«Schlüter sieht's»: Sterben unsere Sofa-Helden aus?

Schmidt, Gottschalk, Sloterdijk – unsere TV-Helden bangen um ihre Zukunft. Die Antwort auf einen „Zeit“-Artikel.

In der vergangenen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte der hochgeschätzte Kulturkritiker Ijoma Mangold (auch bekannt aus der bereits eingestellten ZDF-Literatursendung «Die Vorleser») einen interessanten Artikel über unsere liebgewonnenen Fernseh-Entertainer, die da wären: Thomas Gottschalk, Harald Schmidt, Rüdiger Safranski, Peter Sloterdijk. Mangolds These: Mit dem angekündigten Ende ihrer Shows (oder vermeintlichem Ende wie bei Gottschalk) verliert unsere Gesellschaft ihre „Sofa-Helden“, diese „Identitätsstützen der Gesellschaft“, die dem schnellen Wandel unserer Zeit ihre „radikale Entwicklungslosigkeit“ entgegensetzten.

Mangold hat Recht mit der Aussage, dass die Shows der vier genannten Entertainer («Wetten, dass..?», Schmidts Late-Night-Sendung und «Das philosophische Quartett») prototypisch im Fernsehen die Gesellschaft als Ganzes abbilden. Denn: Gottschalks Samstagabend-Event war Fernsehen für die Masse, die sich relativ niveaulos unterhalten lassen will. Die Philosophen und Intellektuellen bekamen ihr «Quartett», und Harald Schmidt schwebte irgendwo dazwischen, als Mittler dieser beiden Welten. Die Einschaltquoten der jeweiligen Sendungen bildeten dementsprechend ab, inwiefern die Zuschauerklientel auf die Gesellschaft übertragbar ist. Wenige sehen das anstrengende «Quartett», viele wollen die einfache Unterhaltung. In Zukunft wird dies nicht anders sein.

Es ist aber nicht die von Mangold beschriebene Entwicklungslosigkeit von Gottschalk, Schmidt, Sloterdijk, die ihnen nun zum Verhängnis wird, sondern die Entwicklungsfähigkeit der Zuschauer, die nach neuen Meistern und Identitätsstützen verlangen. Bestes Beispiel: Markus Lanz hat (den ebenfalls im „Zeit“-Artikel erwähnten) Johannes B. Kerner erfolgreich ersetzt und entwickelt sich zu einer Art Talk-Gewissen der Nation – auch weil in der ARD kein kontinuierliches Gesicht jeden Abend in die Kameras grüßt. Sloterdijk und Safranski werden nach zehn (!) Jahren durch Richard David Precht ersetzt, wie es beim ZDF heißt – auch dies mag die neuen Helden der Zuschauerschaft abbilden, wenn man die Bestseller-Listen betrachtet, wo Prechts Bücher riesige Verkaufserfolge sind.

Und Schmidt? Richtige Nachfolger für ihn sind noch nicht in Sicht, weil er auch heute noch eine unverwechselbare Marke ist, die nicht kopiert werden kann. Daher wird Schmidt – wenn er noch will – auch in Zukunft sein TV-Revier haben, dann eben aber nicht mehr in Sat.1. Bei einer gewissen Zuschauerklientel fehlt aber Schmidts Alleinstellung mittlerweile schon – einige junge Menschen wenden sich frischen Gesichtern wie Jan Böhmermann, Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf zu. Nicht zuletzt deswegen baute Schmidt sie zuletzt als Sidekicks in seine Show ein.

Aufhalten können die „alten Meister“ ihren Relevanzverlust schlicht nicht: Würden sich die Schmidts, Gottschalks und Sloterdijks nämlich entwickeln, gäben sie ihre Markenzeichen – und damit wahrscheinlich den treuen Rest ihrer Zuschauerschaft – auf. Es ist richtig, dass gerade die beharrliche Entwicklungslosigkeit dieser Fernsehgesichter zu ihrem Erfolg beigetragen hat. Aber wenn sich der Zuschauer nach neuen Gesichtern sehnt, nützt alle Entwicklung nichts. Dann gibt es neue Sofa-Helden, die uns aus der Flimmerkiste begrüßen und von denen wir erwarten, dass sie sich nicht weiterentwickeln. Und wenn wir Jahre später nach Veränderung streben, suchen wir uns die nächsten.

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11.04.2012 00:00 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/56023