Hannes Jaenicke: 'Nicht nur herum- ‚pilchern‘'

Schauspieler Hannes Jaenicke spielt in dem ZDF-Film «Die Minensucherin» den Ausbilder Mason, der eine Gruppe von Minensuchern darauf vorbereitet, Landstriche in Angola von verbliebenen Antipersonenminen zu befreien. Im Quotenmeter.de-Interview spricht Hannes Jaenicke über seine Rolle im Film und wirft gleichzeitig auch einen ernsten Blick auf die schwierige Thematik, für er selbst viel Leidenschaft entwickelt.

Herr Jaenicke, Sie spielen in dem ZDF-Film «Die Minensucherin» die Rolle eines Ausbilders für Minensucher in Angola. Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?
Ganz banal, wie das meistens abläuft: Die Produktion hat mir das Drehbuch geschickt, das ich sehr spannend fand. Von dem Thema der Minenfelder im Südwesten von Afrika hatte ich zuletzt gehört, als Lady Diana noch am Leben war. Denn wie das bei Medienthemen so ist, sprach nach ihrem Tod kaum noch jemand darüber. Ich selbst hatte keine Ahnung, dass weltweit immer noch 50 bis 70 Millionen Minen verbuddelt sind. Ich hatte auch noch nie mit Regisseur Marcus O. Rosenmüller gedreht, der eine echte Entdeckung war. Da das Thema auch meinen persönlichen Interessen sehr entgegen kommt, habe ich die Rolle sofort angenommen.

Das heißt, Sie interessieren sich auch privat für solche Themen, wie sie im Film behandelt werden?
Ich interessiere mich generell für menschenrechtliche Themen und bin auch politisch sehr interessiert. Das was wir so überheblich „Dritte Welt“ nennen, hat mich schon immer beschäftigt. Der angolanische Krieg war die letzte Plattform, auf der sich der Osten und der Westen im Kalten Krieg geprügelt haben. Die DDR hat Luftwaffenpiloten nach Angola geschickt und dementsprechend hat der Westen dann die Gegenseite hochgerüstet. Es war ein Krieg, der elegant auf dem Rücken dieses Landes ausgetragen wurde. Selbst 11 Jahre nach Ende dieses Krieges sind noch immer Minen dort versteckt. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Da kann zwar jedes Land das Ottawa-Abkommen (Anm. d. Red.: völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot von Antipersonen-Minen) unterzeichnen, doch verdienen auch diese Länder immer noch Geld mit Minen. Die Zünder kommen von Motorola oder aus Deutschland. Was die Rüstungsindustrie anrichtet kann man an Gaddafi aktuell gut studieren. Dem haben wir 20 Jahre lang die Waffen verkauft, mit denen er jetzt sein eigenes Volk massakriert, und gegen die wir neuerdings Krieg führen müssen. Das ist so absurd. Dass man die Rüstungsindustrie nicht viel strenger reglementiert, ist ein Skandal. Deutschland ist die drittgrößte Waffenschmiede der Welt und das halte ich für ein menschenrechtliches Verbrechen.

Zurück zu Angola. Wie haben Sie sich auf die Rolle in «Die Minensucherin» vorbereitet? Was wussten Sie schon im Vorfeld über die Thematik? Wie viel Wissen mussten sie sich noch aneignen?
Man bekommt sehr schnell viele Infos. Ein Vorteil war natürlich, dass das Thema durch die Aktivitäten von Lady Diana in den 90er-Jahren in die Medien kam. Entsprechend hatte ich auch noch die Bilder im Kopf, wo sie versuchte, mit von Minen verstümmelten Kindern in Afrika Spenden zu generieren. Dennoch habe ich mich wie gesagt gewundert, dass das Thema immer noch so brisant ist. Dementsprechend habe ich mich dann etwas eingelesen und mir Informationen beschafft. Wir hatten auch einen großartigen englischen Berater, der seit 20 Jahren hauptberuflich Minen räumt, unter anderem auch in Afghanistan. Ihm ist selbst eine Tretmine um die Ohren geflogen. In 16 OPs wurde er wieder zusammengeflickt. Er hat uns vor Ort eingewiesen, was eine unglaubliche Informationsquelle war. Der Berater hat uns gezeigt, wie eine Minensuche verläuft und auch maßgeblich dazu beigetragen, dass wir das authentisch darstellen konnten.

Sie spielen im Film «Die Minensucherin» einen Ausbilder für Minensucher namens Mason, der mit aller Strenge zu Werke geht. Wie sind Sie denn an diese Rolle herangegangen?
Das war sehr praktisch. Durch die Sat.1-Reihe «Allein unter Töchtern» habe ich guten Kontakt zu dem Regisseur Oliver Schmitz, der Südafrikaner ist. Er hat mir erzählt, dass wer in Südafrika den Wehrdienst verweigerte, eingesperrt wurde. Und so wurden die Soldaten dort abkommandiert und mussten teilweise auch Angola verminen. Da konnte ich auf die Erzählungen von Oliver Schmitz bauen. Ich spiele im Film «Die Minensucherin» genau solch einen Typen, der zu den Bodentruppen gehörte, die Angola vermint haben. Meine Figur im Film hat eine Militärkarriere hinter sich und wird irgendwann nachdenklich. Er will helfen, den Schaden zu begrenzen, indem er Minensucher ausbildet. Eine ganz spannende Figur.

Wie war das Zusammenspiel mit Christine Neubauer, die die Minensucherin Nina Schneider spielt, die im Film selbst auf eine Mine tritt?
Das war hervorragend und sehr angenehm. Sie ist ein totaler Profi. Es war auch vorteilhaft, dass das Drehbuch keine Liebesgeschichte bereit hielt. Die würde der Zuschauer bei dieser Besetzung normalerweise erwarten. Aber diese Vorhersehbarkeit vermeidet das Drehbuch zum Glück.

Auf der nächsten Seite spricht Hannes Jaenicke über die Dreharbeiten in Namibia und die Bedeutung von Minensuchern in Südwest-Afrika.


Sie hatten in Namibia gedreht. Wie verliefen denn die Dreharbeiten? Waren Sie aufgrund der klimatischen Verhältnisse eine Herausforderung?
Man kann in Angola aufgrund der Minensituation nicht drehen, das wäre zu gefährlich. Also hatte sich das Produktionsteam für Namibia entschieden, ein direktes Nachbarland von Angola. In Namibia gibt es trotz einer Arbeitslosigkeit von über 50 Prozent verhältnismäßig stabile Verhältnisse und eine intakte Infrastruktur für Dreharbeiten. Der Regisseur war hervorragend vorbereitet. Mit den klimatischen Bedingungen sind wir gut klargekommen. Da ich schon am Nordpol, im Dschungel und in diversen Wüsten gedreht hab, war mir das sowieso egal. Aber dass die Schutzanzüge der Minensucher circa 25 Kilo wiegen war vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, in denen war es schon ziemlich stickig und schweißtreibend. Aber so etwas weiß man, bevor man den Film macht.

Gab es auch Szenen, die vielleicht besonders schwierig waren?
Mich haben besonders die afrikanischen Kollegen beeindruckt. Wir hatten beispielsweise Bühnenleute aus Kapstadt dabei, die mit einer unglaublichen Leidenschaft loslegten. Es gab eine Beerdigungsszene, da stand im Drehbuch nur, dass wir alle am Grab eines umgekommenen Minensuchers stehen. Doch dann hatte der Regisseur die Idee, die afrikanischen Schauspieler zu fragen, ob sie nicht ein angolanisches Trauerlied singen könnten. Die haben sich dann ein wenig schlau gemacht. Als wir später drehten, haben sie improvisiert. Und das so authentisch und einfühlsam, dass das Team kollektiv zu Weinen begann. Das war herzzerreißend. Es gab mehrere solcher bewegenden Momente im Film. Denn gerade die Afrikaner haben eine Spielfreude, die hat mich umgehauen. Egal ob bei den Proben oder bereits nach sechs Takes, sie waren immer hundertprozentig bei der Sache. Das ist bemerkenswert.

Sind Sie denn der Meinung, dass man gerade deshalb auch mehr solcher Filme machen sollte, die auf die Situation der Minensucher im südafrikanischen Raum aufmerksam machen?
Also ich bin schon einmal froh, wenn wir nicht nur herum- „pilchern“. Ich glaube aber nicht, dass man einen Film wie «Die Minensucherin» sofort wiederholen kann oder sollte. Es gibt so viele Baustellen auf der Welt, wo die Themenschwerpunkte von Filmen liegen könnten. Stichworte: Arabische Welt, Japan, Korruption, Lobbyismus. Es gibt unzählige Themen, die man da bearbeiten könnte. Deshalb bin ich froh, wenn man etwas machen kann, das jenseits der Schmonzette und des Krimis liegt. Daher bewundere ich auch den Mut des ZDF, zu sagen, wir machen mal einen Film zu einem echt schwierigen Thema.

Weil das Ausmaß der Problematik seit dem Wirken von Lady Diana nicht mehr bekannt war?
Ja, denn obwohl der Bürgerkrieg in Angola offiziell vorbei ist, ist er in Wirklichkeit eben noch nicht vorbei. Denn da treten jeden Tag noch Menschen auf Minen, die nicht geräumt worden sind, und das ist etwas, was die Welt einfach ignoriert. Das ist ein Thema, das wirklich brisant und auch – finde ich – in Vergessenheit geraten ist. Angola ist auch nur ein trauriges Beispiel. Auch Afghanistan und Kambodscha sind immer noch vermint.

Was haben Sie denn selbst über Minensucher in Afrika gelernt?
Dass die meisten Leute es machen, weil es für dortige Verhältnisse ein hochdotierter Job ist. Sie bekommen bis zu 500 Dollar im Monat, was in Afrika ein Vermögen ist. Das machen alle einfach aus existenziellen Gründen. Sogar alleinerziehende Mütter bewerben sich da, die Not ist groß. Die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch, so dass die Menschen wenig Beschäftigung und Perspektive haben.

Als Ausbilder Mason sind sie in «Die Minensucherin» dafür zuständig, dass die künftigen Minensucher über das nötige Know-How verfügen. Was muss ein Minensucher denn können?
Zwei Dinge. Konzentrationsfähigkeit und bitte keine Panikattacke bekommen, wenn man auf eine Mine stößt. Die Minen sehen aus wie ein harmloses Puderdöschen, doch sie reichen aus, um einen ganzen Panzer zu zerstören. Das bedeutet, wenn man als Minensucher auf eine Mine gestoßen ist, sollte man kein Herzrasen kriegen, weil nur eine falsche Bewegung fatal sein kann. Sie sind mittlerweile so gebaut, dass sie nicht nur beim Drauftreten explodieren, sondern schon, wenn man sie um nur 15 Grad neigt! Den Zynismus der Rüstungsindustrie kann man nirgendwo präziser studieren.

Auf der nächsten Seite erzählt Hannes Jaenicke von den Planungen zum viertel Teil von «Allein unter Töchtern» und seinen weiteren Projekten.


Im Film kommt ein kleines Mädchen, das eine als Spielzeug getarnte Mine findet, um. Das ist für die von Christine Neubauer gespielte Nina Schneider der Anlass sich von Ihrem Charakter ‚Mason’ zur Minensucherin ausbilden zu lassen. Wie haben Sie diese Szene gesehen?
Eine dramatische Szene. Es gibt unzählige Minenarten, eben auch solche, die als Spielzeug getarnt sind. Wer bitte denkt sich so was aus? Darüber hinaus ist es erstaunlich wie die Menschen in Afrika selbst mit der Problematik umgehen: In Angola gibt es eine „Miss Amputee“-Wahl, ein Schönheitswettbewerb von Minenopfern. Die afrikanische Leidensfähigkeit, der Lebensmut und Überlebenswille dort sind so ausgeprägt, dass sich Frauen mit nur einem Bein sogar für diese Wahlen bewerben.

Würden Sie sich denn wünschen, dass das Thema der Minensucher in Afrika durch den Film mehr Aufmerksamkeit bekommt?
Es wäre großartig, wenn Menschen sich für ein so ernstes Thema interessieren würden und wir mit dem Film auch ein Zeichen setzen könnten.

Sie sind selbst sehr engagiert, was die Thematik betrifft. War der Film auch eine Leidenschaft für Sie?
Da ich auch privat in diversen Menschenrechtsorganisationen bin, war der Film auch ein persönliches Anliegen für mich, ja. Ich drehe gerne auch Krimis und Komödien, aber es war schön auch mal solch eine Art von Film machen zu können.

Zuletzt waren Sie in der Sat.1-Komödie «Allein unter Müttern» zu sehen, dem dritten Teil der Reihe, die mit «Allein unter Töchtern» begonnen hat. Wird es noch eine Fortsetzung geben?
Erfreulicherweise ja. Es sollte zwar nie eine Reihe werden, aber wir arbeiten bereits am Drehbuch für den vierten Teil. Der Arbeitstitel lautet «Allein unter Kopftüchern». Dabei greifen wir das Thema Integration auf, das in Deutschland nach dem Buch von Thilo Sarrazin ja wild diskutiert wird. Wir drehen die Gegenthese zu Herrn Sarrazin, und zwar als Komödie. Die Familie zieht in einen so genannten „Problem-Bezirk“, wo hauptsächlich Menschen mit Migrationshintergrund leben. Darauf wird die Geschichte aufbauen.

Gibt es denn außerdem noch weitere Projekte, die demnächst anstehen?
Ich drehe ein Anwaltsdrama für Sat.1, das «Die Stunde der Krähen» heißt. Regisseur ist Thomas Nennstiel und ich spiele dort einen aalglatten Anwalt namens Dr. Georg Actis. Die Hauptrolle spielt Stefanie Stappenbeck. Sie hat eine Affäre mit meiner Figur und es kommt zum beruflichen und privaten Zerwürfnis zwischen beiden. Außerdem bereite ich gemeinsam mit «Spiegel TV» eine Dokumentation zum Thema CO2-Verklappung vor.

Herr Jaenicke, vielen Dank für das Gespräch.
03.04.2011 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/48674