Statistisch gesehen: Die Quoten-Horizontale

Nicht Das Erste oder das ZDF stehen hinter RTL in der Quotenrangliste. Stattdessen hat sich ein mysteriöser Dritter dazwischen gemogelt.

Statistisch gesehen verreisten rund 40 Prozent der deutschen Urlauber in diesem Sommer in andere Teile Deutschlands statt ins Ausland. Nachteil: Von einem unbekannten TV-Programm kann man sich an verregneten Abenden nicht faszinieren lassen.

Quizfrage: Dass RTL auch in der Monatsabrechnung November wieder an der Spitze der Marktanteils-Rangliste stehen wird, dürfte niemand ernsthaft bestreiten wollen, aber wer findet sich bei den Quoten aller Zuschauer ab drei Jahren wohl an zweiter Stelle wieder? Das Erste? Das Zweite? Oder überraschend aus dem Hinterhalt kommend und auf einen Schlag die ganze Fernsehwelt auf den Kopf stellend sogar Sat.1? Immerhin hat man mit «Die Säulen der Erde» einen richtigen Blockbuster gefunden und der dritte Teil am kommenden Montag zählt noch zum November dazu.

Wenn am 1. Dezember der TV-Markt auf Quotenmeter.de erscheint, wird ziemlich sicher Das Erste die oberste Verfolgerposition besetzen. Mit gebührendem Abstand zum Marktführer, aber ebenso sicherer Distanz vor privaten Verfolgern. Andernorts wird eine andere Institution an zweiter Stelle gelistet werden. Wie kommts? Rechnet Quotenmeter etwa falsch?!

Tatsächlich ist der Sender, der den beiden großen Öffentlich-Rechtlichen den Rang abgelaufen hat, viele Sender: Die Dritten Programme der ARD: BR, hr, MDR, NDR, Radio Bremen, rbb, SR, SWR und WDR. Zusammen bilden sie eine Marktmacht im deutschen Fernsehen, die die Auswirkungen des öffentlich-rechtlichen Quotenverfalls deutlich langsamer zu spüren bekommt. Die kleineren wie der Hessische Rundfunk oder der Rundfunk Berlin-Brandenburg konnten über die letzten fünf Jahre sogar leichte Zuwächse verzeichnen. Mit 12,5 Prozent Marktanteil liegen die Dritten im November derzeit vor dem Ersten mit 12,1 Prozent und erst recht dem ZDF mit 11,7 Prozent.

Es ist wohl vor allem der Tradition geschuldet, dass selbst Konkurrenzsender wie Sat.1 die Dritten als gemeinsamen Komplex listen und sich einen unschlagbaren Gegner in die Quotenlisten schreiben. So ist der ewige Vierte im eigenen Videotext bloß an fünfter Stelle zu finden. Über die Sinnhaftigkeit braucht man heute kaum noch zu diskutieren: Die Dritten sind keineswegs mehr regional beschränkt, sodass sich die Addition ihrer Marktanteile anbieten würde, um das gesamte Bundesgebiet einmal zu erfassen. Mittlerweile kann fast jeder Bundesbürger jedes Dritte Programm empfangen und zwischen einem halben Dutzend verschiedener Sendungen auswählen. Beachtet man das und verfrachtet die Dritten einmal in die Horizontale, dann schaut die Marktmacht schon viel unspektakulärer aus:

Der volle Balken der dritten hat die gleiche Fläche wie der gestrichelte - er ist bloß einfach neun mal so breit. Und selbst wenn man den NDR mit dem im letzten Jahr besten Ergebnis der Dritten an die Stelle dieser setzt, der kleine helle Balken, sieht das Bild sehr ernüchternd aus.

Getrennte Sendegebiete wären natürlich nicht die einzige Begründung, die neun Sender zusammenzufassen. Würden alle dasselbe Programm bringen oder es stark regional einfärben etwa mit Regionalnachrichten, dann wäre auch nicht davon auszugehen, dass der Zuschauer bewusst ein Drittes aus einem anderen Bundesland wählt. Wenn aber wie am Donnerstag der Bayrische Rundfunk über Italien berichtet und im NDR eine Dokumentation über Alaska zeigt, ist die Regionaltendenz bestenfalls nur noch als Nord-Süd-Gefälle zu erkennen.

Letzten Endes darf man auch in der Diskussion, wie sinnvoll es ist, von den Rundfunkgebühren mehr als ein Dutzend Fernsehsender zu betreiben, die Dritten nicht größer machen als sie sind. Einzeln betrachtet holte der NDR wie bereits erwähnt im letzten Jahr das beste Ergebnis: 2,7 Prozent. Weit hinter RTL II und knapp vor Super RTL. Und bei den Zuschauern zwischen 14 und 49 findet sich ein Sender wie der hr sogar hinter Eurosport, Comedy Central und MTV wieder. Kleiner Trost für die Hessen: Das wird nicht mehr lange so sein. Denn MTV wechselt bekanntlich ins Pay-TV.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.
26.11.2010 10:35 Uhr  •  Stefan Tewes Kurz-URL: qmde.de/46070