Popcorn und Rollenwechsel: Eine unmögliche Mission

Weshalb Trickfilm-Regisseur Brad Bird erst Tom Cruise um den Globus jagen muss, bevor er San Francisco zerstören darf.

Am 15. Dezember startet «Mission: Impossible - Ghost Protocol» in den Kinos, und obwohl ich Tom Cruises Actionreihe lediglich respektiere, und nicht etwa ein heiß brennender Fan von ihr bin, wünsche ich mir einen enormen Kassenschlager. Den werde ich gewiss nicht erhalten, da Cruises Zugkraft als Star seit Beginn der Reihe stark nachließ und nach Teil 3 auch kaum jemand lauthals nach einem vierten Teil verlangte. Sollte «M:I:4» also auch nur in die Nähe des Einspielergebnisses seines Vorgängers (397 Millionen Dollar) gelangen, dürfte es bereits als Achtungserfolg gelten.

Doch es hängt so viel mehr an «M:I:4» als nur die Frage, ob Tom Cruise beim Aufrufen der Besucherzahlen fröhlich die Arme nach oben reißen kann. Derjenige, der am meisten von einem Überraschungserfolg profitieren könnte, ist nämlich Regisseur Brad Bird.

Brad Bird begann seine Karriere bei «Die Simpsons» und startete seine Kinokarriere mit dem von der Öffentlichkeit übersehenen Animationsjuwel «Der Gigant aus dem All». Daraufhin wurde er von seinem Studienkumpel John Lasseter zu Pixar geholt, um die dort langsam einschlafende Studiodynamik wieder auf den Kopf zu stellen. Bird schrieb und inszenierte zuerst den Oscar-prämierten Superhelden-Animationsfilm «Die Unglaublichen», auf den «Ratatouille» folgte. Seither ist es Brad Birds Ziel, den Roman «1906» zu verfilmen. Nicht jedoch als Animationsfilm, sondern als bombastisches Realfilmepos. «1906» spielt vor dem Hintergrund des historischen Erdbebens in San Francisco und erzählt von einem Studenten, der den Mord an seinem Vater aufklären möchte.

Obwohl zahlreiche Brancheninsider berichten, dass bisherige Drehbuchentwürfe preisverdächtig wären und «1906» mit der richtigen Marketingkampagne einen neuen Hype in der Größe von James Camerons «Titanic» auslösen könnte, sind Hollywoodproduzenten gegenüber Brad Birds Vorhaben misstrauisch. Birds anvisiertes Budget übersteigt die 200-Millionen-Dollar-Marke, weshalb sich niemand „blind“ traut, Bird ziehen zu lassen. Auch Drehbuchkürzungen und die Entscheidung, einen Großteil der Dreharbeiten ins kostengünstigere Kanada zu verlegen, halfen nicht weiter: Obwohl bereits Warner Bros., Disney und Pixar zusagten, als produzierende Studios tätig zu sein, ist man sich auch einig, erst einen Action-Realfilm von Bird sehen zu wollen, bevor «1906» grünes Licht erhält.

Und exakt deswegen ist «M:I:4» ein so ungeahnt wichtiges Projekt. Produzent J. J. Abrams schenkte Brad Bird das Vertrauen, dass er auch bei «1906» verdient hätte, und überließ ihm den Regieposten bei der «Mission: Impossible»-Fortsetzung. Der Rest liegt auf der Hand: Je erfolgreicher «M:I:4» an den Kinokassen ist, desto besser stehen Brad Birds Karten im Verhandlungspoker bezüglich «1906».

Birds Pixar-Kollege Andrew Stanton hat mit seinem Realfilm-Einstand übrigens größeres Glück: Der Regisseur von «Findet Nemo» und «WALL•E» ersehnte jahrelang, die Sci-Fi-Buchreihe rund um John Carter verfilmen zu dürfen. Und dies war ihm auch vergönnt. Sein im März 2012 startender «John Carter» (zum Trailer) verschlang einigen Berichten zu Folge ein Budget von 300 Millionen Dollar. Weshalb Stanton größeres Vertrauen erhielt? Nun, «Findet Nemo» war kommerziell deutlich erfolgreicher als Birds bisheriges Schaffen. Und mit «John Carter» packt er einen Stoff an, der bereits eine etablierte Fangemeinde hat und sich zudem ideal für Merchandising anbietet. Mit Aussicht auf den Verkauf von Actionfiguren, Videospielen und ähnlichem ist «John Carter» trotz höherem Budget ganz klar das finanziell geringere Risiko. Weshalb Stanton keinen Testlauf in Form einer Fortsetzung zu einer Blockbuster-Actionreihe starten musste. So läuft's halt in Hollywood.
05.12.2011 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/53618