TV Adel ?

Im deutschen Fernsehen wird momentan feucht durchgewischt. Alte Zöpfe und blonde Locken dürften bald der Vergangenheit angehören. Nur der Adel selbst kann es nicht recht verstehen.

Als Kolumnist sollte man ehrlich sein. Vor allem mit sich selbst. Beginnen wir also mit mir. Ich hatte über die Jahre mehrere Millionen Zugriffe im Netz. Mit dem Musikvideo zu Kevin Kuranyi überschritt ich erstmalig die Marke von einer Million. Der Hit zu Zensursula knackte die halbe Million. Meine Videos wurden binnen einer Woche oft mehr als 100.000 Mal abgerufen. Klingt gut, oder? Vor allem bei Produktionskosten von oft null Euro.
Und nach einer halbjährigen Pause? Da waren es nur noch 1000 Zuschauer die Woche. Diese Info verkauft sich nicht wirklich gut. Allein sie hier stehen zu sehen ist ein schandhafter Anblick. Dürfte ich vielleicht mit meinem neuesten Coup ablenken? Ich habe die Medienlandschaft von Basel bis Hamburg mit falschen Zitaten von Harald Schmidt zum Ende seiner Show reingelegt. Das dürften ein paar 100.000 Leser in Deutschland und der Schweiz gelesen haben.
Was Sie sehen? Erfolg ist ein Moment. Ich kann Erfolge am Theater und im Kulturteil einer Zeitung feiern und nebenbei desaströse Quoten einfahren. Viele YouTuber holen die Woche über mehr Zuschauer als Schmidt und Gottschalk zusammen. Nur wissen diese jungen Leute von ihrem Moment. Sie müssen sich im Gegensatz zum Fernsehen immer wieder und jede Woche neu auf ihr Publikum einstellen. Kommentare und Kritiken können schnell eine Welle machen und dann hat man die Zuschauer verloren. Da kommt kein Sat.1 und kauft Deinen alten Erfolg und Namen zum zweiten Mal.
Im Fernsehen dagegen scheint diese Sichtweise nicht vorhanden zu sein. Man ist Kaviar gewohnt und die Quoten spiegeln niemals die eigene Beliebtheit dar. Das Publikum liebt mich! Ich habe nur den falschen Sendeplatz! Ich bin der Größte! Ich möchte diese Sätze einmal von einem YouTuber hören. Er hat keine Presse, TV-Werbung, Print und Redaktion. Vielmehr macht er aus einer Idee mit seinen kleinen Mitteln das Beste.

Vielleicht bricht gerade diese Generation nun das vorhandene Fernsehbild. Zumindest für die Elite rund um die Altstars. Diese extrem hohen Gagen und Produktionskosten sind halt immer seltener realisierbar. Von rechtfertigen darf man gar nicht erst reden. Es wird wohl in Zukunft weniger große Unterhaltungsformate geben. Weniger Leuchttürme und schlechtere Produktionsbedingungen. Dagegen wird sich das System Fernsehen noch wehren. Mit riesigen Shows. «Schlag den Raab» ist ein Beispiel dafür. Es wird noch eine Weile funktionieren. Nur nach Raab? Wird wohl niemand mehr eine halbe Nacht senden. Dann werden die Kuttners und Pilawas es nicht mehr so leicht in diesem Medium haben.

Vielleicht kosten Pilawa und Lanz das Medium sogar mit seinen Vorzügen noch aus. Doch eine tägliche Late Night? Riesige Shows mit Ballett am Samstag? Das wird wohl TV-Geschichte werden. Noch eine Zeit getragen durch das Casting-Element. Danach allerdings werden die Formate sicherlich immer günstiger werden müssen. Mehr Trash, mehr Masse, mehr Quote ohne große Kosten.

Ist das ein Schreckensbild? Nein. Überhaupt nicht. Für mich ist es die logische Entwicklung für das Medium Fernsehen. Die größte Chance wird daher in Zukunft beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen liegen. Hier bleibt uns das Gebührenmodell noch länger erhalten. Hier kann noch echtes Fernsehen gemacht werden. Man wird sich ein paar Traumschiffe leisten können. Man wird Nachwuchs fördern müssen, die Digitalkanäle als Testplattform nutzen und das Programm Schritt für Schritt verjüngen müssen. Den öffentlich-rechtlichen Sendern gehört vielleicht wieder nach der Ära Privatfernsehen die Zukunft.

Für mich ist das zum Glück keine große Umstellung. Volker Herres im Presseclub und Dokus mit Andreas Kieling auf «Phoenix» machen schon jetzt meinen Hauptfernsehkonsum aus. «3Sat» und «Arte» machen ebenfalls mit neuen Programmen Spaß. Der Rest wird wohl wie Harald Schmidt bald auf Sonnenklar.tv senden.

Viel Spaß dabei!

Ihr

Rob Vegas

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01.04.2012 13:00 Uhr  •  Rob Vegas Kurz-URL: qmde.de/55855