Die Kritiker: «Heiter bis tödlich – Nordisch herb: Der Schimmelreiter»

Story
Die Berliner Polizistin Nora Neubauer strebt zum Wohle ihrer Tochter eine Beförderung zur Hauptkommissarin an. Die damit verbundene Gehaltserhöhung hat allerdings einen Nachteil: Die Hauptstädterin muss für ihre besser bezahlte Stelle ins nordfriesische Husum versetzt werden. Von der zu erwartenden Langeweile ist dort nichts zu spüren: Schon an ihrem ersten Tag gilt es einen Mord im Husumer Hafen zu untersuchen. Neben der Leiche steht ein stolzer Schimmel, offenbar das Reittier des Toten.

Ganz nach Lehrbuch stürzt sich Nora Neubauer in die Spurensicherung, als kopfschüttelnd ihr bäriger neuer Partner Jon Peterson den Tatort erreicht. Weder müsse man in Husum hetzen, noch habe diese überkorrekte Spurensuche irgendeinen Sinn. Viel mehr benötige ein Kommissar Intuition und Ortskenntnis. Während der Ermittlungen muss das ungleiche Paar lernen, miteinander auszukommen und sich zu ergänzen.

Darsteller
Frank Vockroth («Notruf Hafenkante») ist Jon Peterson
Loretta Stern («Unschuldig») ist Nora Neubauer
Thomas Kügel («Tatort») ist Kriminalrat Hinrichs
Nora Binder («Mein Leben & ich») ist Wibke Hooge
Martin Wißner («Polizeiruf 110») ist Rayk Kilian
Ulrich Voß («Unschuldig») ist Claas Peterson
Sophie Charlotte Schirmer («Der Himmel hat vier Ecken») ist Emilia Neubauer

Kritik
«Heiter bis tödlich» – so lautet der Übertitel für mehrere neue Vorabend-Kriminalserien im Ersten. Diese Dachmarke soll für humoristische Regionalkrimis stehen, die das Lokalkolorit mit spannenden Fällen und einer großen Prise Humor vereinen. Los geht es mit den Friesenkrimis der Reihe «Nordisch herb». Diese erreichen, der Pilotfolge nach zu urteilen, bloß eines der selbstgesteckten Ziele.

Unter der Regieführung von Holger Haase («Bollywood lässt Alpen glühen») bietet «Nordisch herb: Der Schimmelreiter» seinen Zuschauern sehr schöne Landschaftsbilder aus Nordfriesland, sowie auch nett eingesetztes, inhaltliches Lokalkolorit. So spielt die Pilotfolge von «Nordisch herb» während eines Theodor-Storm-Kongress und ein kernige Gemütlichkeit ausstrahlender Frank Vockroth erklärt in seiner Rolle des Jon Peterson den Ursprung der übernatürlichen Schimmelreiter-Sagen. Das macht aufgrund der keinesfalls anbiedernden Darbietung schnell Lust auf mehr nordisch herbe Appetithappen in kommenden Episoden.

Dem Anspruch, eine komödiantische Krimiserie zu sein, genügt «Heiter bis tödlich – Nordisch herb» während seiner Pilotfolge dagegen überhaupt nicht. Der Running Gag, dass die nicht zwangsweise konservativen, so aber eindeutig bequemen Nordlichter es nicht hinbekommen, Nora Neubauer politisch korrekt als „Hauptkommissarin“ zu bezeichnen, ist nicht sonderlich einfallsreich. Zudem wird er so beiläufig abgehandelt, dass er kaum als Gag zu identifizieren ist. Abgesehen davon gönnt sich «Nordisch herb: Der Schimmelreiter» exakt zwei nennenswerte Versuche, sich als Komödie zu etablieren. In einer Szene scheitert der als Laufbursche missbrauchte Kommissaranwärter daran, eine Pfefferspray-Probe zu nehmen. Dieser Slapstickmoment wird von Martin Wißner mit sehr gutem Timing rübergebracht, jedoch lenkt die Regie die Aufmerksamkeit viel zu schnell zurück auf den Ernst der Lage, als dass diese Szene richtig ausgekostet werden könnte.

Ein anderer Versuch, witzig zu sein, schlägt vollkommen fehl. Die Hauptkommissare und ihr Lehrling machen sich bereit, den Tatort genauer zu untersuchen, woraufhin mit voller Wucht Puff Daddys «Come with Me» aus «Godzilla» eingespielt wird. Nachdem so eine gewisse Fallhöhe für die Szene aufgebaut wurde, gibt es zwei Pointen, die sich anbieten. Entweder untermalt das Lied eine Ansammlung schnöder Momente aus der Polizeiarbeit (ähnlich der mit epochaler, treibender Musik unterlegten Papierkram-Montage in «Hot Fuzz»), oder die Musik wird für einen Moment der Peinlichkeit unterbrochen. Drehbuchautor Carl-Christian Demke («Die Hitzewelle - Keiner kann entkommen») entschied sich für die zweite Möglichkeit. Mit einem denkbar miesen Soundeffekt wird das Lied abgewürgt, und der nach einem Paar Stiefel greifende Kommissaranwärter bekommt von seinem Chef ein anderes Paar in die Hand gedrückt. Eine schwache Pointe, unsagbar mies umgesetzt.

Der zu untersuchende Fall in «Nordisch herb: Der Schimmelreiter» beginnt zwar für eine ARD-Vorabendserie vergleichsweise spektakulär (unheimliche Musik begleitet martialische Aufnahmen des titelgebenden Schimmelreiters), entwickelt sich jedoch sehr undenkwürdig. Schnell ist die übliche Staffage an Verdächtigen gefunden, und in den Ermittlungsszenen wirkt die Regieführung öfters gelangweilt. Deswegen wird das Zuschauerinteresse am Ausgang der Untersuchung klein gehalten, so dass die Erwartungshaltung leicht auf die im Vorfeld versprochene komödiantische Note umgemünzt wird. Diese fällt allerdings, wie bereits erwähnt, sehr dünn aus.

Der Fairness halber sollte der interessierte Zuschauer trotz all dieser Kritikpunkte etwas Geduld für «Heiter bis tödlich – Nordisch herb» aufbringen. Selten zeigen Pilotepisoden eine neue Serie von ihrer besten Seite, und in «Der Schimmelreiter» werden die nötigen Gleise gelegt, um eine kurzweilige Polizeiserie zu ermöglichen. Die Figurendynamik zweier widersprüchlicher Ermittler ist zwar altbekannt, doch auch altbewährt. Zwischen Loretta Stern als moderne sowie einfühlsame Polizisten und Frank Vockroth als ihr sich rau gebender, in Wahrheit dagegen gemütlich-liebenswerter sowie bauernschlauer Ermittlungspartner stimmt jedenfalls die Chemie. Und mit Nora Binder, die eine leicht zu unterschätzende Sekretärin mimt, sowie Martin Wißner in der Rolle des Prügelknappen, stimmen auch die Nebenfiguren. Raum für leichtfüßigen Dialoghumor ist definitiv gegeben. Mit einem sehr charmanten Ulrich Voß, der Vockroths kränkelnden, gutherzigen Vater darstellt, besteht sogar Potential für etwas Familiendrama. Bleibt nur abzuwarten, ob «Heiter bis tödlich – Nordisch herb» diesen Elementen in Zukunft ebenso viel Aufmerksamkeit schenkt, wie dem Lokalkolorit.

Das Erste strahlt die Pilotfolge von «Heiter bis tödlich – Nordisch herb» am Dienstag, den 25. Oktober 2011, um 18.50 Uhr aus. Es folgen wöchentlich neue Episoden, sowie in den Folgewochen zwei weitere Serien der Dachmarke «Heiter bis tödlich»
24.10.2011 11:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/52795