TV-Nachrichten: Wer ist die Nummer 1?

Ein zweischneidiges Schwert: Die ARD rechnet für die «Tagesschau» gerne die Zuschauer von den Dritten mit – RTL sieht sich als klare Nummer eins.

Neun Millionen Menschen schalten im Schnitt die «Tagesschau» um 20.00 Uhr ein – zumindest, wenn auch die weiteren Ausstrahlungen in den Dritten Programm sowie in 3sat, Phoenix und dem Digitalkanal EinsExtra mit berücksichtigt werden. Fasst man alle Ausstrahlungen zusammen, erzielt die «Tagesschau» damit einen senderübergreifend addierten Marktanteil von durchschnittlich 32 Prozent in den bisherigen Monaten Januar bis Oktober 2011. Damit bleibt die öffentlich-rechtliche NDR-Produktion weiterhin die meistgesehene Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen beim Gesamtpublikum. Im Vergleich zum Rivalen «RTL Aktuell», der vor allem bei den jüngeren 14- bis 49-Jährigen punktet, ist das Nachrichten-Rennen allerdings deutlich knapper. NDR-Intendant Lutz Marmor freut sich dennoch über die hohen «Tagesschau»-Quoten: „Mit aktuellen und seriös präsentierten Fernsehnachrichten punktet die Tagesschau auch bei Jugendlichen und jungen Heranwachsenden."

Die Kölner Nachrichtenmacher sehen das natürlich differenzierter, wie RTL-Sprecher Konstantin von Stechow auf Quotenmeter.de-Anfrage erklärt: „«RTL Aktuell» ist im Jahresschnitt weiterhin die klare Nummer 1 bei den jungen Zuschauern. Die Werte in der NDR-Meldung beziehen sich, wie dort in der Fußnote auch zu lesen ist, nicht ausschließlich auf Ausstrahlung der «Tagesschau» im Ersten.“ Damit seien die kumulierten ARD-Quoten nicht mit den RTL-Quoten vergleichbar, so der Privatsender RTL.

Tatsächlich erreicht die «Tagesschau» im Ersten genauer betrachtet im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Oktober 2011 durchschnittlich 1,28 Millionen Zuschauer, was einen Marktanteil von 12,6 Prozent in der jüngeren, werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen entspricht. Blickt man dazu auf die Einschaltquoten beim „Nachrichten-Rivalen“ aus Köln für denselben 2011er-Zeitraum, erzielt «RTL Aktuell» mit 1,45 Millionen mehr Zuschauer sowie einen deutlich höheren Marktanteil von starken 20 Prozent. Die Redaktion der «Tagesschau» informiert allerdings täglich über dreieinhalb Millionen weitere Zuschauer in den Dritten Programmen sowie auf 3sat, Phoenix oder im Digitalkanal EinsExtra – auch wenn die ARD-Quoten damit künstlich und PR-stark hochgerechnet werden. Ohnehin ist ein direkter Vergleich ein zweischneidiges Schwert: Um 20.00 Uhr ist das Zuschauerpotenzial beispielsweise deutlich größer als in der Access-Prime-Time um 18.45 Uhr, wenn «RTL Aktuell» auf Sendung geht. Reichweiten im Millionen-Bereich sind häufig eher zu erreichen, auch wenn dabei gegebenenfalls der Marktanteil am „Zuschauerkuchen“ gemäß Statistik sinkt. Der direkte Vergleich der Marktanteile als Währung scheint damit angemessener, auch wenn das Gegenprogramm – dank unterschiedlicher Anfangszeiten der Nachrichtensendungen - unterschiedlich stark ist und dabei nicht unbedingt berücksichtigt wird.

Die Produktion von Nachrichtensendungen gilt als verhältnismäßig teuer. Gemäß dem Rundfunkstaatsvertrag ist die Ausstrahlung von Informationsprogrammen aber Pflicht. Öffentlich-rechtliche Sender dienen bekanntermaßen sowieso dem Informationsauftrag. Umso größer ist die Freude bei Chefredakteuren, wenn die Zuschauer mögliche Programminvestitionen honorieren - wie im ereignisreichen Nachrichtenjahr 2011. Dabei gilt natürlich weiterhin der fast schon obligatorische Quotenkampf der erfolgreichsten News-Flaggschiffe ARD und RTL, die seit Jahren besonders hart um die Nachrichten-Marktführerschaft kämpfen – wenn auch zu unterschiedlichen Sendezeiten. Kaum ein anderer Sender legt einen größeren Stellenwert auf Nachrichten und Magazine, die von Kritikern häufig stigmatisiert für private vs. öffentlich-rechtliche Aufmachung von Nachrichten bewertet werden und dabei erfolgreich ihre Zielgruppen finden. Quotenerfolge lügen dann nicht – solange alle Daten objektiv verglichen werden.

Dementsprechend folgen andere Nachrichten-Formate auf den weiteren Plätzen: Bis Ende Oktober informierte die 19-Uhr-Ausgabe der «heute»-Sendung im ZDF im Nachrichtenjahr 2011 durchschnittlich 3,69 Millionen Zuschauer. Dies entspricht einem Marktanteil von 16,6 Prozent für die gesamte Zielgruppe. Für die «Sat.1 Nachrichten» hat die GfK-Fernsehforschung von Januar bis Oktober 2011 eine durchschnittliche Zuschauerzahl von 1,93 Millionen gemessen. Dies entspricht 6,9 Prozent Marktanteil bei allen Zuschauern.
02.11.2011 15:15 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/52985