Die Kino-Kritiker: «Wie ausgewechselt»

Ideenarmer Holzhammer-Humor und herzlose Moralplattitüden machen den Körpertausch von Ryan Reynolds und Jason Bateman zu einem cineastischen Geduldstest.

Ryan Reynolds hat keinen guten Kinosommer hinter sich. Die von Kritikern verrissene Comicverfilmung «Green Lantern» nahm bei einem Budget von geschätzt 200 Mio. Dollar weltweit 219 Millionen ein – ein herbes Verlustgeschäft. Und auch die in den vergangenen Monaten häufig beworbene Komödie «Wie ausgewechselt» scheiterte beim Publikum: Die Produktionskosten von 52 Mio. Dollar wurden zwar wieder eingeholt, mit einem Einspiel von bis dato 56 Millionen und nur noch wenigen ausstehenden Auslandsmärkten können die Produzenten jedoch keineswegs zufrieden sein. Dabei stemmten mit Regisseur David Dobkin («Die Hochzeits-Crasher») und dem Autoren-Duo Scott Moore & Jon Lucas («Hangover») gleich drei erfolgreiche Komödienmacher die neuste Körpertausch-Geschichte.

Das Schema kennt man aus zahlreichen anderen Körpertausch-Komödien, wie dem 2003 mit Jamie Lee Curtis und Lindsay Lohan neu aufgelegten Genre-Prototypen «Freaky Friday». Die Protagonisten sind zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, und tauschen ungewollt mittels Magie die Körper. In diesem Fall wären es die langjährigen Freunde Mitch (Ryan Reynolds), seines Zeichens Tunichtgut und Frauenheld, und der Familienvater Dave (Jason Bateman), ein sich hart abrackernder, aufstrebender Anwalt. Die ungleichen Freunde beneiden den jeweils anderen um sein Leben: Mitch wäre gerne erfolgreich und angesehen, Dave wäre gerne frei von erdrückenden Verantwortungen. Als sie gemeinsam in einen Brunnen pinkeln und ihren Wunsch aussprechen, das Leben des anderen zu führen, geschieht das Unglaubliche: Sie befinden sich tatsächlich im Körper ihres Freundes. Natürlich wollen sie diese schräge Situation ausnutzen: Mitch, nun im Körper Daves, will endlich die Ehefrau seines Freundes flachlegen, und Dave stürzt sich in seine zweite Jugend. Doch schnell zeigen sich die Schattenseiten des Körpertauschs…

Die Moral solcher Körpertausch-Komödien ist im Normalfall einfach festzuhalten. Solche Geschichten sollen dem Zuschauer aufzeigen, dass man das Leben eines beneideten Vertrauten nicht in all seinen Facetten kennt, und möglicherweise die Probleme des Anderen übersieht. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, so die Redewendung, und das Gedankenspiel des Rollentauschs würde einen in der Umsetzung zerbrechen. Somit sind Körpertausch-Komödien letztlich Erzählungen zum Thema Respekt. Dieses Konzept in eine Vulgärkomödie zu packen, ist ein gewagtes Unterfangen, jedoch kein unbezwingbares. So manche räudige Komödie konnte in den letzten Jahren mit derben Gags schocken, und dennoch eine ehrliche, herzliche Geschichte erzählen. Insbesondere das Produktionshaus von Judd Apatow leistete mit Filmen wie «Brautalarm» solche kleine Kunststücke. Wer mit diesen Erwachsenenkomödien bereits nichts anfangen konnte, sollte «Wie ausgewechselt» weitläufig umgehen. Und auch Apatow-Fans hat dieser filmische Rohrkrepierer nicht viel zu bieten, erlebten sie doch bereits mehrfach, wie der Spagat zwischen Moral und räudigem Witz auszusehen hat.

Das Drehbuch von Moore & Lucas zerfällt in zwei grobe Teile: Zunächst hämmern die Autoren ihrem Publikum eine von David Dobkin uninspiriert abgefilmte Nummern-Revue des Vulgärhumors entgegen. Nun hat auch diese humoristische Fasson ihre Daseinsberechtigung, allerdings verliert das zwanghafte Fluchen von Reynolds Figur Mitch sehr schnell jeglichen Witz, genauso wie Jason Bateman ins Gesicht fliegende Babykacke nicht aus Prinzip komisch ist. Es obliegt den Komödienmachern, aus diesen Versatzstücken etwas zu schaffen.

Wenn Mitch als unverantwortlicher Erwachsener vor Daves Kindern flucht, und später in Daves Körper lebend die Babys unbeaufsichtigt neben einem Mixer und einem Messerset parkt, steckt immerhin ein Minimum an Aufwand in den Filmsequenzen. Gerade letztgenannte Szene kann durch ihre cartoonhafte Überzogenheit auch ein paar Schmunzler für sich beanspruchen. In den meisten Fällen dagegen werden die groben Ideen ungeschliffen in die Handlung gesteckt. Wer beim bloßen Gedanken an die Dreharbeiten zu einem Softcore-Sexfilm Lachkrämpfe bekommt, kann vielleicht mit der ersten Hälfte von «Wie ausgewechselt» etwas anfangen. Sollte man jedoch auch nur etwas mehr von einer Komödie verlangen, ist sie nur der Beginn einer cineastischen Geduldsprobe.

Nach der inhaltsarmen Aneinanderreihung von Szenen, die als Schockhumor ausgespielt werden, aber längst keine Tabus brechen, folgt eine überlange Lektion über die Moral des Films. Wie erwähnt ist die Lektion von Geschichten wie der in «Wie ausgewechselt» recht schnell zusammengefasst, aber die Macher dieses Films wollten wohl keinesfalls riskieren, dass irgendein Zuschauer unbelehrt nach Hause geht. Das ist nach dem ruppigen Einstieg nicht nur ein drastischer Stimmungswechsel, sondern obendrein ein qualitativer Abstieg. Ist der Beginn des Films zwar niveaulos und unambitioniert, so liefert er zumindest durch seine äußerst hohe Gagdichte einige kleine amüsante Momente. Die zweite Hälfte des Films schraubt die Menge der Pointen deutlich herunter, ohne treffsicherer zu werden, und verlässt sich hauptsächlich auf die Selbstfindung seiner Figuren. Diese sind jedoch vollkommen unterentwickelt und kommen nicht über eindimensionale Abziehbildchen hinaus, so dass sich schnell Langeweile breitmacht. Da hilft selbst das Engagement von Ryan Reynolds und Leslie Mann als Daves Ehefrau, die als einzige sichtbares Interesse am Projekt mitbringen, nicht über das maue Drehbuch und die einfallslose Regie hinweg.

Fazit: «Wie ausgewechselt» bombardiert das Kinopublikum zunächst mit Vulgärhumor, der nur halb so schockierend ist, wie es sich die Filmemacher offensichtlich gedacht haben. Daraufhin wird die altbekannte Moral dieser Körpertausch-Komödie lang und breit ausgewalzt, obwohl die flachen Figuren eine solche Behandlung nicht rechtfertigen. Von einem gut aufgelegten Ryan Reynolds abgesehen eine durch und durch misslungene Kopie der Judd-Apatow-Formel für derbe Komödien, die auch zu rühren wissen.
14.10.2011 07:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/52617