Der Fernsehfriedhof: Blut, Sex und Spengemann

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 156: Eine Serie, die so sehr den Skandal provozieren wollte, dass es schon peinlich war.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir des Beweises, dass sich Erfolg nicht erzwingen lässt.

«Beauty Queen» wurde am 21. September 2004 bei RTL geboren und versuchte das Thema Schönheitsoperationen, das bereits seit Jahren in den einschlägigen Magazinen des Senders ein beliebtes Thema war, in eine eigene Serie zu transplantieren. Schon im Pressetext wies der Kanal daher auf Statistiken hin, nach denen in Deutschland pro Jahr rund eine Million Menschen Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und Botox-Injektionen an sich durchführen ließen. „Die Serie [...] reflektiert über das Thema Schönheitschirurgie in süffisant-ironischem Unterton“, hieß es weiter.

Das Ergebnis dieser vermeintlich ironischen Auseinandersetzung war dann eine Geschichte, die von den ungleichen Chirurgen-Brüdern Seeberg handelte, die zusammen eine erfolgreiche Schönheitsklinik am Bodensee betrieben. Dabei war Mark das fleischgewordene Klischee eines Schnösel-Arztes, für den sein Beruf lediglich die Basis für schnelle Autos, teure Häuser, exotische Haustiere und vor allem willige Frauen war, während sein Bruder Oskar ein fürsorglicher Arzt und Familienvater war.

Serienfans mögen an dieser Stelle verdächtige Ähnlichkeiten zur amerikanischen Serie «Nip/Tuck» erkannt haben und tatsächlich erwies sich die deutsch-österreichische Koproduktion als dreiste Kopie des hochgelobten US-Formats. Der Abklatsch umfasste dabei nicht nur die Grundkonstellation der Story, sondern auch konkrete Handlungsfäden. So wendete sich in beiden Serien die Ehefrau des pflichtbewussten Arztes heimlich an dessen Bruder, um sich verschönern zu lassen. Auch tauchte in beiden Varianten ein mit seinem Penis unzufriedener Jugendlicher auf. Obwohl die inhaltlichen Parallelen und die zeitliche Nähe (das Original startete am 02. Juli 2003 in den USA) derart auffällig waren, beharrte RTL bis zuletzt darauf, dass es sich bei «Beauty Queen» um eine Eigenentwicklung gehandelt habe, an der man schon gearbeitet hätte, als die amerikanische Variante noch nicht ausgestrahlt geworden wäre. Zudem verwies man darauf, dass der Bodensee nicht mit der Küste von Miami zu vergleichen sei.

Auch abseits dieser Vorwürfe schienen die Macher der Zugkraft ihrer Geschichten kein allzu großes Vertrauen entgegen gebracht zu haben, denn sie versuchten mit aller Gewalt das Aufsehen für sie zu erhöhen. Dies wurde nicht zuletzt in der Besetzung deutlich. Wurde die ruhige Hälfte des Brüderpaars mit Jochen Horst, der zuvor jahrelang als «Balko» überzeugte, noch solide besetzt, erhielt ausgerechnet Carsten Spengemann den Zuschlag für die zweite männliche Hauptrolle des Aufreißers. Spengemann hatte an der Daily Soap «Verbotene Liebe» mitgewirkt und dann hölzern durch die RTL-Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» geführt. Vor dem Start der Serie machte er jedoch eher in der Boulevard-Presse mit seiner Teilnahme an der Dschungel-Show «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!», seiner Niederlage gegen Detlef D! Soost beim «RTL Promi-Boxen», seiner Blitz-Ehe, sowie einem gestohlenen Ehering Schlagzeilen. An der Seite der Brüder erhielt zudem auch Ex-Dschungel-Star Caroline Beil eine Minirolle in der neuen Serie.

Neben dem Dschungel- und «DSDS»-Doping bekam die Produktion zusätzlich eine Überdosis Gewalt, Blut und Sex verordnet. Immer wieder gab es äußerst freizügige Szenen zu sehen, bei denen Spengemanns blanker Hintern mehr als einmal auf dem Schirm erschien. Darüber hinaus wurden die OP-Szenen äußerst blutig, radikal und am äußersten Rande der zulässigen Grenzen umgesetzt. Mitunter wurden Sex und Blut sogar miteinander kombiniert, denn in einer Szene riss bei einer Patientin während des Beischlafs ihre OP-Narbe auf und ließ ihr Blut im Gesicht des Partners landen. Garniert wurden diese Szenen mit einer übertriebenen Video-Clip-Ästhetik und aufdringlichen Split-Screens. Den Titelsong steuerte zudem die Sängerin Sarah Connor bei, die damals ebenfalls für laszive Texte und freizügige Auftritte in der Kritik stand. Kurz, die Serie war so sehr bemüht, Skandale zu provozieren, dass es fast schon peinlich war. Hinter der Kamera war für diesen Murks unter anderem der Regisseur Jorgo Papavassiliou verantwortlich, der zuvor die nicht minder zweifelhaften Event-Movies «Held der Gladiatoren» und «Hai-Alarm auf Mallorca» inszenierte. In letzterem Film hatte Spengemann übrigens ebenfalls eine Nebenrolle.

Weil sich die Produktion trotz all dieser Übertreibungen und Stereotypen jedoch angeblich um größtmögliche Authentizität bemüht haben soll, wurde das Team vom echten Schönheitschirurgen Werner Mang beraten, der aufgrund von unzähligen Berichten bereits beste Kontakte zum Sender hatte. Tatsächlich entpuppte sich seine Beratungstätigkeit jedoch eher als indirekte Werbung für ihn. Nicht nur erhielt er in jeder Ausgabe einen kurzen Gastauftritt, sondern die Serie wurde auch größtenteils in seiner tatsächlich existierenden Klinik am Bodensee gefilmt, die entsprechend vorteilhaft in Szene gesetzt war.

Doch die Rechnung ging trotz aller Bemühungen nicht auf. Im Schnitt sahen nicht mehr als 2,5 Millionen Menschen die einstündigen Ausgaben zur besten Sendezeit am Dienstagabend. Obwohl RTL auch nach der Ausstrahlung bekräftigte, dass man „inhaltlich zufrieden“ gewesen sei, kam die Serie daher nicht über eine erste Staffel hinaus. Ihr Misserfolg wird zuweilen auch als ein wesentlicher Grund für die überraschende Entlassung des damaligen RTL-Geschäftsführers Marc Conrad nach nur 100 Tagen genannt.

«Beauty Queen» wurde am 12. Oktober 2004 beerdigt und erreichte ein Alter von vier Folgen. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller Jochen Horst, der anschließend mit «Typisch Sophie!», «Rosamunde Pilcher» und «Die Stein» vorrangig in seichteren Stoffen zu sehen war. Carsten Spengemanns TV-Karriere endete hingegen weitestgehend mit der Serie. Abseits einiger kleiner Episodenrollen, tauchte er vorrangig nur noch in B-Promi-Formaten wie «Stars auf Eis» und «Tattoo-Attack» auf. Zuletzt nahm er an der ProSieben-Show «Die Alm» teil.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der dreisten Kopie von «Frauentausch», die eigentlich das Original war.
22.09.2011 09:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/52164