Die Kritiker: «Marco W. – 247 Tage im türkischen Gefängnis»

Story
Ein unbeschwerter, entspannter Urlaub an der türkischen Riviera neigt sich für Marco W. und seine Eltern dem Ende zu. Am letzten Tag passiert die Katastrophe: Der 17-jährige Marco wird verhaftet, weil er die ebenfalls minderjährige Engländerin Carolina auf einer Party vergewaltigt haben soll. Acht Monate verbringt Marco W. im türkischen Gefängnis unter menschenunwürdigen Bedingungen: Zusammengepfercht mit 30 erwachsenen Häftlingen - behandelt wie ein Schwerverbrecher. Ralf und Martina W. setzen alle Hebel in Bewegung, um ihrem Sohn zu helfen. Ein neuer Anwalt, Gutachter und die deutsche Öffentlichkeit sollen helfen. Doch Marco steht in der Türkei immer wieder vor Gericht, ohne dass es zu einem Ergebnis kommt. Der türkische Richter und der Staatsanwalt glauben offensichtlich nicht an die Unschuld des deutschen Teenagers.

Darsteller
Vladimir Burlakov («Im Angesicht des Verbrechens») ist Marco W.
Veronica Ferres («Die Patin – Kein Weg zurück») ist Martina W.
Herbert Knaup («Sisi – Part 1 &2») ist Ralf W.
Luk Pfaff («Tatort») ist Sascha W.

Kritik
Als die Geschichte des 17-jährigen Marco W., der eine minderjährige Engländerin während seines Türkei-Urlaubs vergewaltigt haben soll, Schlagzeilen machte, sorgte auch die menschenunwürdige Behandlung von Marco W. hinter türkischen Gittern für Aufsehen. Marco W. hat seine Erlebnisse aus acht Monaten in schwieriger Untersuchungshaft später zu Papier gebracht. Sat.1 hat sich dem Schicksal des jungen Deutschen angenommen und erzählt die Geschichten nun auch filmisch. Herausgekommen ist dabei auch ein sehenswerter Streifen, denn das Drehbuch von Johannes Betz, der unter anderem auch schon für die Event-Movies wie «Der Tunnel» oder «Hindenburg» geschrieben hat, folgt der Original-Vorlage sehr genau. Dabei hat man vor allem von Klischees und Gerüchten Abstand genommen und kommt so zu einem sehr detailgenau gezeichneten Werk, das darauf verzichtet ein Abklatsch diverser Gefängnis-Filme zu sein. Denn Regisseur Oliver Dommenget legte Wert darauf, dass die Inszenierung des Schicksals von Marco W. sehr lebhaft erscheint. Knapp zwei Stunden dauert der Sat.1-Film, dabei ist auch keine Minute Zeitverschwendung. Denn obwohl sich gerade die Gefängnisszenen oftmals wiederholen und insgesamt auch durchgehend quasi nur drei Schauplätze im Film zu finden sind, kommt der Streifen ohne jeden Leerlauf aus.

Oliver Dommenget ist es gelungen den normalen Event-Movie-Rahmen zu sprengen. Denn auch wenn nicht sehr viel passiert, bleibt die Thematik und auch die Handlung spannend und weckt ein Interesse beim Zuschauer. Die Erfolgsformel ist dabei gänzlich die Konzentration auf das, was wichtig ist. Nichts wird dazu gedichtet, man hält an dem Haupthandlungsstrang fest und fokussiert sich darauf ein durchaus glaubwürdiges Abbild der Geschehnisse aus dem Jahr 2007 zu zeichnen. So sind in der Tat nur drei Schauplätze für die Rahmenhandlung nötig, die aus dem Haus von Familie Weiss, dem Gefängnis sowie Gerichtssaal bestehen. Dabei sind vor allem die Szenen im Gefängnis ein Hingucker und sorgen jeweils für den größten Spannungsbogen. Auch hat das Schicksal im türkischen Knast eine bemitleidenswerte und auch traurige Seite, die den Zuschauer für den Fall sensibilisiert. Natürlich hat man dabei auch die menschenunwürdigen Zustände in den Vordergrund gestellt, die ganz klar ein zentrales Thema sind. Denn am Ende soll auch das klar zum Ausdruck kommen.

Bei der Inszenierung von Oliver Dommenget merkt man dabei vor allem die dunklen Farben in der Bildgestaltung und die entsprechende Kulisse, die bei den Aufnahmen sehr kalt daher kommen. Letztlich tun die als Schwerverbrecher dargestellten Mitinsassen von Marco W. als Umfeld ihr Übriges und schaffen so den Eindruck von menschenunwürdigen Verhältnissen zu vermitteln. Doch teilweise wirkt das dann doch etwas zu aufgesetzt und gewollt, so dass nur sehr wenige Emotionen gezeigt werden. Oftmals ist der moderne Gefängnisfilm dann doch zu gefühlskalt. Die Besetzung mit Veronica Ferres und Herbert Knaup als Eltern von Marco W. ist jedoch gelungen. Die beiden erfahrenen Schauspieler werfen ihre Professionalität in die Waagschale. Hervor zu heben ist aber vor allem die schauspielerische Leistung des jungen Vladimir Burlakov. Er schafft in der nicht leichten Rolle des Marco W. den Spagat zwischen verzweifelter Not und einer gewissen Hoffnung, dass sich die Dinge zum Guten wenden. Er ist dabei auch der Einzige, der so etwas wie Gefühle transportieren kann und den Sat.1-Film damit auch lebhaft macht. Vladimir Burlakov gelingt eine sehr authentische Darstellung des jungen Marco W., mit seinem guten Schauspiel knüpft er dabei nahtlos an «Im Angesicht des Verbrechens» an, wo er bereits Talent sowie Potenzial aufblitzen ließ.

Eine weitere interessante Komponente des Sat.1-Films ist sein internationaler Charakter. Dass Marco W. in einem türkischen Gefängnis sitzt, merkt man auch an der Fremdsprache, die deutlich gemacht wird, weil auch Marco W. und seine Eltern sich von der türkischen Justiz übergangen und unverstanden fühlen. Auch Übersetzungsfehler lassen sich so inszenieren, die gleichzeitig eine wichtige Rolle im Prozess spielen. Letztlich kommt der Sat.1-Film also zu einer gelungenen Umsetzung der Erlebnisse von Marco W., die nicht nur sehenswert verfilmt wurden, sondern auch sehr glaubwürdig dargestellt sind.

Sat.1 zeigt «Marco W. – 247 Tage im türkischen Gefängnis» am Dienstag, 22. März 2011, um 20.15 Uhr.
21.03.2011 08:13 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/48475