Serienlexikon: «Ein Herz und eine Seele»

Zu Beginn der 70er Jahre sorgte die Familienserie mit ihren Beleidigungen, Vorurteile und Streiterei für Aufregung im Land der heilen Fernsehunterhaltung. Kaum eine andere Produktion sorgte für soviel sozialen Zündstoff und gesellschaftliche Diskussionen.

Familienserie gab es Anfang der 70er Jahre im deutschen Fernsehen viele, in denen allerdings die heile Welt dominierte. Es wurden liebenswerten Gemeinschaft gezeigt, in denen es kaum einen ernsthaften Konflikt gab. Die Hauptfiguren waren meist strenge, aber liebende Väter, warmherzige Mütter und nette Kinder. Damit brach im Jahr 1973 der Autor Wolfgang Menge bewusst als er die Reihe «Ein Herz und eine Seele» auf Basis der britischen Vorlage «Till Death Do Us Part» entwickelte. Das Original lief von 1966 bis 1975 bei der BBC und war sogar der Ursprung für die Vornamen der Hauptfiguren. Bevor es das Konzept jedoch nach Deutschland schaffte, ging im Jahr 1971 eine weitere Version mit dem Titel «All In The Family» beim amerikanischen Network CBS auf Sendung.

Anders als es der Titel der Serie vermuten ließ, herrschte bei der Familie Tetzlaff keine Harmonie. Der Familienvater Alfred war nicht sorgenvoll, sondern gehässig, fies und vorurteilsbehaftet. Er schimpfte über alles und jeden und beleidigte mit Vorliebe seine Ehefrau („Dusselige Kuh“). Daher bekam er schnell den Beinamen „Ekel Alfred“. Im Gegenüber stand seine etwas naive Frau Else, die sich meist die Angriffe ihres Mannes demütig gefallen lassen musste, aber hin und wieder auch zurückschießen konnte. Im Haus der Bochumer Arbeiterfamilie lebte zudem die aufgedrehte Tochter Rita und ihr Ehemann Michael, der für Alfred ein besonderer Dorn im Auge war, da er aus der DDR stammte. Die beiden gerieten in zahlreichen Diskussionen über die beiden Staatssystem immer wieder aneinander. Sie lebten quasi den Kalten Krieg im heimischen Wohnzimmer aus.

Die politischen Vorurteile von Alfred und die damit verbundenen Debatten waren der Mittelpunkt einer jeden Ausgabe. Dabei nahm er stets einen sehr radikalen Standpunkt ein, der immer wieder zu heftigen Diskussionen nach der Ausstrahlung der Sendung führte.

„Ekel Alfred“ wurde vom Schauspieler Heinz Schubert dargestellt, der bis zu seinem Tod im Jahr 1999 mit der Rolle verbunden war. Seine geringe Körpergröße unterstützte dabei die Wirkung Alfreds, der trotz seiner ewigen Schimpferei oft nicht ernst genommen wurde. Seine Ehefrau Else wurde von Elisabeth Wiedemann verkörpert, die noch heute in einigen Krimi- und Kinderserien zu sehen ist. Hildegard Krekel, die neben vielen kleineren Rollen aktuell in der WDR-Serie «Die Anrheiner» zu sehen ist, erweckte die Tochter Rita zum Leben. Ihren Ehemann Michael spielte der damals noch unbekannte Dieter Krebs, der nach dem Ende der Serie mit «Sketchup» und zahlreichen anderen Comedyformaten legendär wurde. Zuletzt konnte man ihn kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 in der Sat. 1-Produktion «Der Dicke und der Belgier» sowie der Actionkömödie «Bang Boom Bang» sehen. Die vier Darsteller bekamen durch «Ein Herz und eine Seele» einen wahre Kultstatus, der bis heute anhält.
Die 45minütige Serie wurden tagesaktuell auf einer kleinen Bühne vor etwa 60 Zuschauern aufgezeichnet und war damit ein Vorläufer der späteren Sitcoms. Sie wurde dann im Abstand von zwei bis vier Wochen montags um 20.15 Uhr gesendet.

Zunächst wurde sie nur in schwarzweiß im Programm des WDR ausgestrahlt und war damit nur regional zu empfangen. Doch als sich die Produktion immer größerer Beliebtheit erfreute, wurde sie auf dem gleichen Sendeplatz ins Abendprogramm der ARD übernommen. Ab dem 31. Dezember 1973 waren die Streitigkeiten der Familie Tetzlaff damit deutschlandweit zu sehen. Bereits die erste Ausgabe „Der Silvesterpunsch“ wurde zu einem Klassiker, der noch heute neben «Dinner For One» zum festen Silvesterprogramm aller dritten Programme gehört.

Mit dem Wechsel in die ARD wurde auch die Produktion der Serie in Farbe umgestellt. Da die ersten elf Episoden anfangs nur einem kleinen Publikum zuggängig waren, entschied man sich die vier besten Folgen dann noch einmal neu zu drehen. Dabei wurden die wesentlichen Handlungsstränge unverändert gelassen während am Humor noch etwas gefeilt wurde.

Zunächst lief die Serie bis zum 04. November 1974 und wurde dann mit der 21. Folge eingestellt. Doch der Wunsch der Zuschauer nach einer Fortsetzung war zu groß, sodass es 1976 eine Neuauflage gab. Allerdings kamen die neuen Episoden nicht mehr an die Originale heran. Dies lag unter anderem daran, dass sowohl Elisabeth Wiedemann als auch Diether Krebs nicht mehr engagiert wurden. Über die Gründe gibt es zahlreiche Gerüchte, die von zu hohen Gehaltsforderungen, internen Streitigkeiten bis zur Einflussnahme der Politik reichten. Diether Krebs soll angeblich auch wegen der Entschärfung der Serie im Wahlkampf so verärgert gewesen sein, dass er eine weitere Teilnahme ablehnte. Seine Rolle übernahm fortan Klaus Dahlen, während Elisabeth Wiedemann durch die Komikerin Helga Feddersen ersetzt wurde.

Zur Umbesetzung kam, dass sich das Format selbst wandelte. Der immer dominierende Klamauk verschreckte die Zuschauer zusätzlich, sodass nach bereits vier Episoden die Neuauflage wieder eingestellt wurde. Am Ende erreichte die Reihe damit lediglich 25 Folgen.

Den endgültigen Durchbruch als Kultformat gelang der Produktion als sie im Jahr 1996 erneut kurzfristig ins Abendprogramm genommen wurde und mehr als sechs Millionen Zuschauer erreichte und damit erfolgreicher als viele neuen Serien war. Immer wieder wurden seitdem die Erlebnisse der Familie Tetzlaff auf allen dritten Programmen wiederholt. Neben dem „Silvesterpunsch“ werden zudem zwei weitere Ausgaben regelmäßig zu bestimmten Feiertagen gezeigt. Die Folge „Rosenmontagszug“ läuft stets im Karnevalprogramm und die Episode "Besuch aus der Ostzone" wird jährlich am 03. Oktober aufgeführt.

Obwohl die Serie auf die aktuellen Ereignisse der Jahre 1973 und 1974 sowie 1976 referenziert, erfreut sie auch lange nach ihrem Ende einer großen Beliebtheit. Dabei ist es erstaunlich, dass der Humor und die Konstellationen noch heute funktionieren und zum Teil nichts von ihrer Brisanz verloren haben. Manch eine Diskussion wird noch heute in anderen Bereichen geführt. Kaum eine Serie zeigt gleichzeitig, wie viel sich in rund 30 Jahren verändert hat und wie viel auch wieder nicht.

Es war daher auch nicht verwunderlich, dass es später weitere Versuche gab, ähnliche Konzepte zu etablieren, die jedoch kaum an den Status von «Ein Herz und eine Seele» herankamen. Am erfolgreichsten schlug sich dabei noch die Serie «Motzki», die sich um einen verbitterten Mann kurz nach der Wende drehte und so die Vorurteile zwischen Ossis und Wessis karikierte und ebenfalls aus der Feder von Wolfgang Menge stammte.
02.05.2009 10:34 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/34662