Wahl 09: So gut waren die deutschen TV-Sender

Etliche Sender berichteten am Sonntag von den Bundestagswahl 2009: Quotenmeter.de hat die Berichterstattungen der vier großen deutschen TV-Stationen gesehen.

ARD:«Bundestagswahl 2009 mit Caren Miosga und Ulrich Deppendorf» (17.00 bis 20.00 Uhr)
Von Fabian Riedner:
Wenn in der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird, dann darf Das Erste natürlich nicht fehlen. Bereits um 17.00 Uhr stieg der erste deutsche Fernsehsender in die Berichterstattung um die Wahl des 17. Deutschen Bundestags am 27. September 2009 ein. Durch die mehrstündige Sendung führten Caren Miosga und Ulrich Deppendorf (Foto), der Mann für die Zahlen war Jörg Schönenborn. Während Miosga und Schönenborn mit ihrer Moderation glänzten, stockte Ulrich Deppendorf das eine oder andere Mal – vielleicht als ihm klar wurde, dass mehrere Millionen Menschen zuschauen. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios machte seine Sache nicht gut, wirkte oftmals geistig abwesend und moderierte hölzern.

Dagegen war die in Peine geborene Caren Miosga einen Tick besser. Sie hatte zwar keine Moderationsprobleme, hörte aber ihren Gesprächspartnern – also den Politikern im Studio – nicht zu. Sie stellte ihre Fragen, wie sie sie vorbereitet hatte. Als der eine oder andere Partei-Verantwortliche auf eine Frage antwortete und die nächste mit dieser Antwort schon beantwortete, stellte Miosga die Frage trotzdem. Als kritische Interviewerin, die auf die Gäste eingeht, eignet sich die 40-jährige Moderatorin überhaupt nicht. Astreine Analysen mit verständlichen Worten – auch ohne virtuelle Erklär-Räume – lieferte Jörg Schönenborn. Nicht ohne Grund ist er Chefredakteur des WDR-Rundfunks und ist in den Wahlsendungen ein festes Gesicht.

Wenn es um Köpfe geht, so müsste Deppendorf nach diesem Abend ausgewechselt werden. Der 59-Jährige ist zwar bei Politikern bekannt und wird auch von der Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich angesprochen, jedoch war seine Leistung schwach. Fortan sollte Miosga die reine Moderation übernehmen, Jörg Schönenborn die Zahlen präsentieren und Frank Plasberg für die Politiker-Runde engagiert werden.

Die Aufmachung mag das eine sein, die Inhalte sind aber eine viel wichtigere Sache. Hier präsentierte sich Das Erste gewohnt stark. Auch wenn Jörg Schönenborn gegen das Bundeswahlgeheimnis verstieß und bereits vor der 18.00 Uhr-Prognose verriet, dass eine Partei ein historisches Tief holte. Angesichts der Umfragewerte dürfte es klar gewesen sein, dass die SPD das frühere Tief von 28,8 Prozent unterschritten hatte.

In diesem Jahr zeichnete sich die ARD-Wahlvorberichterstattung durch viele Hintergrundinformationen aus. Das Erste zeigte, wie die Umfragewerte von Infratest dimap entstehen, welcher Andrang vor dem Reichstag in Berlin ist und – das war besonders sehenswert – welche Politiker wie Peter Struck (SPD), Hans Eichel (SPD) und Friedrich Merz (CDU) nicht mehr für einen weiteren Sitz im Bundestag kandidieren. Der Tiefpunkt der Sendung wurde allerdings mit einem Versuch erreicht, auf die Comedy-Schiene einzusteigen. So wurden Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel nachgemacht, wie sie versuchen, miese Wahlergebnisse schön zu reden. Der mehrminütige Beitrag hatte zwar einen wahren Kern, der Inhalt hatte aber keine Pointen.

Die eigentliche Berichterstattung ab 18.00 Uhr war wie auf fast allen Sendern: Ständig neue Hochrechnungen, Interviews mit Politikern und Schalten in die Wahlzentrale. Durch eine gute Redaktion kann sich Das Erste durchaus sehen lassen. Jedoch gibt es Schwachpunkte, die unbedingt ausgebessert gehören. Denn auch die Konkurrenten schlafen nicht.



ZDF: «Wahl im ZDF» (16.50 Uhr bis 21.45 Uhr)
Von Alexander Krei

Das ZDF setzte am Wahlabend auf ein bewährtes Konzept: Moderatorin Bettina Schausten führte gemeinsam mit Christian Sievers durch die Sendung, die - nach der US-Präsidentenwahl und der Europawahl - nun schon zum dritten Mal aus dem Alten Telegrafenamt in Berlin gesendet wurde. Publikum gab’s inklusive, doch glücklicherweise wurde die Übertragung nicht durch ständiges Klatsches unterbrochen. Stattdessen bot das ZDF solide Kost, wenngleich Schausten immer wieder mit so mancher Unsicherheit glänzte und etwa Gregor Gysi mal eben zum Chef der Linkspartei ernannte.

Berichte über mögliche Koalitionen und Spitzenkandidaten der Parteien sowie Schalten zu den Wahlpartys waren ebenso vorhanden wie eine simple Erklärung der oft als kompliziert empfundenen Überhangmandats-Regelungen -–ein wichtiges Thema, da es im Verlauf des Abends noch hätte wichtig werden können. In diesem Punkt konnte das ZDF sicherlich bei seinen Zuschauern punkten, allerdings auch mit den üblichen Experten-Runden. „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und „Focus“-Chefredakteur Helmut Markwort standen Bettina Schausten - wie schon bei vielen Wahlsendungen zuvor - Rede und Antwort.

Fehlen durften zudem auch nicht die Kindereporter von «logo!», die die Spitzenkandidaten der Parteien in den vergangenen Wochen mit teils sehr direkten Fragen überraschten. Ob es nötig war, dann auch noch Interviews mit den beiden Jung-Reportern zu führen, darf bezweifelt werden, doch angesichts einer 70-minütigen Vorberichterstattung blieb natürlich viel Zeit für weniger Wichtiges. Daher war dann auch Jacob Schrot am Start, der in diesem Jahr die ZDF-Show «Ich kann Kanzler!» gewann und erst mal klar machte, dass für ihn „als junger Mensch“ nun erst mal das eigene Studium im Vordergrund steht. Aha. Als interessanter erwies sich da schon die Runde ehemaliger Spitzenpolitiker, darunter Henning Scherf und Rezzo Schlauch - sie konnten recht frei über die Entwicklungen der vergangenen Wochen und Monate sprechen.

Um 17:30 Uhr ging es dann erstmals um Landespolitik, schließlich fanden neben der Bundestagswahl auch noch Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein, doch das Hauptaugenmerk war vom ZDF klar auf die wohl wichtigste Wahl des Tages gerichtet – wer genaue Informationen zu den Landeswahlkämpfen haben wollte, sah also in die Röhre. Und dann war es auch schon 18 Uhr. Sogar einige Sekunden früher zeigte das ZDF die erste Prognose der Wahl und schon dann sogar schnelle Analysen von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sowie von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit und Niedersachsens Minister Präsident Christian Wulff hinterher – sicherlich ein Pluspunkt der Berichterstattung. Auch die Tatsache, dass später mit Kurt Biedenkopf und Henning Scherf zwei Ruheständler der traditionellen Volksparteien im Wahlstudio zu Gast waren, wertete die Sendung auf. Letztlich erwies sich das ZDF dadurch als gute Wahl am Sonntagabend.

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Etliche Sender berichteten am Sonntag von den Bundestagswahl 2009: Quotenmeter.de hat die Berichterstattungen der vier großen deutschen TV-Stationen gesehen.

RTL: «wir wählen 2009» (17:30 Uhr – 19:30 Uhr)
Von Jakob Bokelmann:

Der traditionellen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender hat die private Konkurrenz kaum etwas entgegenzusetzen, sodass außer RTL und Sat.1 kein anderer Sender ein Sonderprogramm zeigt. Doch bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahre 2005 erwies sich gerade RTL bei den jungen Zuschauern als beliebt. Auch in diesem Jahr informierte der Kölner Sender ab 17:30 Uhr in einer zweistündigen Sondersendung über die Bundestagswahl 2009. Durch das Programm führte Peter Kloeppel mit Unterstützung des n-tv-Moderators Christoph Teuner. Als Experten waren Moderator Heiner Bremer, RTL-Auslandskorrespondentin Antonia Rados und der n-tv-Wirtschaftsexperte Markus Koch geladen, die präzise und informativ Fragen zum Wahlkampf, den bevorstehenden Koalitionen und den daraus resultierenden Veränderungen beantworteten. Bewährt haben sich die übersichtlichen und anschaulichen Grafiken zu Prognosen, Hochrechnungen, Sitzverteilung und Koalitionen, nette Zusatzinformationen wie die Parteienentwicklung seit 1949 oder eine Erklärung der Problematik der Überhangmandate.

Gelungen war auch die Informationspolitik von RTL, denn die Wahlveranstaltungen der drei stärksten Parteien im deutschen Bundestag wurden mit gleich zwei Außenreportern besetzt: Jutta Bielig und Heike Boese waren für die SPD-Berichterstattung zuständig, Peter Kleim und Lothar Keller berichteten von der CDU/CSU-Front und Cordula Robeck sowie Holger Schmidt-Denker beobachteten das Geschehen bei der FDP. Mit Susanne Ungrad bei Bündnis 90/Grüne und Miriam Pauli bei den Linken wurde die Opposition mit je einem Reporter bedacht. Bereits vor den ersten Prognosen und Hochrechnungen vermittelten alle Korrespondenten erste Eindrücke der Lokalitäten und der Stimmung vor Ort; nach den Prognosen und der Hochrechnung wurden diese Eindrücke in ausreichend ausführlicher Weise kommentiert. Außerdem gab es kurze Interviews mit Angela Merkel und Jürgen Rüttgers. Live übertragen wurden im Laufe der Sendung die Reden von Frank-Walter Steinmeier, Angela Merkel, Guido Westerwelle und Renate Künast, von der Rede Gregor Gysis wurde hingegen nur ein sekundenlanger Ausschnitt gezeigt. Schade: Die Außenreporter informierten zwar zu Ergebnissen der Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein, in der eigentlichen Wahlsendung wurde diese Wahl allerdings nur am Rande berücksichtigt.

Als ärgerlich erwies sich die einmalige Unterbrechung der Wahlsendung durch ein komprimiertes «RTL Aktuell Weekend» sowie einen anschließenden Bericht über den Großen Preis von Singapur und den Boxwettkampf von Witali Klitschko gegen Christobal Arreola, weil dieser durch die Rede von FDP-Parteichef Guido Westerwelle abrupt unterbrochen und im Anschluss erneut gezeigt wurde. In einer Wahlsendung sollten derartige Nachrichten keinen Platz haben.

Stattdessen hätte die großartige Idee, die «RTL-Wahlstraße» als bürgerliches Echo zum Wahlgeschehen zu nutzen, stärker in Anspruch genommen werden können. Als vermeintlicher Querschnitt der deutschen Gesellschaft angepriesen, schaltete man, von der Begrüßung abgesehen, nur ein einziges Mal zu Gesa Eberl nach Frankfurt, um die Meinung zweier der insgesamt zehn Protagonisten der «Wahlstraße» zu erfahren – ein letztendlich banales und boulevardeskes Vorgehen, das RTL besser hätte koordinieren müssen. Rätselhaft bleibt zudem eine Liveschaltung zu Leo Busch an den Berliner Reichstag, die ohne Informationen und mit Übertragungsproblemen beendet wurde und auch in der folgenden Sendung keine Verwendung mehr fand. Die vermutlich geplante Interaktion mit vor dem Reichstag versammelten Besuchern fiel damit ohne Ersatz weg.

Insgesamt zeigte sich die RTL-Wahlsendung als gelungen, wenngleich das ganze Potential der Sendung nicht ausgereizt wurde. Die souveränen Außenreporter bildeten den Kern der Sendung, Moderator Kloeppel und das Expertenteam überzeugten im Studio mit kurzen Beiträgen und Meinungen. Einzig die zeitliche Limitierung auf zwei Stunden und das überflüssige, weil undurchdachte Konzept der Bürgermeinung trübten das Gesamtbild. Aus diesem Ansatz hätte man mehr machen können.



Sat.1: «Entscheidung für Deutschland - Wahl 2009» (17.45 - 19.00 Uhr)
Von Manuel Weis
Als vierter großer Sender berichtete auch Sat.1 von den Ergebnissen der Bundestagswahl. Man schloss sich hierbei mit N24 zusammen, sendete ein von Peter Limbourg und Christina von Ungern-Sternberg moderiertes Special aus dem N24-Nachrichtenstudio. Das Positive vorneweg: Reporterin Michaela May war mit Sabine Christiansen, Stefan Aust, Michel Friedman und Hajo Schumacher auf dem Dach des Bundestags positioniert und lieferte dort neben guten Analysen auch tolle Bilder des abendlichen Berlins.

Das war dann aber auch schon fast das einzig gute an der Übertragung. Peter Limbourg merkte man des Öfteren eine kleine Verunsicherung an – besonders deutlich wurde dies, als nach 20.00 Uhr das Moderatoren-Duo bei N24 getauscht wurde. Tatjana Ohm und Thomas Klug wirkten schlicht souveräner. Dank des hervorragenden Reporter-Netzes stimmten aber die Informationen, die schnell und kompetent vermittelt wurden – hier hat Sat.1 im Vergleich zum Jahr 2005 deutlich aufgeholt. Bei den Parteien im Einsatz waren unter anderem Achim Unser, Hans-Peter Hagemes und Michael Wüllenweber.

Doch dann passierte das, was eigentlich im Falle von Sat.1, dem Sender mit dem ramponierten Nachrichtenimage, nie passieren darf. Eine Stunde eher als angekündigt stieg man aus der Übertragung aus und machte den Platz frei für eine Ur-Alt-Doku «24 Stunden», die Autobahnpolizisten begleitete. Klar: Das Ergebnis war eindeutiger als gedacht und um 19 Uhr waren alle Analysen getroffen. Gute Quoten hätte eine weitere Stunde Politik sicher nicht gebracht und dennoch war es eine Fehlentscheidung, die Übertragung zu beenden.

Was Kanzlerin Merkel zu sagen hatte, sahen also nur N24-Zuschauer oder Menschen, die sich ganz vom Programm der German Free TV Group der ProSiebenSat.1 Media AG verabschiedeten. Eines muss an dieser Stelle noch gesagt sein: Auch wenn Sat.1 Schelte verdient hat – N24 machte seine Sache am Sonntagabend sehr gut. Der Nachrichtenkanal sendete bis 22.10 Uhr – und somit recht lang. Dass N24 somit auch rund zwei Stunden früher als geplant aufhörte, sei verziehen – es war wirklich alles besprochen, was es zu besprechen gab. Intensive Gespräche mit Hans-Hermann Tiedje machten nach 21.00 Uhr Lust auf Politik – nicht zu bierernst, aber informativ und meinungsbildend. n-tv hingegen stieg schon um 20.00 Uhr aus, um im Abendprogramm Dokumentationen zu zeigen.

Etwas zu kurz gekommen ist bei N24 am Abend jedoch die Landtagswahl in Schleswig-Holstein und Brandenburg. Im Dauerlaufband wies man auf die Ergebnisse erst ab etwa 19.00 Uhr hin, im Programm sprach man die Ergebnisse bis dato nur sehr kurz an. ARD und ZDF hatten da das etwas glücklichere Händchen.
28.09.2009 09:11 Uhr  •  Riedner, Krei, Bokelmann, Weis Kurz-URL: qmde.de/37518