Schluss mit Dudelfunk! - Der Irrsinn Formatradio

Die Hits der 80er, 90er und von heute. Unser Kolumnist über Radio-Deutschland.

"Sie hören das Hitradio - mit den größten Hits der 80er und 90er und dem Besten von heute!" Kommt Ihnen dieser Slogan bekannt vor? Kein Wunder. Mittlerweile wirbt der Großteil öffentlich-rechtlicher und privater Radiosender mit diesem oder einem vergleichbaren Spruch. Und nicht nur in diesem Punkt ähneln sich die Sender, sondern auch im gesamten Programm.

Es gab mal eine Zeit, da war das Radio eine akustische Wundertüte. Das Programmschema eines Radiosenders zeichnete sich durch Vielseitigkeit und Abwechslung aus, wie etwa Musikstrecken, Talksendungen, Glückwünschsendungen, Hitparaden, Sportberichte und Hörspiele. Die einzelnen Sendungen waren deutlich auf den jeweiligen Moderator zugeschnitten, und hinterließen beim Hörer einen bleibenden Eindruck. Besonders interessant war die Musikauswahl, die überwiegend den Moderatoren überlassen war. Oftmals präsentierten sie ihren Hörern unbekannte Geheimtipps oder legten ihre Lieblingsplatten aus ihrem persönlichen Musikköfferchen auf. Die musikalische Bandbreite ging von Pop über Jazz bis hin zu Schlager. Man wusste nie, welcher Leckerbissen wohl als nächstes folgen würde.

Doch dies ist etwa seit Ende der 90er Jahre Vergangenheit. Stattdessen hat sich flächendeckend das Formatradio, auch Dudelfunk genannt, durchgesetzt. Unter dem Motto "Alles muss gleich sein" wurde die störende Sendungsvielfalt gekippt, und stattdessen eine umfassende Vereinheitlichung der Hörfunkprogramme, Musikauswahl, Jingles und des Moderationsstils durchgeführt. Die Inhalte sowie die Präsentationsformen fokussierten sich ähnlich wie im Fernsehen auf die angestrebte Zielgruppe. Vorgegebene Playlisten der Radiocharts verbannten jegliche Freiheit der Moderatoren eine eigene Musikauswahl zu treffen. Aus diesem Grund gibt es scheinbar kein Entkommen mehr aus dem zyklischen musikalischen Einheitsbrei, bestehend aus Lady Gaga, Katy Perry, Nickelback und Herbert Grönemeyer. Neben Platz 1 bis 40 der aktuellen Hitparade gibt es nichts mehr. Einige musikalische Perlen bleiben dem unbedarften Hörer somit vorenthalten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind die Radiosender nicht mehr voneinander zu unterscheiden, da sie devot das enge Korsett des Formatradios tragen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Moderationsstil der Formatradiosender. Es gibt keine Moderatoren mehr, sondern lediglich Moderationsmarionetten. Stets laut, immer gut gelaunt, und bei jedem Wortbeitrag einen zwanghaft lustigen Spruch auf den Lippen - Hauptsache man überschreitet nicht die zeitliche Grenze von ca. 90 Sekunden. Länger darf ein Wortbeitrag nicht sein, denn man traut seinen Hörern nicht zu, dem Gesagten länger aufmerksam folgen zu können. Im Formatradio darf es keinen Moment ohne musikalische Berieselung mehr geben, sondern es muss ständig ein rhythmisches Geräusch durch den Äther gehen. Nachrichten sind keine Nachrichten mehr, sondern zweiminütige, von nerviger Hintergrundmusik beschallte, News für Doofe. Auf die Morningshows direkt aus der Hölle will ich erst gar nicht eingehen.

Die Non-Stop-Berieselung hat ihren Höhepunkt erreicht und dazu geführt, dass einige geschasste Hörer inzwischen zu Alternativen in Form von Internetradios geflüchtet sind. Eine Entwicklung, die sich das Radio selbst zuzuschreiben hat. Radio kann nicht mehr nur Moderation und Musik sein, die Programme müssen wieder unterscheidbarer werden.
01.08.2010 00:00 Uhr  •  Glenn Riedmeier Kurz-URL: qmde.de/43591