Sonntagsfragen an Borris Brandt

Siebeneinhalb Jahre war Borris Brandt Chef von Endemol, im September 2008 folgte die Trennung. Im Interview mit Quotenmeter.de sprach er Klartext: Was gefällt ihm an «Big Brother» nicht? Welche Zukunftschancen hat das Format und wie steht er zu Finanzinvestoren, die auf den Medienmarkt drängen?

Seit Ihrem Weggang von Endemol haben Sie Beteiligungen an verschiedenen Firmen. Kann man also davon ausgehen, dass es Ihnen geschäftlich gut geht?
Die Beteiligungen haben vor allem persönliche Sympathie als Grundlage. Ich bin kein Investor, kein Finanzjongleur...

Sie befanden sich mit Endemol in einer juristischen Auseinandersetzung – sie haben sich nun aber außergerichtlich geeinigt. Sind Sie damit zufrieden?
Endemol ist gerade noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen und profitiert von der Tatsache, dass ich ein hanseatischer Kaufmann bin und einmal gemachte Angebote aufrecht halte....

Verlassen haben Sie Endemol auch wegen den Finanzinvestoren, die dort nun das Sagen haben. Welche Auswirkungen haben diese Heuschrecken auf das Fernsehen?
Kapital ist wunderbare Grundlage für Kreativität. Endemol hatte früher Kapital und mit John den Mann mit Mut und ganz klaren kreativen und geschäftlichen Visionen. Kreativität und Content-Development brauchen Führer, Entscheider, Kämpfer. Leider sind inzwischen – im Übrigen in vielen Branchen – Menschen an Unternehmen beteiligt, die den eigentlichen Inhalt überhaupt nicht verstehen. So fehlt ihnen die fundierte Leidenschaft, die klare Sicht auf die Zukunft und das so wichtige Gefühl & die Kraft für die richtige Entscheidung.

Beispielsweise?
Naja... Einsparungen sind ja immer gerne genommen, aber wenn man dann glaubt, dass das Senken der Catering-Qualität bei Erfolgsproduktionen, der Anzahl der Telefonleitungen oder gar der Entwicklungsbudgets das richtige Fundament für eine kreative Firma sind, dann sollte man doch lieber im Bereich Trockenfutter arbeiten.

Wie würde es Fernsehdeutschland denn ohne diese Heuschrecken gehen?
(lacht) Ich bin kein Prophet. Heuschrecken ist ein “Stimmungsmache-Wort” - Investoren klingt da für mich besser. Kapital ist der Treibstoff für jede Entwicklung. Wichtig ist eben nur, dass an der Entscheidungsspitze Menschen eingebracht sind, die etwas von ihrem Geschäft verstehen und ihrem Team von Fachleuten vertrauen. In der Gründungszeit von RTL zum Beispiel gab es mit Dr. Thoma jemanden mit einer unglaublichen Leidenschaft für das Fernsehen und einem einmaligen Bauchgefühl. Dazu hatte er Support, Kapital, den nötigen Freiraum, ein prima Team, und die Führungsqualitäten. Deshalb hat sich RTL damals so entwickeln können.

Herr Brandt, wir wollen ausführlich über «Big Brother» sprechen. Im Januar sagten Sie uns, dass Sie die neunte Staffel nicht schauen würden, was etwas überrascht, weil Sie großer Verfechter des Großen Bruders waren. Schauen Sie die Staffel heute?
Nein.

Im Januar ging das vielen so – die Quoten waren mies. «Big Brother reloaded» ließ die Werte zuletzt aber auf ein Niveau steigen, das man von den Staffeln sieben und acht kannte.
Ergebnisorientiert haben die Macher gute Arbeit geleistet. Handwerklich gefällt mir das, was ich da sehe, überhaupt nicht. Ich habe «Big Brother» nach der schwachen dritten Staffel zurückgebracht, habe mich persönlich um jede Episode gekümmert. «Big Brother» hatte für mich immer etwas mit Weitsicht und dem Aufbau und der Pflege eines positiven Images zu tun. Das hat sich wohl geändert. Wenn ich «Big Brother» schaue, dann sehe ich nur noch Piercings, Menschen von außerhalb der normalen Gesellschaft und nackte Brüste. Das brauche ich mir nicht antun und die Brüste, die ich zu Hause sehe, sind auch noch um Klassen besser.

Eine zehnte Staffel ist noch nicht gesichert – wie bewerten Sie die Zukunftschancen von «Big Brother»?
Das Prinzip „«Big Brother» nimmt sich ein paar Gestalten, sperrt sie ein und diktiert deren Leben“ ist nach fast zehn Jahren sicher nicht mehr modern. Und die aktuelle Staffel sieht eher aus wie Staffel 1 als Staffel 8. Aber solange Quoten, Image und Zielgruppe stimmen geht’s weiter.

Was sollte sich ändern ?
Ich glaube, dass vor allem das „Eingesperrt und Ausgeliefert sein“-Element uninteressant ist. Der Zuschauer möchte seine Favoriten eher im aktuellen Umfeld agieren sehen, besonders wenn es draußen im Land schwieriger ist. Künstliche Welten sind etwas für golden Zeiten. Ich habe das schon vor Jahren bei den Münchner Medientagen gesagt und die aktuellen Erfolge von allen lebensweltnahen Formaten - Dokusoaps, Hilfssendungen, Dokumentationen - geben mir deutlich recht.

Es verwundert, dass das von Ihnen kommt, weil Sie stets ein Verfechter von «Big Brother» waren.
Schauen Sie sich «Big Brother 9» an: Man behandelt immer noch die Themen, die in der ersten Staffel für Quote gesorgt haben. Es geht um Intrigen, um Piercing-Menschen die unter Decken wackeln, um Brüste zu Labbermusik, um Spannerei – der Focus liegt leider wieder auf den Urelementen, statt auf Themen, die die Zielgruppe wirklich bewegen.

Wie müsste «Big Brother» aussehen?
Das werden Ihnen die Contentexperten und Innovationsführer beim Produzenten erklären wollen.
Ich bin da jetzt „ab von “. (lacht)

Im zweiten Teil des großen Quotenmeter.de-Interviews bezieht Borris Brandt Stellung zur Sat.1-Kuppelshow «Nur die Liebe zählt». Außerdem lobt er Fernsehmacher, die ihre Formate in den vergangenen Monaten konsequent weiterentwickelt haben.
17.05.2009 09:57 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/34941