Jugend im Krieg: „Er stirbt Stück für Stück, um zu überleben“

In Koproduktion des ZDF dreht teamWorx gerade den Dreiteiler «Unsere Mütter, unsere Väter». Wir besuchten die Dreharbeiten in Köln, wo es Einblicke in das Set gab und die Jungschauspieler wie Katharina Schüttler oder Tom Schilling ihre Rollen vorstellten.

„Es geht um Krieg und was er aus den Menschen macht – vor allem mit Jugendlichen“, beschreibt der ausführende Produzent Benjamin Benedict den dreiteiligen Fernsehfilm mit dem Arbeitstitel «Unsere Mütter, unsere Väter», der gerade von der Produktionsfirma teamWorx in Koproduktion mit dem ZDF und in Zusammenarbeit mit Betafilm entsteht. Jugend im Krieg – das ist auch das zentrale Thema, so Benedict weiter. Ein zeitgeschichtlicher Film soll es werden: «Unsere Mütter, unsere Väter» erzählt von fünf Jugendfreunden, für die der Zweite Weltkrieg alles verändert. Täglich stehen sie plötzlich vor der Entscheidung zwischen Leben und Tod. Die teamWorx-Macher um Regisseur Philipp Kadelbach, der zuletzt «Hindenburg» inszenierte, erzählen die Geschichten aus der Perspektive der damals handelnden Personen, geben tiefe – auch sehr intime – Einblicke. Man wolle „eine öffentlich-rechtliche Brücke zwischen der Jugend damals und der Generation heute“ bauen, sagen die Redakteure Alexander Bickel und Thorsten Ritsch. Für das ZDF ist das Unterfangen eine Chance, aber auch eine große Verantwortung, die hinter dieser großen Filmproduktion steckt.

Der Mainzer Sender will «Unsere Mütter, unsere Väter» voraussichtlich 2012 als Dreiteiler zeigen. Noch bis 2. August 2011 wird gedreht. Insgesamt 86 Drehtage wurden anberaumt. Wir besuchten das Set im Kölner Stadtteil Porz. Hier hat man eine Ruine, die im 19. Jahrhundert zur größten Befestigungsanlage des Dritten Reiches gehörte, für die Dreharbeiten umgestaltet. Der 48. Drehtag hat bereits begonnen. In Fort 9, das 1877 von den Preußen errichtet wurde und Teil des 42,5 km langen Kölner Festungsringes war, dienen die meterdicken Backstein-Gewölbe als Kulisse für die Motive „Militärlazarett an der russischen Front“ und „Partisanencamp in Polen“. Production Designer Thomas Stammer führt durch das Set. „Die Motive sind ein Kontrast zu den Gefecht-Szenen. Zum Ausdruck kommen das Provisorische an den Lazaretten und die verzweifelte Situation der Menschen dort“, erklärt er. Im Vorfeld mahnte der Denkmalschutz zur Vorsicht, jene Schilder mit der Aufschrift „Phosphor“ nicht zu beschädigen, plaudert Stammer aus dem Nähkästchen. Doch die sind gar nicht echt, sondern stammen noch von den Dreharbeiten zu «Dresden», das von teamWorx zum Teil bereits hier produziert wurde. Production Designer Thomas Stammer grinst über diese Anekdote.

In den unter Denkmalschutz stehenden Ruinen in Köln-Porz hat man innerhalb von fünf Wochen 1000 Quadratmeter umgebaut, berichtet Stammer. Dafür hat man keine Kosten und Mühen gescheut: Großzügige 14 Millionen Euro wurden für die Produktionskosten veranschlagt. Vier Lazarette sind entstanden, die sich im Film direkt an der russischen Front befinden. Man hat sich große Mühe gegeben, alles so herzurichten, wie es damals ausgesehen hat. „Ein Drittel davon nutzen wir“, sagt Stammer. Man sieht Feldbetten für Schwerverletzte in den langen Gängen und ehemaligen Pferdeboxen. Eine künstliche Blutlache auf dem OP-Tisch. Zivile Lampen sorgen dort für das nötige Dämmerlicht. Alte Krankenwagen stehen vor dem Gebäude. All das macht den Set-Designern mehr Arbeit als man im Film davon tatsächlich sieht. Auf die Dimension und die Perspektive kommt es an, so Stammer. Das bedeutet sehr viel Aufwand, der betrieben wird. So müssen beispielsweise große Wandflächen bemalt werden, um die nötige Dimension und Perspektive auch hinzubekommen. Der „Zwang zum Aufwand“ habe gewissermaßen eine Sog-Wirkung für das Team, das akribisch arbeitet, beschreibt Stammer. Denn sogar die kleinsten medizinischen Utensilien sind in mühevoller Detailarbeit gebastelt oder besorgt worden. Zum Beispiel alte Pflaster, die repliziert wurden.

Die Ausstattung ist sehr nahe am Original. „Es ist eine Mischung aus alten Sachen und Dingen, die gebaut wurden“, weiß Stammer zu berichten. Das ist oftmals kein ganz einfacher Prozess. Altersspuren sollen die Requisiten schließlich aufweisen, Gebrauchsspuren aber sind weniger gut. Gebrauchte Sachen werden daher meist erst erneuert, um dann wieder „alt gemacht“ zu werden. „Der Anspruch an Realismus ist sehr hoch“, beteuert Production Designer Thomas Stammer. Damit das möglichst authentisch gelingt, standen Thomas Stammer am Set in Köln-Porz drei historische Berater und eine medizinische Beraterin zur Seite. Das Künstlerische habe aber immer die Oberhand behalten, bekräftigt Stammer. Filmisch verfolgt man am Set von «Unsere Mütter, unsere Väter» ohnehin einen eigenen Ansatz: Die Erzählperspektive soll ein möglichst authentisches Gefühl bieten und eine Reflektionsebene schaffen. Die Erinnerungen an die damalige Zeit müssen anekdotisch beschrieben werden, meint Thomas Stammer.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die Schauspieler wie Katharina Schüttler oder Tom Schilling über ihre Rollen sagen und wie Autor Stefan Kodlitz eine Generation ansprechen will.

In Koproduktion des ZDF dreht teamWorx gerade den Dreiteiler «Unsere Mütter, unsere Väter». Wir besuchten die Dreharbeiten in Köln, wo es Einblicke auf das Set gab und die Jungschauspieler wie Katharina Schüttler oder Tom Schilling ihre Rollen vorstellten.

Rund 50 Menschen arbeiteten an der Kulisse in Köln-Porz, die für zehn Drehtage als Schauplatz für den Dreiteiler «Unsere Mütter, unsere Väter» dient. An der teamWorx-Produktion sind insgesamt 200 Mitarbeiter beteiligt. Ein großes Team. Zuvor hat man bereits ab dem 14. März 2011 in Litauen gedreht, wo hauptsächlich Kriegsgefechte mit den Darstellern aufgenommen wurden. Weitere Drehorte in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern wie Niedersachsen, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Bayern stehen noch auf dem Plan. Die Handlung der beiden 90-minütigen Filme spielt in Berlin und den Kriegsschauplätzen in Polen, der Ukraine und Russland zwischen 1941 und 1945. Ein Generationenporträt von fünf Freunden zur Zeit des Zweiten Weltkriegs ist das Ziel. Die Protagonisten sind fünf Menschen Anfang 20, die sich seit Kindertagen kennen. Der Film beschreibt ihre Entwicklungen von jungen Frauen und Männern, die in Hitlers Krieg zogen, dem NS-Regime folgten oder von ihm verfolgt wurden. Dargestellt von dem laut ZDF „wohl jüngsten Eventfilm-Ensemble überhaupt“: Katharina Schüttler, Volker Bruch, Miriam Stein, Tom Schilling und Ludwig Trepte spielen die fünf Freunde inmitten des Weltkriegs.

Drehbuchautor Stefan Kodlitz möchte zeigen, „was damals passierte“. Die Dreiteiler würden sich dramaturgisch und auch ästhetisch stark von dem unterscheiden, was man von historischen Eventfilmen zu diesem Thema kenne. Der erste Impuls kam Kodlitz, der bereits das Drehbuch für «Dresden» geschrieben hat, in einem Gespräch mit teamWorx-Produzent Nico Hofmann, woraus die Idee für einen solchen Film entsprang. Sechs Jahre lang hat Kodlitz recherchiert, so unterscheide sich auch das Drehbuch konzeptionell von allem bisher Dagewesenen. Die Schwierigkeitsstufe: Gleich fünf Schicksale werden beschrieben. Ein Risiko, das das ZDF eingegangen ist. „Der Film erzählt, was der Krieg mit Menschen macht. Gleichzeitig will er aber auch einen Dialog mit der Generation herstellen, die jetzt auf den letzten Metern ist“, sagt Kodlitz. Auch er selbst hat im Rahmen seiner Recherchen zum Drehbuch das Gespräch zu seinem Vater gesucht, der zu jener Generation gehörte.

Freundschaften wie im Film zwischen dem Juden Viktor (Ludwig Trepte) und dem überzeugten Nationalsozialisten Wilhelm (Volker Bruch) habe es „auch 1941 vereinzelt“ noch gegeben, hat Kodlitz erfahren. Das sei kein konstruierter Zusammenhang, so der Autor. Die extreme Brutalität des Kriegs sei schwer darzustellen und auch sehr anstrengend. Denn gerade der authentische Anspruch verlangt von den Schauspielern viel: Sie müssen ihre Figuren über einen Zeitraum von vier schwierigen Kriegsjahren begleiten. Die fünf Schicksale, die in «Unsere Mütter, unsere Väter» beschrieben werden, offenbaren Wandlungen und Veränderungen. Tom Schilling spielt mit Friedhelm einen lebensfrohen jungen Mann, der als literarisch interessierter Pazifist dem NS-Regime zunächst abschwört. Als er zur Wehrmacht eingezogen wird, tut er sich zwar schwer, wird aber von der Kriegsrealität eingenommen. „Er verpanzert innerlich und wird kalt. Stück für Stück stirbt er, um am Leben zu bleiben“, beschreibt Tom Schilling seine Rolle. Ähnlich geht es der von Katharina Schüttler gespielten Greta: Sie hinterfragt die Nazis nicht, wird zum UFA-Star, bis sie mit dem Krieg und Elend in Berührung kommt.

„Sorgfältig und gewissenhaft“ haben sich die Darsteller vorbereitet. Zur Vorbereitung hat Tom Schilling beispielsweise ein Boot-Camp für Soldaten besucht. „Die Rolle geht schnell in Fleisch und Blut über. Es gibt auch Szenen, die etwas mit mir machen. Es ist ein sehr intensiver Film, der auch extreme Momente hat und an die körperliche Substanz geht“, sagt der junge Schauspieler. Dass «Unsere Mütter, unsere Väter» eine große Herausforderung für sie ist, verhehlen die jungen Protagonisten nicht: „Viele Enkel erfahren von ihren Großeltern nichts über diese Kriegszeit. Diese Erfahrung habe ich auch gemacht: Meine Großmutter hat abgeblockt, als ich in Vorbereitung auf den Film etwas über die damalige Zeit erfahren wollte. Insofern ist der Dreiteiler auch eine Geschichtsstunde“, erklärt Miriam Stein, die eine Krankenschwester an der Front spielt.

«Unsere Mütter, unsere Väter» ist eine spezielle Herausforderung mit komplexen Figuren“, weiß auch Katharina Schüttler, die die Greta spielt: „Meine Figur ist auf eine andere Weise auch Täter. Sie wähnt sich in Sicherheit und begreift erst zum Schluss das Ausmaß der Dinge. Durch das Nicht-Hinsehen hat sie dem Krieg gedient“, beschreibt Schüttler die Perspektive, in der es in «Unsere Mütter, unsere Väter» geht. Ein langer Casting-Weg war es für sie übrigens nicht. „Ich habe nicht lange gebangt“, sagt Schüttler. Die weiteren Rollen wurden circa in einem Dreiviertel-Jahr besetzt. Beim ZDF hofft man selbstverständlich, dass 2012 dann möglichst auch viele Menschen einschalten: „Wir wollen in die Breite gehen und die Masse ansprechen“, heißt es zum Abschluss des Pressegesprächs am «Unsere Mütter, unsere Väter»-Set.
24.06.2011 08:30 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/50369