Popcorn und Rollenwechsel: Entfloppt

Von Kritikern missachtet, vom Publikum ignoriert – und Jahre später ein umfeierter Meilenstein.

In den vergangenen Wochen wurde aufgrund der schwachen Einnahmen von «John Carter» sehr viel über Kinoflops debattiert. Die New York Times verglich das Sci-Fi-Fantasy-Epos mit der legendären Kinogurke «Ishtar», andere Dienste argumentierten, dass «John Carter» zwar kein Erfolg sein möge, aber auch längst keiner der größten Flops der Filmgeschichte. Was in dieser Debatte schnell vom Tisch fiel, war der Aspekt, dass sich Flops rehabilitieren können. Die Liste von Filmen, die sich erst nach gewisser Zeit behaupteten, ist erstaunlich lang und die Gründe, weshalb Flops zu Erfolgen werden können, sind vielfältig. Als kleiner Querschnitt seien an dieser Stelle vier Filme genannt, die aus unterschiedlichen Gründen an der Kinokasse versagten, und sich auf verschiedenen Wegen zum beliebten Klassiker hocharbeiteten.

«Fantasia»
Nach dem unvergleichlichen Erfolg von «Schneewittchen und die sieben Zwerge», der kurzzeitig den Titel des erfolgreichsten Films aller Zeiten innehielt, waren die Erwartungen an Walt Disneys nachfolgende Zeichentrick-Langfilme immens. Drei Jahre später kamen mit «Pinocchio» und «Fantasia» gleich zwei neue Werke in die Kinos – und hatten bei ihren exorbitanten Kosten Probleme, Profit zu machen. Lief «Pinocchio» in den USA sehr gut, verlor jedoch durch den aufgrund des Krieges weg gebrochenen Europamarkt an finanziellem Potential, wurde «Fantasia» zum Paradebeispiel für kostspielige, ambitionierte Flops. Kritiker und Publikum konnten sich mit dem Konzept nicht anfreunden, zeigten sich enttäuscht, ja sogar erbost, dass sie nicht ihre gewohnte Disney-Ware erhielten. Auch die sechs Wiederaufführungen in den 40ern bis 60ern scheiterten. Erst in den 70ern wurde «Fantasia» zu einem Erfolg, als intellektuelle Filmzirkel und die Drogensubkultur den Film für sich einnahmen. Die Popularität von «Fantasia» weitete sich daraufhin kontinuierlich aus, bis Disneys Konzertfilm in den 90ern zu einem absoluten Kassenschlager auf Video wurde.

«Ist das Leben nicht schön?»
Frank Capras Weihnachtsklassiker erhielt anfangs durchwachsene Kritiken und startete im Dezember 1946 gegen übermächtige Konkurrenz, so dass er seine Kosten nicht wieder einholen konnte und nur einen moderaten Rang in den Kino-Jahrescharts einnahm. Als im Jahr 1974 aufgrund formaler Fehler das Urheberrecht verfiel, nahmen zahlreiche Fernsehstationen in den USA «Ist das Leben nicht schön?» Jahr für Jahr in ihr Weihnachtsprogramm auf, so dass das Drama für viele Fernsehzuschauer zu einer alljährlichen Tradition wurde. Infolge dessen entdeckten auch Filmhistoriker den früheren Flop wieder, weshalb er nunmehr regelmäßig in Bestenlisten repräsentiert wird und von der Library of Congress zum US-Kulturgut ernannt wurde.

«Vertigo»
Das zeitgenössische Publikum empfand Alfred Hitchcocks Thriller von 1958 als zu langatmig und unnötig detailverliebt. Die nur mäßige Kinoauswertung von «Vertigo» war einer der Gründe, weshalb Hitchcock bald darauf den Horrorthriller «Psycho» drehte und das Spannungskino revolutionierte. Erst Ende der 60er erhielt «Vertigo» besondere Aufmerksamkeit von Filmhistorikern und -kritikern, die ihn als Meisterwerk bezeichneten. Im Oktober 1983 feierte er dann eine außerordentlich gefragte Wiederaufführung im Kino. Seither übertrumpft «Vertigo» in Filmranglisten regelmäßig «Psycho».

«Fight Club»
Der schwarzhumorige, das Lebensgefühl einer ganzen Generation junger Männer einfangende Thriller von David Fincher missfiel den Geschäftsführern von 20th Century Fox genauso sehr, wie das von Fincher und der Werbeagentur Wieden+Kennedy vorgeschlagene Marketing. Dennoch steckte das Studio ein vergleichsweise großes Werbebudget in eine Kampagne, die «Fight Club» im Bewusstsein der Bevölkerung als Kampffilm mit Hollywoodstar Brad Pitt verankern sollte. In den USA ging «Fight Club» daraufhin an den Kinokassen baden, was dem Studioboss Bill Mechanic seinen Job kostete. Erst durch die von Fincher überwachte DVD-Veröffentlichung errang die Produktion von 1999 ihre hohe Popularität.
26.03.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/55730