Die Kritiker: «Wilsberg: Bullenball»

Julian Miller sah den neuen «Wilsberg»-Film, welcher am Donnerstag erst bei ZDFneo läuft, am Samstag schließlich bei ZDF ausgestrahlt wird.

Story
Nach dem Besuch einer feucht-fröhlichen "Bauer-sucht-Frau-Party", dem so genannten Bullenball, steht der Steuerfahnder Ekki Talkötter nachts auf offener Landstraße neben Michael Klarmann, dem Freund von Jule Köhler, als plötzlich Schüsse fallen. Ekki wird verletzt und Michael Klarmann von einer zweiten Kugel tödlich getroffen. Fortan glaubt Ekki, man hätte es eigentlich auf ihn abgesehen gehabt - als Steuerfahnder habe man ja ausreichend Feinde.

Um Ekki zu beruhigen, beginnt Georg Wilsberg zu ermitteln und stößt auf ländliche Missgunst, Eifersucht und alte Familiengeheimnisse. Der Vater Michael Klarmanns zum Beispiel ist völlig ungerührt über den Tod seines Sohns. Der hatte offensichtlich die Firma und damit das Lebenswerk des Alten ruiniert. Aber nicht nur er scheint verdächtig. Der jähzornige Landwirt und Jäger Ulf Hagen, dem der alte Klarmann durch seinen Pachtvertrag seit Jahren den Zugang zum Wald und damit zur Jagd verwehrt, hätte ebenfalls ein Motiv. Er hatte dem Ermordeten sein gesamtes Vermögen anvertraut, das dieser mit riskanten Finanzspekulationen verspielte. Oder Jule Köhler, die Freundin des Ermordeten. Sie träumte davon, mit dem wohlhabenden Michael Klarmann endlich der ländlichen Tristesse zu entfliehen. Hatte sie herausgefunden, dass Michael kein Geld mehr besaß? Für die Polizei sieht die Sache einfach aus: tödlicher Ausgang eines Familienzwists. Als aber ein zweiter Mord geschieht, sind die Karten neu verteilt, und Wilsberg ist erneut gefordert.

Darsteller
Leonard Lansink («Ein starkes Team») ist Georg Wilsberg
Oliver Korittke («Das siebte Photo») ist Ekki Talkötter
Rita Russek («Familie ist was Wunderbares») ist Kommissarin Springer
Ina Paule Klink («Die Unbeugsamen») ist Alex
Anne Brendler («Eine Liebe in Venedig») ist Nicole
Mignon Remé («Unter den Linden») ist Irmgard Köhler
Jasmin Schwiers («Bis in die Spitzen») ist Jule Köhler

Kritik
Der komplexe Haupthandlungsstrang um den Mordfall und die im Laufe der Ermittlungen aufgedeckten Abgründe in der Familie Klarmann ist zumeist glaubwürdig geschrieben. Zu Beginn des zweiten Aktes bemüht man sich auch sichtlich, die Spannung anzuziehen, deren Aufbau während der sehr langen Exposition im ersten Akt leider vollends vernachlässigt wurde. Über weite Strecken gelingt dieses Vorhaben in den letzten zwei Dritteln des Films auch recht gut.

Ein völliger Reinfall ist jedoch der Nebenhandlungsstrang um Ekkis Romanze mit der Charmeurin Nicole, die mit ihm anbandelt und ihn dazu benutzt, ihre Steuersünden verschwinden zu lassen. Denn die Motive der hinterlistigen Steuersünderin, die das Drehbuch zunächst im Dunkeln zu lassen versucht, entpuppen sich zu schnell als das, was sie sind. Der Versuch, dadurch einen weiteren Spannungsbogen aufzubauen, scheitert somit auf ganzer Linie. Sogar bedenklich ist es dabei, dass das Drehbuch dem Steuerfahnder Ekki für sein vollkommen rechtswidriges Handeln die Absolution erteilt.

Problematisch ist auch, dass Drehbuchautor Timo Berndt die Polizisten durchgehend als die letzten Idioten auftreten lässt, die sich von einem Antiquar und Gelegenheitsprivatdetektiv ihren Job erklären lassen müssen. Und das auch noch meist bereitwillig tun. Realitätsnah ist das nicht einmal annähernd, und durchdacht ebenso wenig.

Wie viele Passagen der Handlung, so ist auch die Dialogführung an einigen Stellen unglaubwürdig und unpassend. Wilsbergs ständige Flappsigkeiten sind in vielen Situationen unangemessen und passen nicht zu den sonstigen Eigenschaften seines Charakters. Auch die meisten Sparwitze, mit denen das Skript der neuen Folge gespickt ist, zünden nicht. Dass die Auflösung der Konflikte schließlich eher ein schlechter Witz ist, lässt den Film auf einer vollends unbefriedigenden Note enden. All das lässt die Dramaturgie leider recht trostlos erscheinen.

Diese Unzulänglichkeiten der neuen Folge von «Wilsberg» reihen sich dabei recht gut in die allgemeinen Probleme des Formats ein. Denn ausgeklügeltes Storytelling war noch nie eine Stärke der Autoren, und so gibt es seit der ersten Folge vollkommen widersprüchliche Aussagen darüber, wie die Hauptfigur ihre Zulassung als Rechtsanwalt verloren hat. Continuity, adieu!

Das Schauspielerensemble macht seine Sache dabei mit der Ausnahme von Oliver Korritke, der seine Rolle zu überdreht spielt und dadurch ins Lächerliche zieht, durchwegs sehr gut. Herausragend ist sicherlich die Leistung von Jasmin Schwiers, die es schafft, die emotionalen Katastrophen ihrer Figur stets glaubwürdig und mitreißend zu inszenieren. Summa summarum bleibt «Wilsberg: Bullenball» von Regisseur Hans-Günther Bücking jedoch ein strukturell recht unausgegorener Krimi mit massiven dramaturgischen Defiziten.

ZDFneo zeigt «Wilsberg: Bullenball» am Donnerstag, den 25. November 2010, um 20.15 Uhr. Bereits am Samstag, den 27. November 2010, ist die Episode im ZDF zu sehen.
24.11.2010 10:37 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/46022