Die Quoten der «Lindenstraße»: Nie so schwach wie 2010

Zum 25. Geburtstag der ersten deutschen Seifenoper gibt es nicht nur Anlass zu feiern, denn die Einschaltquoten der Serie befinden sich seit Jahren in einem kontinuierlichen Sinkflug.

25 Jahre «Lindenstraße», für viele Fans ist dies eine Geschichte voller Erfolge. Keine deutsche Soap kann auch nur ansatzweise eine derart lange Laufzeit vorweisen, keine hat einen derartigen Kultstatus inne und keine der inzwischen zahlreichen Adaptionen konnte auch bei kulturell, politisch und gesellschaftlich relevanten Themen in den vergangenen Jahren für so viel Zündstoff sorgen, wie es der WDR-Produktion gelang. Bei all diesen Erfolgen kaschiert man gerne ein etwas weniger helles Kapitel der Seriengeschichte: Die abnehmende Relevanz beispielsweise, welche die Geschichten um die Familie Beimer in bedeutenden polarisierenden Themen der Gegenwart verzeichnen. Oder den kontinuierlichen Verlust an Zuschauern, der seit dem Start im Jahre 1985 nie richtig gestoppt werden konnte.

Im Jahre 1985 war die Welt noch etwas anders als heutzutage. Deutschland war noch eingeteilt in die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, es gab noch keinen flächendeckenden Internetzugang und das zu damaliger Zeit noch einflussreichere Massenmedium Fernsehen hatte noch keine privaten Sendeanstalten zu bieten, zumindest nicht solche, die eine ernsthafte Konkurrenz zu ARD und ZDF darstellten. Nicht nur Samstagabendshows wie «Wetten, dass..?» glichen einem nationalen Großereignis, sondern man freute sich auch noch darauf, gemeinsam mit seiner Familie am Sonntagvorabend eine Familienserie wie die «Lindenstraße» zu sehen. Diese ging am 8. Dezember erstmals auf Sendung und erreichte damals noch nicht selten mehr als 15 Prozent aller Deutschen. Wohlgemerkt, nicht aller Fernsehenden, sondern aller deutschen Einwohner.

Die Durchschnittsreichweite im Jahre 1987 betrug somit 10,95 Millionen Menschen, in guten Wochen schalteten nicht selten mehr als 13 Millionen Bundesbürger ein. Die damals aufgrund der Fernsehgewohnheiten revolutionierenden Machart nicht selten bei Kritikern verschmähte Sendung konnte also am Vorabend noch Werte einfahren, die inzwischen nicht einmal mehr von Thomas Gottschalk erreicht werden. Ein kleiner Abwärtstrend setzte aber bereits in den Folgejahren ein, so gab 1988 nur noch eine durchschnittliche Sehbeteiligung von 10,46 Millionen Zuschauern zu vermelden. Es sollte auch das letzte Jahr gewesen sein, in der man auf über zehn Millionen Menschen bauen konnte.

Bereits 1989 in den einstelligen Millionenbereich zurückgefallen, sollten die Werte bis 1991 einer nahezu linearen Senkung ensprechen, denn in jedem Jahr sank der Durchschnittswert um etwa eine halbe Million Menschen. Einen heftigen Sturz erlebte man 1992, wo es binnen zwölf Monate um fast eine Million bergab ging, zu diesem Zeitpunkt blieben dem Ersten Deutschen Fernsehen noch 7,62 Millionen treue Serienfans. Erst danach erholte man sich kurzzeitig, konnte 1993 sogar wieder auf über acht Millionen steigen, bevor man in den beiden Folgejahren die negative Serie erneut nicht unter Kontrolle bekam. Mitte der 90er sahen somit nicht einmal mehr sieben Millionen Deutsche das wöchentliche Medienereignis.

Es waren aber auch die 90er, welche ernsthaften Anlass zur Hoffnung gaben, man könne sich eventuell noch auf hohem Niveau stabilisieren. Denn während man zuvor von einer Ausnahme abgesehen in großer Regelmäßigkeit Zuschauer abgeben musste, konnte zwischen 1995 und 1998 von der ersten Beruhigung die Rede sein, denn die Zuschauerzahlen hielten sich konstant minimal unter sieben Millionen. Erst das letzte Jahr des 20. Jahrhunderts führte den Trend in die falsche Richtung wieder fort, in einem Jahr verlor man wiederum eine Million Zuschauer und hatte nun auch Probleme, sechs Millionen zu generieren.

Zum 25. Geburtstag der ersten deutschen Seifenoper gibt es nicht nur Anlass zu feiern, denn die Einschaltquoten der Serie befinden sich seit Jahren in einem kontinuierlichen Sinkflug.

Aber bereits im Jahre 2000 erübrigten sich auch diese Probleme, denn sechs Millionen standen nun auch nicht mehr ernsthaft zur Debatte. Nun musste man erneut eine Etage tiefer um die Gunst der Zuschauer kämpfen, im Jahr 2001 fiel die Reichweite abermals auf nur noch 4,68 im Jahresschnitt. Danach beruhigte man sich erneut für ein paar Jahre, denn auch 2005 sahen kaum weniger Menschen zu als vier Jahre zuvor. Wer nun auf eine Stabilisierung der Werte gehofft hatte, musste sich aber erneut eines Besseren belehren lassen, denn das Jahr 2006 hatte erneut eine böse Überraschung für die Beimers parat.

Genauer gesagt war es eine recht schockierende Überraschung, denn erstmals in der langen Geschichte der Serie begeisterte man regelmäßig weniger als vier Millionen Menschen: 2006 waren es noch 3,79 Millionen, in den Folgejahren folgte man einem geringen, aber kontinuierlichen Abstieg, sodass im Jahre 2010 wohl ein Wert von rund 3,10 bis 3,20 Millionen Zuschauer zusammenkommen werden. Mit durchschnittlich rund 12 bis 13 Prozent Marktanteil geschieht zudem etwas, was vor einigen Jahren wohl nur wenige Menschen für möglich gehalten hätten: Die Serie ist akut gefährdet, den Senderschnitt in diesem Jahr zu unterbieten.

Ist all dies wirklich eine Tragödie oder geht es nicht mit der langen Laufzeit des Formats einher, dass es irgendwann an Relevanz verliert? Die Wahrheit liegt vermutlich in der goldenen Mitte, denn einerseits ist es ganz natürlich, dass heutzutage nicht mehr zehn Millionen und mehr eine deutsche Seifenoper am Sonntagabend vor den Fernsehgeräten verfolgen. Die Kontinuität, die man hinsichtlich des Bedeutungsverlustes in den letzten Jahren an den Tag legte, ist jedoch schon erschreckend, da man bei anhaltenem Trend schon in Kürze deutlich im roten Bereich liegen könnte.

Dass die Serie trotzdem um drei Jahre bis 2014 verlängert wurde, dürfte vor allem zwei Dingen geschuldet sein. Auf der einen Seite hat Das Erste ein echtes Kultformat am Sonntagabend zu bieten, das man aufgrund großer und treuer Fangemeinden nicht übereilt absetzt, weil die Quoten nicht mehr überzeugen. Auf der anderen Seite dürfte es aber gerade das junge Publikum sein, welches dem Team um Marie-Luise Marjan auch weiter den Arbeitsplatz sichern wird. Mit rund einer Million Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren kommt man regelmäßig auf einen zweistelligen Marktanteil und liegt somit sehr deutlich oberhalb des ARD-Senderschnitts, welcher im aktuellen Fernsehjahr bisher nur auf 6,3 Prozent gelangt. Unter diesem Wert lag in den vergangenen vier Jahren nur die Folge 1282, welche am 4. Juli dieses Jahres bereits um 18:20 Uhr laufend nur 5,5 Prozent aller Zuschauer einfuhr.

Aufgrund dessen ist es nicht angemessen, den Teufel an die Wand zu malen. Dennoch könnte es dauerhaft problematisch werden, wenn das kommende Sendejahr zur Folge hätte, dass man auch unter die Drei-Millionen-Marke fällt. Ansonsten würden sich auch die Stimmen mehren, die statt von einer kultigen von einer nicht mehr zeitgemäßen Produktion sprächen. Nach 1306 Folgen wäre aber auch dieser Vorwurf zu verkraften.
16.12.2010 14:00 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/46477