So war das Fernsehen vor zehn Jahren: Sat.1

Das erste Jahrzehnt des neuen Millenniums ist vorbei. Welche Sendungen und Personen prägten das Fernsehen in dieser Zeit? Welche großen Erfolge und Trends gab es? Quotenmeter.de wirft einen Blick zurück. Heute: Sat.1.

Deutschlands erster Privatsender Sat.1 blickt auf ein turbulentes Jahrzehnt zurück. Seit den Rekord-Marktanteilen von knapp 15 Prozent sanken diese ab 1995 stetig ab, sodass das neue Millennium mit einem Tiefstwert von 10,2 Prozent begonnen wurde. So einen geringen Marktanteil hatte Sat.1 seit 1990 nicht mehr. Gleichzeitig eröffnete der Sender kurz vor der Jahrtausendwende sein neues Medienzentrum in Berlin, in das nach und nach die gesamte Belegschaft aus allen Teilen Deutschlands zusammengezogen wurde. Doch diese Gemeinschaft sollte nur wenige Jahre anhalten, denn im Jahr 2008 beschloss die Konzernspitze den Umzug des Senders nach Unterföhring.

Parallel zur räumlichen Veränderung durchlebte der Kanal auch einen starken strukturellen Wandel. Im Oktober des Jahres 2000 verschmolzen die Sat.1 Satelliten Fernsehen GmbH und die ProSieben Media AG zur ProSiebenSat.1 Media AG. Diese wurde 2002 beinahe von der KirchMedia übernommen, dies scheiterte jedoch an dessen bekannt gewordener Insolvenz. Rund ein Jahr später kaufte die Gruppe des Medienunternehmers Haim Saban einen Großteil der Aktien und führte eine umfangreiche Neuausrichtung der Sender und deren Programme durch. Als das Unternehmen erfreuliche Zahlen vorweisen konnte, wurde ein Verkauf an die Axel-Springer-Gruppe angestrebt, der jedoch an einem Verbot durch das Bundeskartellamt scheiterte. Ende 2006 übernahm dann die Investorengruppe um Permira und Kohlberg Kravis Roberts & Co das Unternehmen.

Mit diesen finanziellen Umschichtungen gingen bei Sat.1 auch zahlreiche personelle Änderungen einher. Kaum ein anderer Sender hatte in den vergangenen Jahren soviele Geschäftsführer. Zur Jahrtausendwende saß Martin Hoffman auf dem Chefsessel, den er 2003 an Roger Schawinski (Foto) abgab. Auch wenn dies nie offiziell bestätigt wurde, soll der Führungswechsel der entscheidende Grund für den Weggang von Harald Schmidt gewesen sein und damit der Verlust einer der konstantesten und erfolgreichsten Säulen im Programm des Senders. Nach rund drei Jahren übernahm der bisherige stellvertretende Geschäftsführer und Verantwortliche für den Bereich Unterhaltung, Matthias Alberti, die Geschäftsführung von Schawinski. Nachdem er die an ihn gestellten Ziele nicht erreichen konnte, wurde ihm Torsten Rossmann, Vorsitzender der Geschäftsführung des Nachrichtensenders N24, zur Seite gestellt. Doch auch die Doppelführung schien nicht die von der Konzernleitung gewünschten Erfolge zu bringen, sodass ab 2009 der bisherige kabel eins-Chef Guido Bolten die Leitung übernahm. Trotz der spektakulären Verpflichtung von Oliver Pocher und Johannes B. Kerner blieb der lang erhoffte Aufstieg aus. Als Konsequenz wurde Bolten nach rund einem Jahr seines Amtes enthoben. Sein Nachfolger wurde ab 2010 der bisherige Chef der German Free TV Holding und ehemalige Geschäftsführer von ProSieben Andreas Bartl.

Diese umfangreichen Veränderungen machten sich auch im Programm des Senders bemerkbar. Während der Konkurrent RTL sowohl im Unternehmen als auch im Programm eine verlässliche Konstanz bot und damit die Marktanteile im vergangenen Jahrzehnt ausbauen konnte, wechselten sich bei Sat.1 die Konzepte und Sendeplätze immer wieder ab.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends setzte der Sender regelmäßig auf große, historische Event-Produktionen, die nicht nur beim Publikum ein großer Erfolg waren, sondern auch zahlreiche Preise gewannen. Im Januar 2001 verfolgten knapp sieben Millionen Zuschauer die dramatischen Ereignisse des Zweiteilers «Der Tunnel». Knapp zwei Jahre später lockte «Das Wunder von Lengede» rund neun Millionen Menschen vor den Fernseher. Dieser Erfolg konnte im Jahr 2005 mit «Die Luftbrücke» wiederholt werden. Spätere Eigenproduktionen wie «Wir sind das Volk» im Jahr 2008 erreichten nur noch halb so viele Zuschauer.

Mit den Übertragungsrechten der Fußballbundesliga und der Marke «Ran – Sat.1 Fußball» hatte man im Jahr 2000 einen festen Quotengaranten im Programm. Da jedoch Leo Kirch mehr Exklusivität für seine Pay-TV-Plattform Premiere forderte, wurde der Start der Samstagszusammenfassung in Sat.1 ab 2001 auf 20.15 Uhr nach hinten verlegt. Die Folge waren derart vernichtende Quoten, dass die Sendung nur wenige Wochen wieder auf 19.00 Uhr vorverlegt wurde. Die Fußball-Rechte wurden dann im Laufe der Jahre so teuer, dass sie nur noch durch Querfinanzierung innerhalb des Senders möglich waren. Im Jahr 2003 führte dies dazu, dass Sat.1 sie an Das Erste abgeben musste. Damit endete zunächst auch das Engagement des Senders, der sich einst mit Fußball einen großen Namen machte und im Jahr 1998 sogar Spiele der Fußball-WM übertrug.

Ganz verabschiedete man sich jedoch nicht vom Fußball: Sat.1 übernahm die Champions League-Rechte von RTL: Die Spiele der Königsklasse wurden moderiert von Oliver Welke und dem heutigen Manager der Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff. Ab der Saison 2006/2007 zeigte Sat.1 mit Spielen des UEFA-Cups weiterhin Fußball, man verlor die Champions League-Rechte aber an Premiere. Der Pay-TV-Sender kaufte damals auch die Free-TV-Rechte und zeigte ausgewählte Partien im DSF. Ab 2007 präsentierte der Sender wieder Spiele der Champions League, die fortan bis Mitte 2009 von Premiere für Sat.1 hergestellt wurden. Seit 2009 besitzt Sat.1 selbst die Rechte sowohl an den Spielen der «UEFA Europa League» als auch an der «Champions League» und reanimierte für deren Übertragung die 2003 eingestellte Marke «ran» wieder zu neuem Leben.

Während der 90er Jahre war Sat.1 neben Fußball auch für seine erfolgreichen Serien bei vielen Zuschauern beliebt. Produktionen wie «Anna Maria – Eine Frau geht ihren Weg» oder «Hallo Onkel Doc» sorgten für Reichweiten zum Teil von über zehn Millionen Zuschauern. Im neuen Jahrtausend verlor der Sender auch auf diesem Feld immer mehr an Zugkraft. Die einstigen Quotenerfolge «Kommissar Rex», «Wolffs Revier» und «Für alle Fälle Stefanie» fanden aufgrund inhaltlicher und personeller Änderungen nicht mehr das Publikum wie noch in den 90ern und verschwanden ab 2004 nach und nach aus dem Programm. Neue Produktionen wie «Sommer und Bolten: Gute Ärzte, keine Engel» (2001), «Die Anstalt» (2002), «Broti & Pacek - irgendwas ist immer» (2002), «Körner und Köter» (2002), «Mit Herz und Handschellen» (2002), «Typisch Sophie!» (2004), «Bis in die Spitzen» (2005) (Foto), «Stadt Land Mord!» (2006) und «Unter den Linden» (2006) suchten vergeblich ein großes Publikum und wurden nur selten für eine zweite Staffel verlängert. Mit «GSG9», «Allein unter Bauern», «Dr. Molly & Karl» und «Plötzlich Papa – Einspruch abgelehnt!» setzte sich dieser Trend auch gegen Ende des ersten Jahrzehnts fort. Von ProSieben übernahm man ab 2001 die Arztserie «Klinikum Berlin-Mitte» für zwei Staffeln mit durchwachsenem Erfolg. Der letzte große Erfolg des Senders war die humoristische Anwaltsserie «Edel & Starck», die ab 2002 immerhin auf vier Staffeln und 52 Episoden kam.

Weitere Erinnerungen an das Sat.1-Programm: «Genial Daneben», «Richterin Barbara Salesch» und «Verliebt in Berlin» - alles auf der nächsten Seite.

Das erste Jahrzehnt des neuen Millenniums ist vorbei. Welche Sendungen und Personen prägten das Fernsehen in dieser Zeit? Welche großen Erfolge und Trends gab es? Quotenmeter.de wirft einen Blick zurück. Heute: Sat.1.

Gegen Ende der 90er Jahre sorgte am späten Samstagabend die Comedysendung «Die Wochenshow» für sensationelle Quoten. Mit dem Ausstieg von Bastian Pastewka (Foto), Markus Maria Profitlich und Anke Engelke im Jahr 2001 und einer misslungenen Neuausrichtung brachen die Zuschauerzahlen trotz der Verpflichtung von Michael Kessler, Anette Frier und Bürger Lars Dietrich rapide ab, sodass das einstige Erfolgsformat 2002 eingestellt wurde. Nahezu alle Beteiligten blieben dem Sender mit eigenen Formaten (u.a. «Briskos Jahrhundertshow») erhalten, von denen «Ladykracher» (ab 2002) mit Anke Engelke und «Pastewka» (ab 2005) mit Bastian Pastewka bis heute produziert werden. Nach dem überraschenden Ende der «Harald Schmidt Show» im Jahr 2003 übernahm Engelke im Frühjahr 2004 eine Late-Night-Show auf dessen Sendeplatz. «Anke Late Night» funktionierte jedoch überhaupt nicht und verschwand nach einigen Monaten wieder vom Schirm. Fortan konzentrierte sich der Sender auf die Produktion von unzähligen Sketch-Formaten wie «Die dreisten Drei» (ab 2003), «Sechserpack» (ab 2003), «Zack! Comedy nach Maß» (ab 2005) oder «Two Funny - Die Sketch Comedy» (ab 2008), die allesamt am sogenannten «Fun Freitag» liefen.

Gleichzeitig entwickelte sich die Impro-Comedy «Genial daneben» ab 2003 auf dem Sendeplatz der «Wochenshow» zu einem Überraschungserfolg, der der Sendung zeitweise einen zusätzlichen Sendeplatz am Freitagabend einbrachte. Getragen von deren Erfolg wurde auch die ebenfalls improvisierte Show «Schillerstraße», die vor allem zwischen 2005 und 2006 am Donnerstagabend sensationelle Quoten brachte und zum Teil die Konkurrenz von «Alarm für Cobra 11» abhängte.

Wirklich dauerhafte Erfolge konnte Sat.1 während des vergangenen Jahrzehnts nur im Tagesprogramm etablieren. Mit «Richterin Barbara Salesch» wagte man eine deutsche Version der in Amerika sehr beliebten Court-Shows. Zunächst verhandelte die ehemalige Hamburger Richterin echte Fälle im Rahmen eines Schiedsgerichts und verhalf dabei unter anderem dem legendären Maschendrahtzaun zu großer Bekanntheit. Trotzdem wusste das Konzept am Vorabend nicht zu überzeugen, sodass im Oktober 2000 eine gravierende Neuausrichtung folgte. Fortan wurde die Sendung auf den Nachmittag verlegt, die Sendezeit verdoppelt und erfundene Strafrechtsfälle von Laiendarstellern vorgetragen. Die Umstellung brachte Marktanteile von bis zu 30 Prozent und löste eine wahre Flut an Richtershows aus. Erster Nachfolger wurde ab 2001 «Richter Alexander Hold», der ebenfalls in Sat.1 für Recht und Ordnung sorgte und wie auch das Original noch heute praktiziert.

Nach dem Ende des Talkshowbooms und dem Verschwinden der langjährigen Vertreter «Franklin» im Jahr 2004 und «Vera am Mittag» im Jahr 2006 übernahmen Wiederholungen der Gerichtsshows deren Sendeplätze. Der 14-Uhr-Slot, den zur Jahrtausendwende noch der quirlige Ricky Harris mit seiner Talkshow «Ricky!» belegte, musste er aufgrund schlechter Quoten im März 2000 an Peter Imhof für dessen Show abgeben. Als auch diese im November 2001 beendet wurde, folgte ihr die Therapie-Show «Zwei bei Kallwass», die zunächst echten Patienten versuchte zu helfen. Doch der große Erfolg des Formats kam auch erst als die Geschichten erfunden und von überforderten Möchtegern-Schauspielern präsentiert wurden.

Am Vorabend profitierte Sat.1 zu Beginn der 2000er-Jahre vor allem vom Quiz-Boom, den RTL mit dem Erfolg von «Wer wird Millionär» ab Ende 1999 auslöste. Mit «Die Quiz-Show» präsentierte Jörg Pilawa täglich ab Juli 2000 eine nahezu identische Kopie des Klassikers. Während der ersten Jahre war die tägliche Version derart erfolgreich, dass sie gleich zwei Sendeplätze am Vorabend belegte. Als Pilawa 2001 zum NDR wechselte, übernahm erst Christian Clerici und ab 2003 Matthias Opdenhövel das Vorlesen der kniffeligen Fragen. Während «Wer wird Millionär» noch immer produziert wird, wurde «Die Quiz Show» bereits 2004 wegen des sinkenden Erfolges eingestellt.

Am Vorabend etablierte sich fast zeitgleich ein neuer Trend, der aus dem Erfolg der nachmittäglich Richtershows hervorging. Im März 2003 lief auf einem der ehemaligen Sendeplätze der «Quiz Show» die ersten Ausgaben von «Lenßen & Partner» über den Schirm. Im Zentrum stand der Anwalt Ingo Lenßen, der zuvor regelmäßig bei «Richter Alexander Hold» auftrat. Er löste zusammen mit seinen Gehilfen erfundene Fälle, die in Form einer Reality-Doku präsentiert wurden. Bei den Darstellern handelte es sich erneut um unbedarfte Laien. Die Resonanz auf das fiktive Format war von Anfang an riesig und zog bereits im selben Jahr ähnliche Sendungen wie «K11 – Kommissare im Einsatz» und «Niedrig und Kuhnt – Kommissare ermitteln» nach sich, die im Gegensatz zum Original noch heute im Programm des Senders zu finden sind.

Zwischen jenen fragwürdigen Dokus gelang Sat.1 mit der Adaption einer kolumbianischen Telenovela im Jahr 2005 einer der lukrativsten Coups des vergangenen Jahrzehnts. «Verliebt in Berlin» mit Alexandra Neldel entwickelte sich zu einem sensationellen Erfolg am Vorabend und schaffte es sogar zeitweise die Ur-Soap «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» zu übertrumpfen. Das große Finale, in der Lisa Plenske ihren Traumprinzen David Seidel heiratete, verfolgten am 01. September 2006 zur besten Sendezeit über sieben Millionen Fans. Angetrieben vom Erfolg der Serie, versuchte der Sender sie auch nach dem Happy End und dem Ausscheiden von Alexandra Neldel fortzusetzen. Fortan stand Tim Sander im Zentrum der Telenovela, dem es jedoch nicht gelang die Herzen der Zuschauer zu gewinnen. Erfolglos blieb auch der Versuch noch während der Laufzeit von «Verliebt in Berlin» die zweite Telenovela «Schmetterlinge im Bauch» zu etablieren. Erst im Jahr 2008 wagte sich der Sender mit «Anna und die Liebe» an die Produktion einer neuen täglichen Serie, die dann nach anfänglichen Startschwierigkeiten sogar zu einem Erfolg wurde, wenngleich sie nicht an die einstigen Erfolge von «Verliebt in Berlin» anknüpfen konnte.

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So war das Fernsehen vor zehn Jahren: RTL
18.03.2010 09:50 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/40810