Gelbe Manie: Matt Groenings Wiegenfest

“Unterhalten und untergraben” ist seine Devise, “ständige Panik” gestaltet sein Schaffen: Es spricht Matthew Groening.

“Insofern man die Anwandlung verspürt, Cartoonist zu werden, bedeutet dies, dass man gesellschaftlich maladaptiv ist ... Entwender nutzt man Cartoons, um dem Leben auszuweichen oder man verfolgt das geheime Vorhaben, die Weltherrschaft zu übernehmen, wie Walt Disney.” Kurze Zeit bevor Matthew Abram Groening sich in den Räumlichkeiten des bevorstehenden Meetings, das seine gesamte Zukunft verändern sollte, einfand, las er einen Artikel, der die Thematik der drei meist ikonischen Bildnisse des 20. Jahrhunderts zum Gegenstand hatte: Eine der Abbildungen war das damalige Logo der amerikanischen Sendeanstalt CBS, eine weitere zeigte Adolf Hitlers Bart, während die Figur Mickey Mouse das Schlusslicht bildete. Im Folgenden schuf Groening, geboren am 15. Februar des Jahres 1954, unbewusst selbst ein künftig globales Massenphänomen: «Die Simpsons», welche ihren inzwischen 20. Geburtstag feiern. Der kreative Kopf hinter der gelben Familie aus Springfield erreicht in wenigen Wochen das 56. Lebensjahr – Zeit, den Blick über die Schulter zu richten.

Er habe nicht erwartet, nach 20 Jahren derart viel erreicht zu haben, gestand der kurzzeitige Musikjournalist, dessen Name entgegen mutmaßlicher Vermutungen 'Graining' ausgesprochen wird. “Ich wusste, das ich Dinge mochte, an denen nur wenige andere Menschen Gefallen finden. Gleichzeitig mochte ich Mainstream sehr. Es war ein Experiment, zu sehen, wie weit ich gehen konnte, die Dinge, die ich wirklich mochte, in die Mainstram-Kultur zu schleußen. Ich war davon überzeugt, dass die Show ein Hit werden würde. Ich dachte, Kinder würden sie lieben. Doch ich dachte auch, dass sie sich, wie alle Modeerscheinungen, zerstreuen und letztendlich verschwinden würde.” Mit dieser Erwartungshaltung dürfte Greoning in großem Maße überrascht gewesen sein; Homer, Bart, Lisa, Marge und Maggie erorberten das Publikum im Sturm und die ersten 14 Monate des Merchandising führten gar zu einem unfassbaren Betrag von 1,2 Millarden Dollar – Eine beachtliche Leistung, bedenkt man, dass der eigentliche Auftrag war, einen Lückenfüller der «Tracey Ullman Show» zu kreieren.

“Ich hatte immer die Fantasie, die Cartoons würden von anderen Leuten gemocht werden. Zur selben Zeit war ich dieser Underground-Cartoonist, dessen Karriere bisher keinerlei Anzeichen gegeben hatte, dass irgendetwas dieser Art geschehen würde.” An jenem Tag, in dessen Zeichen die Erkenntnis seines Erfolges stand, besuchte Groening sein kürzlich errichtetes Haus und musste feststellen, dass die Fassade Opfer eines 'Bart Simpson'-Graffito geworden war – Nur war niemanden bekannt, dass es sich um sein Eigentum handelte. Die Eingebung der gelben Haut entsprang im Übrigen nicht seinem Genie. “Es war die Idee eines der ersten Animateuren. Anfangs gefiel sie mir ganz und gar nicht.” Der potentielle Wiedererkennungswert änderte jedoch seine Ansicht.

Die Arbeit an den «Simpsons» und ihrem Kosmos beschreibt Groening mit dem Gefühl, Mittelpunkt einer “Cirque du Soleil”-Akrobaten Vorstellung zu sein, mit einer Masse an erstaunlichen Dingen um ihn herum. Er bereut zum heutigen Zeitpunkt allerdings, gegenüber bestimmten Menschen nachgegeben zu haben. “Ich blicke auf die Spin-Offs Seth MacFarlanes [Schöpfer diverser Zeichentrickformate wie «Family Guy»] und bin irritiert, dass «The Krusty The Clown Show» und «Springfield Stories» vor 15 Jahren nicht entstanden sind. Meine Einstellung ist: Mach' den besten Deal, den du machen kannst, aber mach' den Deal.”

Einst meinte Groening, die Serie würde auch fortbestehen, insofern ihn ein Lastwagen überfahren würde. In einem Interview bezog er, auf die Frage eines Journalisten hin, was anschließend geschehen würde, Stellung. Selbstverständlich würde es weh tun, von einem Lastwagen überollt zu werden, entgegnete er. Doch wie oftmals zuvor beteuerte er anschließend, kein Motiv zu erkennen, das Kulturgut seinem Ende zuzuführen. Seine künstlerischen Einflüsse liegen im Übrigen bei John Lennon, Charles Schultz und dessen “Peanuts”. Eben dieser Autor erließ eine Verfügung, die festsetzte, dass mit seinem Tod auch die Ära Charlie Browns begraben werden würde. Matt Groening spricht sich zwar gegen eine Realversion der «Simpsons» aus, ließ die zu implizerende Frage selbst jedoch unbeantwortet.
26.01.2010 11:30 Uhr  •  Marco Croner Kurz-URL: qmde.de/39813