Pitch super ankommen. Das „Favourites Film Festival“ zeigt „Festivallieblinge aus aller Welt“, ist also ein aufs Publikum ausgerichtetes Festival und wir haben natürlich über dieses Screening auch die Möglichkeit, das vor Publikum wirken zu lassen. Dort wird auch als Hauptpreis ein Publikumspreis vergeben werden. Es geht also wirklich darum, nicht nur eine kleine Jury bei der Filmförderung zu beeindrucken, sondern das ganze Publikum zu beeindrucken und es möglichst mitzunehmen.

Was würden Sie Neueinsteigern im Drehbuchgeschäft generell empfehlen?
Wenn sie eine Zweitsprache können, vielleicht ins Ausland zu gehen, weil, die Ausbildung in Deutschland sehr gut ist, die Beschäftigungschancen hingegen leider nicht. Ansonsten werden die Neueinsteiger natürlich erst einmal das machen müssen, was ihnen angeboten wird, um überhaupt erst einmal Kontakte zu knüpfen und Erfahrung zu sammeln. Aber das Wichtigste ist, herauszufinden, was die eigenen Stärken sind, was man besonders gut kann, und sich in diesem Bereich dann anzubieten. Das hat, glaube ich, bei der Übersättigung des Marktes die meisten Aussichten, wenn man sich auf Formate und Genres spezialisiert.

Ins Ausland zu gehen, weil man im Ausland glücklicher ist als Drehbuchautor?
Es kommt natürlich auf das Ausland an. Ich meine nicht Los Angeles. Ich meine eher das europäische Ausland. Die Wahrscheinlichkeit, dass man dort als Anfänger Arbeit bekommt, ist höher. Übrigens kann man auch zum Knüpfen dieser internationalen Film-Kontakte „Screen Pitch“ benutzen: Muttersprachler können Video-Pitches in jeder beliebigen Sprache hochladen und dadurch Produzenten auf der ganzen Welt auf ihre Filmideen aufmerksam machen.

Vielen Dank für das Gespräch.
12.08.2012 00:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/58431