Serienlexikon: «Frasier»

Die zwischen 1993 und 2004 produzierte Sitcom um den Radiopsychiater Dr. Frasier Crane und seine Familie ist eine der erfolgreichsten Serien aller Zeiten: Sie wurde über einhundert Mal für den Emmy Award nominiert und erreichte in den USA großartige Einschaltquoten.

Die Figur des Dr. Frasier Crane ist einer von zwei Charakteren, der in der Geschichte des US-Fernsehens am längsten auf dem Bildschirm zu sehen war: Ganze 20 Jahre spielte Kelsey Grammer den Psychiater (in der deutschen Synchronisation fälschlicherweise als Psychologe bezeichnet), der zunächst in der Sitcom «Cheers» ab 1984, später dann in der eigenen Serie zwischen 1993 und 2004 die Bildschirme unsicher machte. In der namensgleichen Sitcom ist Frasier ein Radiopsychologe in Seattle, der beim chaotischen Sender „KACL“ durch eine eigene Show zusammen mit seiner Produzentin Roz Doyle (gespielt von Peri Gilpin) führt, in der er Anrufern psychologische Ratschläge und Lebenshilfe gibt. Während Roz ein ausschweifendes Sexualleben führt und gerne mit ihren Eroberungen angibt, hat Frasier sich von seiner Frau getrennt und findet kein Glück in der Liebe – ein brisantes Duo also, das immer wieder in Konflikte gerät. Mit seinem sehr gut bezahlten Job wohnt Frasier in einem teuren Loft über der Skyline der Stadt.

Frasiers Bruder ist Niles Crane (David Hyde Pierce) und ebenfalls ein Psychiater. Er arbeitet allerdings in einer richtigen Praxis und lässt keine Gelegenheit aus, Frasier wegen seiner „Fast-Food-Psychologie“ als Radioberater zu denunzieren. Die beiden stets einen Anzug tragenden Brüder sind sich ansonsten sehr ähnlich: Sie sind von einem ungeheuren Snobismus geprägt und beide betrachten sich als die intellektuelle Spitze der Gesellschaft. Sie interessieren sich hauptsächlich für hohe Kultur und besuchen Opern, Museen und die feinsten Restaurants Seattles. Als Genießer und Feingeister lieben sie es, im Weinclub über die neuesten Lesen zu diskutieren oder bei Frasier zu Hause den neuesten Sherry, das Lieblingsgetränk der Brüder, zu trinken. Die ähnlichen Interessen führen aber regelmäßig zu einem Konkurrenzkampf, der in Streitereien um die höhere Intelligenz, den Vorsitz des Weinclubs oder die richtige psychoanalytische Lehre von Freud oder Jung ausartet. Die Absurdität des Seelenlebens der Brüder wird dadurch noch verstärkt, dass sie selbst zahlreiche Neurosen besitzen, die sie eigentlich als Psychiater bei ihren Patienten behandeln.

Vater der Beiden ist der gebrechliche und altersschwache Martin Crane (John Mahoney), der zu Beginn der Serie bei Frasier einzieht, weil die Brüder es nicht übers Herz bringen, ihn in ein Altersheim abzuschieben. Martin ist das komplette Gegenteil von Niles und Frasier: Er ist ein bodenständiger, einfacher Amerikaner, der Bier und fettes Essen mag, Sport liebt und den halben Tag vor dem Fernseher sitzt. Dass im feinen Hause Crane die Konflikte zwischen Frasier und seinem Vater vorprogrammiert sind, ist offensichtlich. Damit Martin sich über den Tag fit halten kann, wird eine Haushälterin und Physiotherapeutin aus England namens Daphne Moon (Jane Leeves) eingestellt, die fortan ebenfalls in Frasiers Wohnung lebt. Die ungewöhnlichen Sitten der Britin sowie die vermeintliche Fähigkeit, eine Hellseherin zu sein, machen Daphne schnell zu einem ungewöhnlichen, aber unverzichtbaren Teil der Familie.

Seit der ersten Begegnung ist Niles unsterblich in Daphne verliebt. Doch er ist zu schüchtern, um sie darauf anzusprechen. Verkompliziert wird die Situation noch dadurch, dass Niles zunächst mit seiner Frau Maris verheiratet ist, die sich durch noch schlimmere Neurosen und psychologische Probleme als er auszeichnet. In der Serie ist Maris nie bildlich zu sehen – einzig durch die Berichte und Erzählungen über sie erhält der Zuschauer ein Bild von ihr. Jedoch versucht Niles natürlich jegliche Männer von Daphne fernzuhalten, was ihm nicht immer gelingt und ihn oft in Depressionen stürzt. Ob die beiden irgendwann zusammenfinden, sei hier nicht verraten.

Zahlreiche weitere Nebencharaktere wie die skrupellose Agentin von Frasier, die Senderkollegen wie der erfolglose aber narzisstische Macho Bob „Bulldog“ Briscoe oder Frasiers gefühlskalte Ex-Frau Lilith machen die Serie im Laufe ihrer elf Staffeln immer wieder abwechslungsreich. Staffel für Staffel werden andere Nebencharaktere eingeführt, andere sind die kompletten elf Jahre über erhalten geblieben.

Die Serie «Frasier» ist ein Spin-Off, also ein Ableger der Sitcom «Cheers», die von 1982 bis 1993 beim US-Network NBC ausgestrahlt wurde und in der Kelsey Grammer als Frasier ab der dritten Staffel (1984) auftrat. Eigentlich war die Figur nur vorübergehend geplant gewesen, wurde aber aufgrund ihrer Popularität beim Publikum nach und nach zu einem Hauptcharakter ausgebildet. Nach dem Ende der Sitcom wurde «Frasier» die Nachfolgeserie, spielt damit also im selben Serienuniversum. In einigen Folgen der Show treten daher immer wieder Charaktere aus «Cheers» auf und statten Frasier einen Besuch ab. Ansonsten hat «Frasier», außer eben dem Hauptcharakter, wenig mit dem Vorgänger gemein: «Cheers» spielte in Boston, «Frasier» in Seattle, weil der Psychiater zu Beginn der Staffel zurück in seine Heimat zieht.

Produziert wurde die Serie von David Angell, Peter Casey und David Lee. Die drei gehörten schon bei «Cheers» zum Team der Drehbuchautoren. «Frasier» war von Anfang an ein Einschaltquoten-Hit bei NBC. In der ersten Season kam die Serie schon auf Platz 7 der Jahrescharts und jede Staffel bis zu Season neun war unter den 20 erfolgreichsten TV-Sendungen des Jahres zu finden. Der populärste Lauf war der sechste mit Rang drei der TV-Charts. Beliebteste Einzelfolge war das Finale der siebten Season, in der sich die lange zuvor über Jahre hin aufgebaute verzweifelte Situation der Liebe von Niles zu Daphne entscheidet. Dass viele Amerikaner den Ausgang dieser Liebesgeschichte ebenfalls interessierte, belegen die Zahlen: 33,7 Millionen Menschen sahen diese Episode. Bis zur letzten Staffel begeisterte «Frasier» viele Millionen und war auch noch nach elf Jahren erfolgreich – doch die hohen Gagenforderungen der Darsteller veranlassten NBC letztlich dazu, die Serie mit der elften Staffel abzuschließen. Insgesamt wurden 264 Folgen produziert.

«Frasier» ist eine der erfolgreichsten TV-Sendungen aller Zeiten. Die Serie wurde rekordverdächtige 108 Mal für den amerikanischen Fernsehpreis Emmy nominiert, 37 mal wurde die Trophäe gewonnen. Dies ist noch heute der Rekord für eine einzelne Show. Außerdem hält sie den Rekord für den längsten anhaltenden Gewinn der Kategorie „Outstanding Comedy Series“ – diesen Preis holte man in jedem Jahr zwischen 1994 und 1998. Zu den weiteren Gewinnen zählen unter anderem drei Golden Globes, sechs Preise der „Writers Guild of America“ sowie zwei Preise der „Directors Guild of America“.

Gründe für diesen immensen Erfolg bei Kritikern und Publikum gibt es viele: Die wunderbar geschriebenen und hervorragend gespielten Charaktere, deren Beziehungen immer wieder hohen Zündstoff bieten, der stetige Anspruch, der die Serie qualitativ von anderen Sitcoms abhebt, und auch die unverbrauchten Geschichten, in denen es mal nicht um eine „typisch amerikanische Durchschnittsfamilie“, sondern um snobistische, sich als Elite der Gesellschaft bezeichnende Brüder geht, sind sicherlich einige der Dinge, warum «Frasier» so beliebt wurde. Letztlich begeisterte die Sendung den durchschnittlichen Fernsehzuschauer, der mit den „einfachen“ Charakteren wie Martin oder Daphne lachen kann, sowie auch das anspruchsvolle Publikum, das die zahlreichen, abstrusen Fachdiskussionen von Frasier und Niles über Psychologie oder den Niedergang der Gesellschaft amüsant findet.

In Deutschland ist die Serie, trotz ihres sonst weltweiten Erfolges, relativ unbekannt. Zunächst muss gesagt werden, dass die Show nie zu einer humanen Tageszeit ausgestrahlt wurde, sondern allein im Nachtprogramm, weshalb die Chance auf Erfolg von den deutschen Sendern verwehrt wurde. Man glaubte nie an das Erfolgspotenzial der Show, auch wenn der weltweite Erfolg beweist, dass gerade eine solch unkonventionelle Sitcom sehr beliebt sein kann. Ab 1995 war sie immer für kurze Zeit nur auf Sendern wie Sat.1, kabel eins und im Pay-TV von Premiere zu sehen.

Einen festen, regelmäßigen Sendeplatz bekam «Frasier» erst Anfang 2003, wo die Serie von da an werktags gegen 00.40 Uhr viele Jahre lang in Sat.1 ausgestrahlt wurde. 2007 verschwand man aus dem Sendeplan von Sat.1 – ab 2008 ging es beim Pay-TV-Ableger Sat.1 Comedy weiter, 2008 hatte auch der Sender Anixe HD die Ausstrahlungsrechte ab der fünften Staffel und sendete die Sitcom im Vorabendprogramm. Die Free-TV-Rechte werden nun von Comedy Central gehalten.

«Frasier» hat noch heute weltweit eine große Fangemeinde. Immer wieder kommen Gerüchte über einen Kinofilm der Serie auf, doch Hauptdarsteller Grammer dementierte immer wieder, den Psychiater noch einmal spielen zu wollen. Dennoch war er als Frasier noch einmal 2008 in einem Werbespot für das Getränk "Dr Pepper" zu sehen - einen Kinofilm wird es aber wohl weiterhin nicht geben. In den USA ist Kelsey Grammer vielen «Simpsons»-Fans als Sprecher der Figur Tingeltangel Bob bekannt. 2007 war er in der gefloppten FOX-Sitcom «Back to You» zu sehen, zuletzt hat er in einem neuen Sitcom-Piloten für ABC einen gescheiterten Wall-Street-Millionär gespielt.
04.04.2009 09:13 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/34081